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GENTECHNIK/431: "Monsanto will vollendete Tatsachen schaffen" (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 322 - Mai 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

"Monsanto will vollendete Tatsachen schaffen"

Johannes Rieger, IG-Nachbau-Mitglied, fuhr für das
Bündnis gentechnikfreies Hohenlohe nach Mexiko

Von Claudia Schievelbein


Ausgerechnet in Mexiko, der Wiege des Mais und gleichzeitig ein Land im Visier der Gentechnikindustrie, fand eine Sitzung der Arbeitsgruppe des UN-Abkommens über Biosicherheit, des sogenannten Cartagena Protokolls statt. In diesem Protokoll wird durch Staatenvertreter und sogenannte Experten über die Problematik des "grenzüberschreitenden Verkehrs von genetisch veränderten Produkten" diskutiert. Dabei geht es u.a. um Fragen der Kontamination, möglicher Entschädigungszahlungen und Verantwortlichkeiten. Viele Nichtregierungsorganisationen wollten diese Konferenz zum Anlass nehmen, um über die Bedrohung der einheimischen Sorten, des Saatguts und die Kontamination zu informieren und die Gefahren aufzuzeigen. Ein mexikanisches Netzwerk organisierte ein Parallelforum, zu dem auch Vertreter aus Europa eingeladen wurden. Saatgut ist in Mexiko noch frei handelbar. Es existiert noch keine Saatgut-Zertifizierung und die Bauern können ihr Saatgut frei austauschen. Doch mittlerweile gibt es starke Bestrebungen von Seite der Saatgutindustrie, auch in Mexiko ein Saatgutverkehrsgesetz einzuführen. Gemeinsam mit der Initiative "Entre Campos - Zwischen Land und Leuten" mit Sitz in Mexiko und Deutschland wurde das Bündnis Gentechnikfreies Hohenlohe angesprochen und ein Vertreter eingeladen. Johannes Rieger, dessen Familienunternehmen Saatgut von Wildpflanzen vermehrt und deshalb auch schon eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Bund deutscher Pflanzenzüchter ausgefochten hat, folgte der Einladung und flog nach Mexiko. Dort interviewte ihn der freie Journalist Gerold Schmidt.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: In Deutschland und Europa gibt es eine heiße Diskussion um den gentechnisch veränderten Mais Mon 810 von Monsanto. Wie sieht die Situation in Mexiko aus?

JOHANNES RIEGER: In Mexiko ist Genmais für den Konsum durch Menschen und Tiere offiziell verboten. Doch gerade erst hat die mexikanische Regierung mit der Erlaubnis für die experimentelle Nutzung von Genmais ein Einfallstor geöffnet. Nicht umsonst nennen viele kritische Organisationen das reformierte mexikanische Gesetz über Biosicherheit das "Monsanto-Gesetz". Außerdem gibt es bereits seit Jahren eine illegale Verseuchung über den Import von gentechnisch verändertem Mais aus den USA. Mexikanische Bauern haben die Maiskörner zum Teil zur Aussaat benutzt, ohne zu wissen, was sie da in den Boden setzen. In verschiedenen Regionen des Landes ist inzwischen Genmais nachgewiesen worden. Die mexikanischen Bauern und Gruppierungen, die sich im "Netzwerk zur Verteidigung des Mais" zusammen geschlossen haben, werfen ihrer Regierung vor, die mittelfristigen Gefahren herunter zu spielen und bewusst die Augen vor der illegalen Verbreitung des Genmais zu verschließen. Sie gehen davon aus, dass es sich um eine klare Strategie von Konzernen und möglicherweise der Regierung handelt, einfach vollendete Tatsachen zu schaffen.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Monsanto und andere Zuchtunternehmen führen höhere Erträge und stärkere Widerstandsfähigkeit ihrer Produkte an.

JOHANNES RIEGER: Daran sind zumindest Zweifel erlaubt. Und: den Konzernen geht es um Gewinn und Kontrolle des Marktes, nichts anderes. Sie wollen die ganze Handelskette vom Saatgut bis hin zum abgepackten Lebensmittel kontrollieren. In Deutschland wird versucht und durchgesetzt, unter anderem über Patentierungen auch auf den Nachbau von gekauftem Saatgut Lizenzgebühren zu erheben. Bei den Mexikanern stieß ich mit dieser Information auf ungläubiges Interesse, als ich dies auf einem Forum und während meiner einwöchigen Reise vortrug. Das ist in Mexiko zumindest beim Mais noch undenkbar. Besonders die Millionen Kleinbauern - im Gegensatz zu Deutschland dort noch nicht ausgestorben - arbeiten mit eigenem Saatgut und tauschen es untereinander. Dagegen steht der Anspruch der Saatgutkonzerne. Jahrelang machte Monsanto ganz offen Werbung mit dem Spruch: "No food shall be grown that we don't own". Beim Genmais kontrollieren sie bereits 80 bis 90 Prozent des Handels weltweit, dazu kommen nur noch vier, fünf weitere Firmen, darunter Bayer. Viele mexikanische Bauern haben Angst, dass die Vielfalt der 59 einheimischen Maisarten und 16.000 unterschiedlichen Sorten verloren geht, wenn das Saatgut in Mexiko unter die Kontrolle weniger Anbieter von wenigen ausgewählten Züchtungen geht - sei es illegal eingeführter Genmais oder seien es Hybridsorten.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Wird das Bündnis Gentechnikfreies Hohenlohe den Kontakt nach Mexiko halten?

JOHANNES RIEGER: Wir haben einen ständigen Informationsaustausch mit einer kleinbäuerlichen Organisation im Hochland des Bundesstaates Oaxaca vereinbart. Dort wurde bereits vor acht Jahren Genmais entdeckt, der den Vermutungen nach aus Saatgut stammte, dass eine staatliche mexikanische Behörde in den USA einkaufte und über ihr Verteilernetz verbreitete. Die Bauern dort versuchen dagegen, die traditionelle milpa, den Maisanbau traditioneller Sorten im Verbund mit anderen Feldfrüchten zu verteidigen und außerdem auf chemische Dünger- und Schädlingsbekämpfungsmittel zu verzichten. Seit Jahren sind sie im Netzwerk zur Verteidigung des Mais aktiv.


Nachtrag:

Nach jahrelangen Auseinandersetzungen hob die mexikanische Regierung das Moratorium für den Anbau von Genmais auf und erlaubte am 6. März offiziell den "Versuchsanbau" von Genmais-Sorten. Besonders überraschend: Die Entscheidung fiel nur eine Woche nach der Sitzung des Cartagena-Protokolls. Anträge auf Anbau von sechs verschiedenen Genmaissorten hat Monsanto bereits eingereicht, darunter Mon 810.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 322 - Mai 2009, S. 15
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juli 2009