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BERICHT/123: Neuland wohin fährst du? (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 345 - Juni 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Neuland wohin fährst du?
Im Spannungsfeld: Bäuerliche Interessen wahren, Mitbestimmung langfristig sichern und ökonomisch wirtschaften

Von Marcus Nürnberger


Bad Bevensen Mitte Mai. Der Hof der Neuland Produktvermarktungs-GmbH Nord ist zugeparkt. Über 60 Gesellschafter sind zur Gesellschafterversammlung gekommen.

In seinem Grußwort beschreibt Jochen Dettmer, Bundesgeschäftsführer des Neuland e.V., die aktuellen Rahmenbedingungen. Sowohl das politische Umfeld als auch das Marktumfeld seien sehr gut. Auch die Qualität, so Dettmer, würde von vielen Verbrauchern noch über der von Bioprodukten angesiedelt, was seine Ursache vor allem in einer konsequenten Einhaltung der Richtlinien habe.


Die eigene Vermarktung

Neuland, eine Organisation in Hand der Bauern: Artgerechte Haltungsbedingungen, faire Preise für die Produzenten, gentechfrei, selbsterzeugte Eiweißbasis, eine Kalkulation vom Anfang zum Ende und nicht ein Verteilen von etwaigem Überschuss nach der Vermarktung als Rückwärtskalkulation. Neuland wurde gegründet, um eine Sicherung bäuerlicher Landwirtschaft zu gewährleisten. Konzentrationsprozesse und Unternehmensentwicklungen in anderen genossenschaftlichen Schlachtunternehmen hatten immer wieder dazu geführt, dass die ursprünglichen Mitspracherechte der Bauern als Genossenschaftsmitglieder schrittweise zurückgedrängt wurden. Die Entscheidungen im operativen Geschäft folgten immer den Unternehmensinteressen. Die Bauern wurden zu Rohstofflieferanten abgestuft. Ganz anders bei Neuland. Drei Säulen zeichnen die Organisation aus: Der Verein, die Bauern und die Vermarktung. Die Vermarktung besteht derzeit aus drei Vertriebsgesellschaften: im Norden, Westen und Süden. Die einzelnen Unternehmen arbeiten eigenständig. Eine engere Verbindung zwischen den Handelsunternehmen, wie von den Trägerverbänden gefordert, wäre wünschenswert, um die zweifelsohne vorhandenen Synergieeffekte zu nutzen, ist aber bisher strukturell nicht angelegt.


Macht der Erzeuger

Die Gesellschafterversammlung gibt den Bauern die Möglichkeit, Einfluss auf die Aktivitäten der Geschäftsführung und damit die Entwicklungen der Gesellschaft zu nehmen. Alle Neulandproduzenten sind selbst auch Gesellschafter. Unabhängig von der Anzahl der gezeichneten Anteile hat jeder Gesellschafter nur eine Stimme. Die Gesellschafterversammlung wählt den dreiköpfigen Aufsichtsrat, der als Gegengewicht zum hauptamtlichen Geschäftsführer diesen kontrollierend unterstützen soll und die langfristige Ausrichtung der Geschäftsentwicklung vornimmt. Der Geschäftsführer leitet das operative Geschäft. Der Zusammenschluss von Produktion und Vermarktung unter einem Dach führt zu Spannungen, da die Interessen auf den ersten Blick gegensätzlich sind. Die Bauern als Produzenten möchten hohe Preise für ihre Produkte. Der Vermarkter möchte dagegen möglichst wenig zahlen. Der Kitt, der beide zusammenhält, ist der Geist von Neuland. "Neuland ist ein politisch, praktisches Wirtschaftsunternehmen", formulierte es Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, neben dem Deutschen Tierschutzbund und dem BUND einer der Trägerverbände.


Scheinbar gegensätzliche Ziele

Die Spannungen entstehen in der Vermarktungskette. Bei Neuland Nord-West beispielsweise klagen die Ferkelproduzenten über deutlich zu niedrige Preise. Die immer volatiler werdenden Märkte mit derzeitig stark gestiegenen Getreidepreisen führen dazu, dass die Futterkosten und damit die Erzeugungskosten steigen. Ganz ähnlich stellt sich die Situation für den Mäster dar. Bei einer kurzfristigen Betriebszweigauswertung drücken sprunghaft gestiegene Futterkosten bei gleichbleibenden Ferkelpreisen das Ergebnis und weisen im Extremfall einen Verlust aus. Langfristig ist ein derartiger Zustand betriebswirtschaftlich inakzeptabel. Wenn er, wie im Fall einiger Neulandferkelerzeuger, schon über zwei Jahre andauert, ist die Forderung nach höheren Preisen nicht nur verständlich, sondern aus Unternehmenssicht auch absolut notwendig. Die Möglichkeiten, die durch einen hohen Ferkelpreis entstehenden Mehrkosten aufzufangen, sind begrenzt. Zum einen kann der Aufschlag innerhalb der Neulandfamilie umgelegt werden. Ein bisschen mehr für die Ferkel, ein bisschen weniger für die Mäster und die GmbH. Bei der in allen Stufen knappen Kalkulation stößt dieses Vorgehen schnell an seine Grenzen. Die zweite Möglichkeit ist, die gestiegenen Kosten zumindest teilweise an die abnehmenden Metzger weiterzureichen. Ein Vorgehen, das Fingerspitzengefühl bedarf, aber langfristig unausweichlich ist, weil die Neulandidee langfristig nur dann eine Chance hat, wenn die für den qualitativen Mehrwert anfallenden Kosten am Markt mit einem entsprechenden Mehrerlös auch realisiert werden können.


