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MARKT/1922: Neue Tierschutzkennzeichnung für mehr Absatz (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 350 - Dezember 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Neue Tierschutzkennzeichnung für mehr Absatz
Der Tierschutzbund erhofft sich durch das neue Siegel auch das eigene Neulandprogramm zu fördern

von Marcus Nürnberger


Nachdem auf europäischer Ebene seit einigen Jahren über die Einführung eines Tierschutzlabels diskutiert wird und auch die Bundesregierung ein Gutachten zu den Perspektiven eines Europäischen Tierschutzlabels erstellen ließ, wird der Deutsche Tierschutzbund (DTB) Anfang kommenden Jahres mit einem Label in Deutschland auf den Markt kommen. Dabei sieht sich der Tierschutzbund als Lizenzgeber, der zwar aktiv an der Ausarbeitung der Kriterien, der Ausgestaltung des Logos sowie der Kontrollbedingungen und -abläufen mitwirkt, sich aber nicht an der praktischen Umsetzung beteiligt.

Hintergrund ist die immer wiederkehrende Kritik an Haltungsbedingungen vor allem von Mastgeflügel und Mastschweinen. Dabei ist es für den Verbraucher oft unmöglich sich ein objektives Bild zu machen. In letzter Konsequenz jedoch ist es der Verbraucher, der mit seiner Kaufentscheidung die Produktionsbedingungen bestimmt. Bei den Legehennen hat der langjährige Protest, aber vor allem der Verbraucherwillen, zu einer Kennzeichnung der Haltungsform und in der Folge zu einem Verbot der Käfighaltung in Deutschland geführt. Zumindest Teile der Verbraucher, so die Ergebnisse der Marktanalysen, interessieren sich für Produkte, bei denen der Tierschutz eine besondere Rolle spielt. 20 Prozent der Verbraucher sind nach Einschätzung der Wissenschaftler der Universität Göttingen bereit, für Tierschutz mehr Geld auszugeben.

Schon vor mehr als 20 Jahren haben derartige Überlegungen zur Gründung des Neuland-Fleisch-Programms geführt. Für das von der AbL, dem BUND und ebenfalls dem Deutschen Tierschutzbund getragene Programm produzieren über 200 landwirtschaftliche Betriebe nach den strengen, einer artgerechten Tierhaltung verpflichteten Neulandkriterien.


Gemeinsam entwickelt

Das jetzt vom Deutschen Tierschutzbund neu propagierte Tierschutz-Label entstand in Zusammenarbeit einer Gruppe von Wissenschaftlern der Universitäten Göttingen und Kassel gemeinsam mit dem Deutschen Tierschutzbund, dem Friedrich-Loeffler-Institut, dem Verein Neuland sowie Unternehmen der Schlacht- und Lebensmittelbranche. Das freiwillige Label definiert Standards für Aufzucht, Mast, Transport und Schlachtung von Masthühnern und Mastschweinen.

Dabei sind zwei Standards vorgesehen, ein Silber- und ein Gold-Standard. Zu den Eckpunkten gehören in der ersten Labelstufe neben der Umstellung auf Ställe mit Strukturierung, mehr Platz und Beschäftigungsmöglichkeiten, ein Verbot des Schwänzekupierens und des betäubungslosen Kastrierens bei Schweinen. Bei Masthühnern sollen nur Rassen zugelassen werden, deren Tageszunahmen so bemessen sind, dass sie nicht zu Knochendeformationen und anderen zuchtbedingten Tierschutzproblemen führen. In der zweiten Labelstufe werden vor allem Auslauf und Freilandhaltung gefordert. Im Bezug auf die Fütterung besteht ein Verbot des Einsatzes von Gentechnik.

Derzeit werden die Kriterien verfeinert, Kontrollbedingungen und Abläufe durch die ganze Vermarktungskette hindurch entwickelt. Die ersten Produkte könnten Anfang kommenden Jahres in den Läden angeboten werden.


Ein bisschen Tierschutz und mehr

Zwei unterschiedliche Standards müsse es geben, so der Tierschutzbund, damit auch "Teilentwicklungen oder kleine Entwicklungsschritte hin zu mehr Tierschutz" unterstützt werden. Das Interesse der beteiligten Unternehmen, allen voran Vion, einen breiten, niederschwelligen Marktzugang zu haben, dürfte aber auch eine Rolle gespielt haben. Auf dem Fleischmarkt besteht eine erhebliche Konkurrenz. Hinter dem Branchenführer Tönnies konkurrieren vor allem Westfleisch und Vion um Absatzmärkte. Westfleisch hat durch ein extrem niederschwelliges Tierwohl-Label einen ersten Vorstoß gemacht, um neue Marktsegmente zu erschließen. In den Niederlanden hat Vion Erfahrungen mit dem Label "Better Leven", einem dreistufigen Tierschutzlabel, gesammelt. Preislich wird für den Silberstandard mit einem Mehrpreis von ca. 10 bis 15 Cent gerechnet. Im Vergleich: Der Mehrpreis bei Tierwohl von Westfleisch liegt in der Größenordnung von 3,5 Cent. Der Goldstandard orientiert sich am Preisniveau von Neulandprodukten, etwa auf dem Niveau von Biofleisch.

Für die am Programm teilnehmenden Landwirte wird es darum gehen, selbst einen finanziellen Gewinn zu erwirtschaften. In der Vergangenheit ist immer wieder zu beobachten, dass die Mehrerlöse gerade ausreichen, die aus höheren Standards resultierenden Kosten zu decken. Der vom Verbraucher bezahlte Mehrpreis muss auch für die Landwirte eine Einkommensverbesserung sicherstellen.


Kritische Stimmen

In ersten Reaktionen auf das neue Label wird bemängelt, dass die Gefahr besteht, den beteiligten Unternehmen, bisher Vion, könnte der Silberstandard genügen. Für den Verbraucher sei der Unterschied der zwei Standards, mit dem zu erwartenden deutlichen Preisunterschied nicht ersichtlich. Damit der Premiumstandard als Ziel nicht verloren geht, sollen die Handelsunternehmen vom Tierschutzbund verpflichtet werden, immer beide Standards nebeneinander anzubieten. Zusätzlich plant der Tierschutzbund weitgehende Vorgaben in Bezug auf die Auslobung und Präsentation der Produkte. Diese sollen dann von den teilnehmenden Unternehmen auf eigene Kosten nach den Vorgaben des Tierschutzbundes umgesetzt werden.


Angebot besteht bereits

Schon jetzt erfüllen neben Neuland alle Bioverbände die Premiumkriterien des geplanten Tierschutzlabels. Für den Verbraucher wird in Zukunft also vor allem noch eine günstigere Variante auf niedrigem Niveau hinzukommen.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 350 - Dezember 2011, S. 18
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. März 2012