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LANDWIRTSCHAFT/1628: Der Wert der Landwirtschaft (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 381 - Oktober 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Der Wert der Landwirtschaft

Gemeinsam Verantwortung für ein ganzes Wirtschaftsjahr übernehmen



Warum sollen Landwirte und Gärtner immer in Vorleistung gehen. Sollen Saatgut und Maschinen finanzieren, das Risiko für Wetter und Gesundheit der Tiere tragen, ohne zu wissen wer am Ende ihre Produkte zu welchem Preis abnimmt. Mancher sichert sich über Futures an den Warenterminbörsen ab. Anteilnahme kann man hier nicht finden. Die Solidarische Landwirtschaft (Solawi) ist ein Modell, das Teilhabe schafft. Es versucht die Verantwortung auf vielen Schultern zu verteilen. Eine große Gruppe von interessierten Menschen übernimmt durch Ernteanteile im Voraus Verantwortung. Verteilt werden kann nur was wächst, was geerntet wird. Ein System auf gegenseitiges Vertrauen gestützt. Ein System mit viel Kommunikationsbedarf, das für Kompromisse offen sein muss. Wenn es funktioniert verändert es. Den Hof, Bauern, Gärtner und die Verbraucher, die sich darauf einlassen, zu verstehen woher ihre Lebensmittel kommen. Dass es nicht selbstverständlich ist, dass Äpfel keine Flecken haben und es auch krumme Möhren gibt. Solidarische Landwirtschaft ist eine Chance zu lernen. Für alle.


Wie mag das gehen, einen Hof als Ganzes zu finanzieren, statt einzelnen landwirtschaftlichen Produkten einen bestimmten Preis zuzuweisen? "In der Solidarischen Landwirtschaft tragen mehrere Privat-Haushalte die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebs, wofür sie im Gegenzug dessen Ernteertrag erhalten", so erklärt das Netzwerk für Solidarische Landwirtschaft das Grundkonzept. Ursprünge finden sich in den 70er und 80er Jahren in Japan und in den USA, wo die Bezeichnung Community Supported Agriculture (CSA) geprägt wurde. Ein ehemaliger Landwirtschaftslehrling vom CSA-Hof Pente hat in seinem Internet-Blog beschrieben, welche Idee dahintersteckt: "(...) Der Gedanke sollte also sein: "Was ist es mir wert, dass der Hof wirtschaften kann?". (...) Die Mitglieder sind die einzigen Abnehmer, sie haben Einblick und Einfluss auf das Hofgeschehen, es kommen hier mehrmals in der Woche Mitglieder, die helfen, der Hof hat sein gesichertes Einkommen, die Menschen sehen, wie wir arbeiten, an was wir arbeiten, wie viel wir arbeiten, sehen, was dabei rumkommt, was dabei für uns rumkommt - das sind alles Sachen, die im normalen landwirtschaftlichen Kontext so nicht gegeben sind. Selbst die Höfe, die versuchen, möglichst regional zu vermarkten, sind irgendwie ein abstraktes Bild in den Köpfen der Kunden (...). Jeden Freitag ist Abholtag, das heißt, dass die Produkte, das Gemüse, die Eier, ab und zu auch Fleisch, die in der Woche "fertig geworden", sprich angefallen, geerntet oder geschlachtet worden sind, direkt auf dem Hof an die Mitglieder gegeben werden. (...) Bastian meinte gestern zu mir, dass es nicht nur so ist, dass die Mitglieder wissen, wo das alles herkommt, sondern dass er auch weiß, wo das alles hingeht. Und das ist das Besondere, glaube ich".

Erfahrungen teilen

In Deutschland wird dieser relativ junge Ansatz neben Solidarischer Landwirtschaft auch Wirtschaftsgemeinschaft oder gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft genannt und umfasst eine große Bandbreite vom Bauernhof bis hin zu städtischen Gartenkooperativen. Um nach dem Vorbild Frankreichs die Idee stärker weiterzuverbreiten, gründeten CSA-Landwirte und agrarpolitisch Aktive von campact und FIAN (FoodFirst Informations- und Aktions-Netzwerk) im Jahr 2011 das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft. Die Hauptaktivität besteht seitdem in der bundesweiten Unterstützung neuer Initiativen, die mittlerweile zu gleichen Teilen von Bauern, Bäuerinnen und GärtnerInnen als auch von Verbrauchern ausgehen. Ausgangspunkt ist dabei immer die Bildung einer Gruppe Interessierter; von da an helfen Mitglieder des Netzwerkes bei ersten Informationsveranstaltungen sowie folgenden Planungstreffen. Gerade bei zunehmender Beratungsintensität und Umstellung ganzer Höfe ist die Erfahrung der Praktiker zu Kalkulationen und Kommunikation gefragt. Große Hemmungen von Seiten der LandwirtInnen bestehen nach Erfahrung der Netzwerkkoordinatorin Stephanie Wild bezüglich der Angabe des eigenen Einkommens, "die meisten, die sich an uns wenden, haben diese Schwelle jedoch innerlich schon überwunden". Was sie im Gegenzug für ihre Offenheit, einen solchen kommunikationsintensiven Schritt zu gehen, erleben, ist eine große direkte Wertschätzung ihres Wissens und ihrer Arbeit. Wolfgang Stränz vom Buschberghof beschreibt aus Sicht eines CSA-Mitglieds: "Die Lebensmittel verlieren ihren Preis und gewinnen ihren Wert zurück."   cw



Netzwerkaktivitäten

Als Herz der Bewegung werden die halbjährlichen Netzwerktreffen bezeichnet und alle, die den Gemeinschaftsgeist erleben und Infos austauschen wollen, sind herzlich eingeladen.

Das Herbsttreffen
"Höfe der Zukunft - die Basis stärken!" findet vom 31.10. bis zum 2.11.2014 in der Burg Ludwigstein bei Witzenhausen statt.
Fragen und Anmeldungen an:
anmeldung@solidarische-landwirtschaft.org

Netzwerk solidarische Landwirtschaft
Ansprechpartnerinnen:
Stephanie Wild und Katharina Kraiß,
info@solidarische-landwirtschaft.org,
Telefonisch: 0151-20618191
Dienstags und Donnerstags von 10 bis 13 Uhr
Webseite: www.solidarische-landwirtschaft.org

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 381 - Oktober 2014, S. 11
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,30 Euro
Abonnementpreis: 39,60 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. November 2014