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FISCHEREI/222: Fischwissenschaftler finden neues Zuhause (idw)


Christian-Albrechts-Universität zu Kiel - 03.06.2009

Fischwissenschaftler finden neues Zuhause


Als einen wesentlichen Baustein in der Erforschung der künstlichen Vermehrung und Aufzucht von Fischen, Weichtieren und Krebsen hat der Geschäftsführer der Gesellschaft für Marine Aquakultur (GMA) mbH, Dr. Guido Austen, die neuen Forschungskapazitäten des Kompetenzzentrums Marine Aquakultur heute (3. Juni) bei der Einweihung in Büsum (Kreis Dithmarschen) bezeichnet.

Nach fast zweijähriger Bauzeit ist die vom Land Schleswig-Holstein geförderte Forschungs- und Entwicklungsanlage in Betrieb gegangen. Agrar- und Ernährungswissenschaftler, Verfahrenstechniker und Biologen werden sich hier mit der Aufzucht von Wasserorganismen in geschlossenen Kreislauf-Systemen befassen. Die drei Gesellschafter - egeb:Wirtschaftsförderung, Innovationsstiftung Schleswig-Holstein (ISH) und Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel - erhoffen sich davon zukunftsweisende Erkenntnisse. Schon heute stammt mehr als jeder dritte Speisefisch aus Aquakulturen.

"Mit dieser bundesweit einmaligen Initiative wird Schleswig-Holstein führender Standort in der Erforschung der Marinen Aquakultur", sagte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen bei der Einweihung des nationalen Kompetenzzentrums. Den 4,7 Millionen Euro teuren Neubau neben dem Forschungs- und Technologiezentrum Westküste, das als Einrichtung der Uni Kiel seit 1988 Grundlagenforschung betreibt, teilt sich die GMA mit dem im April eröffneten Gründer- und Technologiezentrum mariCUBE des Kreises Dithmarschen. Der Ministerpräsident lobte beim Festakt die vorbildliche Zusammenarbeit verschiedener Forschungseinrichtungen. "Auch daher hat das Land zahlreiche Teilprojekte mit insgesamt 7,9 Millionen Euro aus dem Zukunftsprogramm Schleswig-Holstein gefördert", so Peter Harry Carstensen.

Wichtiger Beitrag zur Welternährung

Wasser plätschert, Steinbutt und erste andere Fischarten schwimmen in kleineren und größeren Bottichen: Langsam füllt sich die Forschungsanlage der GMA mit Leben. "Eine vergleichbare Einrichtung muss man in Deutschland suchen", schwärmt Prof. Dr. Carsten Schulz, der als Inhaber der 2007 neu geschaffenen Professur für Marine Aquakultur an der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der Kieler Universität den Aufbau begleitet hat. Die Stelle des wissenschaftlichen Leiters fördert die Innovationsstiftung bis zum Jahr 2012 mit einer halben Million Euro.

"Fish-farming", wie die Marine Aquakultur auch genannt wird, ist ein in Deutschland in der Forschung bislang stiefmütterlich behandeltes Fachgebiet. "Wir sehen hier eine für die Welternährung immer wichtiger werdende Produktionsform mit immensem Forschungsbedarf und zugleich auch ein Potenzial für Anwendungen in Schleswig-Holstein", sagte Prof. Dr. Hans-Jürgen Block, Vorstand der Innovationsstiftung und Vorsitzender des Aufsichtrates der GMA. "Deshalb finanzieren wir die Stiftungsprofessur und engagieren uns für den Betrieb der Forschungs- und Versuchsanlage in Büsum. Hier wird das Studium an der Christian-Albrechts-Universität praktisch!"

Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft

Das Konzept der nicht kommerziell ausgerichteten GMA steht auf mehreren Säulen. Die Gesellschaft stellt öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen nicht nur modernste Anlagen zur Verfügung, sondern wird auch selbst Forschung betreiben. "Ob Tierzucht, Ökologie oder Ökonomie: Es gilt, interdisziplinär zu arbeiten", so GMA-Geschäftsführer Dr. Austen. "Die Wissenschaftler werden von Fischen lernen." Langfristiges Ziel des Leitprojektes der Landesinitiative "Zukunft Meer" ist der gemeinsam mit dem mariCUBE geplante Aufbau eines Netzwerkes für die blaue Biotechnologie, um einen schnellen Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu ermöglichen.

