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INTERNATIONAL/114: Südkorea - Sturm in der Reisschale (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. April 2014

Südkorea: Sturm in der Reisschale

von Ahn Mi Young


Bild: © Ahn Mi Young/IPS

Koreanische Reisbauern protestieren in Seoul gegen den Import von ausländischem Reis
Bild: © Ahn Mi Young/IPS

Seoul, 28. April (IPS) - Reis, ein Grundnahrungsmittel der Südkoreaner, bereitet der Regierung in Seoul derzeit Kopfzerbrechen. So muss sich das Land bis spätestens Juni entscheiden, ob es seinen Reismarkt für ausländische Produzenten öffnet oder aber wie bisher eine festgesetzte Menge Reis aus Ländern wie den USA, China und Thailand importiert.

So oder so, die Entscheidung ist für Seoul schwierig. Denn den eigenen Reismarkt zu öffnen, könnte die lokalen Varietäten in einen verhängnisvollen Wettbewerb abdrängen. Die Alternative jedoch hätte zur Folge, dass man trotz der geringen einheimischen Nachfrage den heimischen Markt mit Unmengen an Importreis überschwemmen würde.

Das Dilemma fällt in eine Zeit, in der der lokale Reiskonsum zurückgeht. Südkoreaner begnügen sich nicht länger mit einer gut gefüllten Schale Reis, einer Suppe aus fermentierten Bohnen oder dem scharfen Gemüsegericht 'Kimchi'. Die Menschen essen gern auswärts. Und bei Diäten zur Gewichtsminderung lassen Frauen sehr häufig den Reis weg.

Ein durchschnittlicher Südkoreaner, der 1982 ganze 130 Kilo und 1992 immerhin noch 112,9 Kilo Reis pro Jahr gegessen hatte, verzehrte im vergangenen Jahr nur noch 67,2 Kilo.

Für die Regierung wird es zeitlich eng, über die Frage zu entscheiden. 1993, als sie versucht hatte, den Reissektor zu öffnen, zogen tausende aufgebrachter Farmer zu Protesten auf die Straße. "Den Reismarkt zu öffnen, ist so, als würde man die eigene Ernährungssouveränität aufgeben", lautete ein damals häufig geäußerter Vorwurf.


Mindestmarktzugang

Die Regierung sagte den Bauern damals zu, dass sie den Reissektor nicht liberalisieren werde. Stattdessen räumte die Welthandelsorganisation (WTO) Südkorea das Recht auf einen Mindestmarktzugang (MMA) ein. Danach muss Seoul eine spezifische Menge Reis importieren, für die es eine Jahresquote gibt.

Doch 1994 sah sich Südkorea gezwungen, vier Prozent seines jährlichen Reiskonsums zu importieren. 2004 wurde das Abkommen unter der Bedingung, dass die Importquote um jährlich 20.000 Tonnen zulegen muss, weiter verlängert.

In der Folge stieg die Reisimportmenge von 225.000 im Jahr 2005 auf 408.000 Tonnen 2014 an. Die derzeitige Menge entspricht zehn Prozent der gesamten südkoreanischen Reisproduktion, die im letzten Jahr auf 4,23 Millionen Tonnen angewachsen ist.

Die wichtigsten Reisimportländer sind China, USA und Thailand. Aber auch aus Indien, Vietnam und Kambodscha wird Reis bezogen. Dennoch kaufen die wenigsten Südkoreaner ausländischen Reis. Sie schwören auf die einheimischen Sorten. Der Importreis wird in erster Linie an Nahrungsmittel-, Alkohol- und Konfektionsunternehmen verkauft.

Seouls Abkommen mit der WTO über die derzeitige Importquote läuft Ende 2014 ab. Bis Juli muss die südkoreanische Regierung ihren Entschluss gefasst haben. Sie hält es für unwahrscheinlich, dass die WTO einer weiteren Verzögerung, den einheimischen Reismarkt zu öffnen, zustimmen wird.

Ein Beamter im Landwirtschaftsministerium erklärte gegenüber IPS: "Wenn wir uns öffnen, werden wir versuchen, 300- oder 500-prozentige Zölle auf Importreis zu erheben. Dann wird der Preisunterschied zwischen importiertem und einheimischem Reis groß genug sein, um unsere Farmer zu schützen."

Ein solcher Vorschlag aus Seoul muss von der WTO ratifiziert werden. "Entscheidend ist die Frage, wie hoch der Zoll auf ausländischen Importreis sein darf", betonte der Agrarminister Lee Dong-Pil auf einer Pressekonferenz im März.

Derzeit wird der einheimische Reis zu 162 Dollar pro 80 Kilo verkauft. Würde Südkorea die Körner zu 56 bis 65 Dollar pro 80 Kilo einführen und einen 400-prozentigen Zoll aufschlagen, würde sich der Importreis um die 280 Dollar pro 80 Kilo bewegen.

"In einem solchen Fall würden auch weniger Unternehmen auf den Importreis zurückgreifen", erklärte ein Vertreter des Agrarministeriums, der sich Anonymität ausbat. Er ist sich sicher, dass die größeren Reisexporteure wie China oder die USA im Geheimen hoffen, dass Seoul die derzeitige Importquote beibehält.

Die Regierung ist der Meinung, dass es dem Land kaum helfen wird, sich erneut auf eine Quote festzulegen und größere Reismengen kaufen zu müssen. "Südkorea wird von einer weiteren Verschiebung des Termins nicht profitieren", versicherte Minister Lee mit Blick auf die zunehmenden Vorräte von Importreis.


Erneute Bauernproteste

Die Gespräche über die Öffnung des Reismarkts haben bereits Proteste der lokalen Reisbauern ausgelöst. Hunderte Farmer fanden sich am 13. März in Seoul ein, um gegen die Einfuhr von ausländischem Importreis zu demonstrieren. "Während wir die Setzlinge auf unseren Feldern ausbringen, sät sich die Saat der Sorge in unser Herz", war auf einem Transparent zu lesen. Und auf einem anderen hieß es: "Wir werden niemals der Öffnung unseres Reismarktes zustimmen."

In Südkorea gibt es 1,15 Millionen Bauern, von denen 494.352 Reis kultivieren, wie aus Daten des Koreanischen Statistikamts von 2012 hervorgeht.

Im letzten Monat fanden sich etwa 10.000 Farmer vor dem Gebäude ein, in dem südkoreanische und chinesische Handelsvertreter zu Gesprächen über ein bilaterales Freihandelsabkommen zusammengekommen waren, das das Handelsaufkommen beider Länder durch den Abbau von Importzöllen vergrößern soll.

"Wenn es erst einmal ein Freihandelsabkommen zwischen Peking und Seoul gibt, wie will Seoul dann noch einen 300-prozentigen Zoll auf chinesischen Reis durchsetzen?", fragte Lee Byong-Gyu, der die Demonstranten anführte. (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/04/storm-rice-bowl/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2014