Guter Jahresbeginn

Für Neuland Nord fing das Jahr gut an, stellt Geschäftsführer Strauss in seiner Auswertung der ersten vier Monate dar. Seinen Hochrechnungen zur Folge kann man zum Ende des Jahres mit einem positiven Resultat abschließen. Anders als im vergangenen Jahr, wo aufgrund zahlreicher Investitionen in LKW und Werbemaßnahmen eine negative Jahresbilanz erzielt wurde. Noch nicht eingerechnet hat der Geschäftsführer in seinem Jahresausblick die von verschiedenen Produzenten geforderten höheren Auszahlungspreise für Ferkel, Lämmer und Rinder. In seinen Ausführungen macht Strauss deutlich, wie er sich diese Bilanz wünscht. Er möchte mit einem satten Plus abschließen und die Kosten für den Warenzukauf minimieren. Er berichtet von seinen Erfahrungen in anderen Unternehmen, die eben dies vollziehen, vergisst dabei allerdings, dass Neuland nicht Aldi,. Lidl oder REWE ist.


Gering entlohnte Rohstofflieferanten

Ein bisschen wehmütig berichtet er von Verlusten, die entstehen, wenn Neulandschweine aufgrund fehlender Absatzwege konventionell vermarktet werden müssen. Ca. 50 Euro weniger erlöst die Gesellschaft und zahlt dem Produzenten dennoch den vollen Neulandpreis. Unerwähnt bleibt, dass eine 100-prozentige Vermarktung unter Neuland gar nicht möglich ist, da nur ca. 90 Prozent der Tiere die geforderten Qualitätsbedingungen erfüllen. Dennoch sind die Zahlen eine Bestätigung für die gut funktionierende Vermarktung, aber eben auch für die Qualitäten der Landwirte. Für die Ferkelerzeuger sind sie ein starkes Argument im Ringen um bessere Preise, da schon ohne prognostiziertes Wachstum jedes Ferkel gebraucht wird. Bei der Gesellschafterversammlung wurden die unterschiedlichen Interessen von Geschäftsführung, Aufsichtsrat und Erzeugern nicht immer sichtbar. Aus Sicht des Geschäftsführers ist es ein berechtigtes Interesse, die Geschicke der Gesellschaft nach den Kriterien der Gewinnmaximierung zu lenken, auch wenn man von einem Geschäftsführer einer Neulandgesellschaft erwarten würde, dass er sich mehr den Zielen und Idealen der Organisation verpflichtet fühlt. In jedem Fall ist es aber die Aufgabe des Aufsichtsrats als Vertretung der Bauern, deren Interessen im höchsten Kontrollgremium zu vertreten. Ein wenig mulmig wird dem Betrachter, wenn der Geschäftsführer vom Aufsichtsrat in Personalfragen bevollmächtigt wird, ohne dass zumindest ein Vetorecht beibehalten wird. Oder aber wenn offensichtlich mit Wissen des Aufsichtsrats Vollmachten für den Geschäftsführer über die Aufnahme neuer Mitglieder in die Satzung formuliert werden sollen, die auch noch der Gesellschafterversammlung mit dem Hinweis auf das für den Notar deutlich vereinfachte Verfahren zur Abstimmung vorgelegt werden. Schnell hat Herr Strauss gemerkt, dass die Stimmung für seinen Antrag nicht günstig ist und ihn zurückgezogen.

Es wird abzuwarten bleiben, inwieweit Neuland Nord sich immer mehr zum reinen Handelsunternehmen entwickelt oder ob es dem neuen Aufsichtsrat gelingt, gemeinsam mit den produzierenden Bäuerinnen und Bauern und der Geschäftsführung die Neulandidee wieder ganz oben auf die Agenda zu setzen und trotzdem bzw. deswegen weiterhin ökonomisch erfolgreich zu bleiben.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 345 - Juni 2011, S. 5
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juli 2011