Fächerübergreifende Kooperationen mit der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der Uni Kiel, der Fachhochschule Flensburg oder dem Leibniz-Institut für Meereswissenschaften IFM-GEOMAR sollen den jungen Forschungs- und Wirtschaftszweig im Land zwischen den Meeren voran bringen. "Die räumliche Nähe der GMA zu unserem Forschungs- und Technologiezentrum Westküste und dem mariCUBE wird die enge Zusammenarbeit von regionaler Wirtschaft und Wissenschaft weiter befruchten", betonte Prof. Dr. Siegfried Wolffram, Vizepräsident der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. "Wir freuen uns über unseren Wissenschafts- und Technologiepark an der Westküste - ein Muster des Technologietransfers in Schleswig-Holstein im wichtigen Zukunftssegment Aquakultur. Wir werden alles daran setzen, diese Bindung weiter zu fördern. Denn hier werden die Aktivitäten der Landesuniversität auch über Kiel hinaus im Land sichtbar."

Strategien zur Züchtung und Reproduktion

Wissenschaftler und Verfahrenstechniker haben sich zum Ziel gesetzt, die bestehenden Kreislauf-Systeme weiter zu optimieren, um Fische unabhängig vom Wetter und anderen Umwelteinflüssen "schnellstmöglichst zur Speisegröße heranwachsen zu lassen", so Prof. Dr. Schulz. Die Forschungsanlage arbeitet dabei umweltverträglich: Das Salzwasser wird der Nordsee entnommen, Abwässer fallen durch mechanische und biologische Reinigung kaum an. Hinzu kommt der Einsatz von Geothermie. "Die Flexibilität, die uns hier zur Verfügung steht, ist einzigartig." Neben der Aufzucht von sehr anspruchsvollen Fischen ist in Büsum auch die Kultur von Algen und Krebstieren möglich.

Zur Simulation verschiedenster Umweltbedingungen stehen den Wissenschaftlern in der 750 Quadratmeter großen Halle drei Fischhaltungssysteme mit bis zu 30 Kubikmeter Wasser fassenden Becken und fünf Kleinkreisläufe zur Verfügung. Diese eignen sich für die Erforschung von Ernährungs-, Reproduktions- und Züchtungsstrategien. Angeboten werden auch Büro-, Konferenz- und Laborräume.

Alternative Proteinquellen für Speisefische

Vor dem Hintergrund sinkender Fischbestände und dem damit verbundenen Rückgang an Fischmehlen beschäftigen sich die Forscher in einem der insgesamt 16 Teilprojekte mit der Aufzucht von Forellen und Steinbutt durch Rapsproteine. Eingesetzt wird ein Schrotextrakt aus der Biodiesel-Produktion. "Fischmehle sind eine endliche Ressource, die Preise werden in die Höhe schnellen", so Prof. Dr. Schulz. "Wir untersuchen, ob die Fische alternative Proteinquellen vertragen." Um die Haltungssysteme zu verbessern, werden die Wissenschaftler in einem anderen Projekt den Kot der Meerestiere sammeln, um die Verdauung von Futtermitteln erforschen zu können.

Betreiber-Gesellschaft

Die Gesellschaft für Marine Aquakultur (GMA) ist im November 2004 mit dem Ziel gegründet worden, eine Forschungs- und Entwicklungsanlage für die Aquakultur am Standort Büsum (Kreis Dithmarschen) zu errichten und zu betreiben. Die GMA wird eigene und externe Projekte der angewandten Forschung und Entwicklung in der Fischzucht unterstützen. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Wissens- und Technologietransfer zur Zucht und Haltung von aquatischen Organismen. Gesellschafter der GMA mbH sind die egeb:Wirtschaftsförderung, die Innovationsstiftung Schleswig-Holstein und die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Erster Spatenstich für den gemeinsamen Neubau mit dem Gründer- und Technologiezentrum mariCUBE war im Oktober 2007.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution235


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Susanne Schuck, 03.06.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2009