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FORSCHUNG/670: Wie schmeckt Bio-Europa? (idw)


ttz Bremerhaven - 10.02.2009

Wie schmeckt Bio-Europa?


Eine Reise durch Europa ist immer auch eine geschmackliche Gratwanderung. Äpfel, Joghurt oder Fleischprodukte schmecken zuhause anders als in der Ferne. Hier wirkt sich nicht nur die Ferienlaune aus - tatsächlich werden Bioprodukte in den Nachbarländern nach unterschiedlichen Vorgaben angebaut und verarbeitet. Das Resultat sind Unterschiede, die man riechen, sehen und schmecken kann. Das EU-Projekt Ecropolis will landesspezifischen Unterschieden auf die Spur kommen. Der Startschuss fiel beim Kick-Off Meeting im schweizerischen Frick im Kanton Aargau.

Sensorische Geschmackslandkarte für Bioprodukte

In den Fußgängerzonen der europäischen Metropolen kommt man der Landeskultur nicht unbedingt auf die Spur. Der Blick auf Speisekarten, in Supermarktregale und auf Rituale rund um die Esskultur kann diesen Zugang schon eher schaffen. Nicht nur typische regionale Zubereitungen oder Zutaten machen den Unterschied aus, sondern bereits der Anbau stellt die Weichen für typische geschmackliche Prägungen. Die Vorschriften europäischer Anbau- und Herstellerverbände bestimmen, wie Lebensmittel angebaut, geerntet und verarbeitet werden dürfen - zum Beispiel ist der Einsatz bestimmter Zusatzstoffe und Aromen beschränkt.

Die Käufer von Bioprodukten werden somit an einen bestimmten Geschmack für jede Produktgruppe gewöhnt. Bei dem Verzehr eines Bioapfels aus einem Nachbarland wird die Erwartung an das Produkt daher nicht erfüllt. Irritation und Ablehnung können Reaktionen darauf sein. Die "Geschmackslandkarte", die im Rahmen des Projektes Ecropolis erstellt wird, bildet die landestypischen Präferenzen der Biokunden ab. Die Karte macht somit anschaulich, welche Eigenschaften von Bioprodukten bei Konsumenten in Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Polen und der Schweiz besonders hoch im Kurs stehen. Betrachtet werden dabei Milchprodukte, Backwaren, Fleischprodukte, Öle, Tomatenprodukte und Äpfel. Der Bund Naturkost Naturwaren Herstellung und Handel (BNN), die Universität Göttingen und das ttz Bremerhaven definieren den deutschen Geschmack für die "Geschmackslandkarte" Europa.

360 Testesser beurteilen die sensorische Qualität

Am Sensoriklabor des ttz Bremerhaven wird auch geprüft, wie ausschlaggebend das gute Gewissen beim Genuss von Bioprodukten für das positive Geschmacksimage ist und welchen Einfluss die tatsächlichen Eigenschaften der Lebensmittel darauf haben. "Durch Verbrauchertests mit 360 Probanden erhalten wir Bewertungen zu Geruch, Geschmack und Aussehen ausgewählter Bioprodukte und stellen die Ergebnisse den sensorischen Eindrücken konventioneller Produkte gegenüber. Subjektive Verbraucherurteile und objektive Daten aus der beschreibenden sensorischen Analyse werden zusammengeführt, um herauszufinden, welche Produkte aufgrund welcher sensorischen Eigenschaften in den Partnerländern bevorzugt werden, erklärt Dr. Mark Lohmann, Leiter des ttz-Sensoriklabors.

Eine solche Untersuchung, die verarbeitete Produkte einschließt und den Schwerpunkt auf Verbraucherpräferenzen legt, gab es bisher noch nicht. Projektpartner aus Polen, Italien, Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz, die ebenfalls sensorische Untersuchungen nach den gleichen Vorgaben durchführen, komplettieren das Bild der "Geschmackslandkarte".

Geschmacksurteil als "Kompass" für Produktoptimierung

Im EU-Projekt Ecropolis haben die Wissenschaftler auch die Produktentwicklung im Auge. Neben dem sensorischen Eindruck werden Abweichungen von Erwartungen und Kaufabsichten abgefragt. "Auf dieser Basis lassen sich Empfehlungen für die Produktentwicklung und das Marketing ableiten. Schließlich kann sich auch im Biosegment langfristig nur das Produkt behaupten, das geschmacklich überzeugt. Schmeckt es für den Verbraucher anders als ein konventionelles Vergleichsprodukt, kann es an den unterschiedlichen Herstellungsbedingungen liegen. Werden den Verbrauchern diese Unterschiede erklärt, gehen sie mit den neuen Geschmackserlebnissen positiver um. Das Genusserlebnis wirkt überzeugender und nachhaltiger als rationale Argumente", weiß Projektleiterin Kirsten Buchecker aus langjährigen Erfahrungen mit Biolebensmitteln.

Die Ergebnisse können Herstellern wertvolle Anhaltspunkte liefern, um die Beliebtheit ihrer Produkte beim Verbraucher und damit den Marktanteil zu steigern. Unternehmen und Verbänden erhalten ein wesentlich besseres Verständnis der Produktionsmethoden und der Einsatzmöglichkeit von Rohstoffen.

Gesammeltes Produktwissen auf Abruf

Die Ergebnisse der Untersuchungen werden in einer interaktiven Online-Datenbank mit dem Namen OSIS (Organic Sensory Information System) zusammengeführt. Das Design für die benutzerfreundliche Plattform wird gegen Ende der vierjährigen Projektlaufzeit zur Verfügung stehen. Konsumenten, Einzelhändler und Produzenten haben damit Zugriff auf fundierte und aktuellste Daten zu Bioprodukten und Vorlieben europäischer Verbraucher. Die Koordination des Projektes, das im 7. Forschungsrahmenprogramm von der Europäischen Kommission mit 2,1 Mio. Euro gefördert wird, übernimmt das schweizerische Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL).

Das ttz Bremerhaven versteht sich als innovativer Forschungsdienstleister und betreibt anwendungsbezogene Forschung und Entwicklung. Unter dem Dach des ttz Bremerhaven arbeitet ein internationales Team ausgewiesener Experten in den Bereichen Lebensmitteltechnologie und Bioverfahrenstechnik, Analytik sowie Wasser-, Energie- und Landschaftsmanagement, Gesundheitssysteme sowie Verwaltung & Software.

Weitere Informationen unter:
http://www.ttz-bremerhaven.de
http://www.fibl.org

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution785


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
ttz Bremerhaven, Britta Rollert, 10.02.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Februar 2009