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MARKT/2205: Milchkrise - Talfahrt gestoppt, der Preis erholt sich (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 403 - Oktober 2016
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Talfahrt gestoppt, der Preis erholt sich
Erst wenn angemessene Preise gezahlt werden, kann man vom Ende der Milchkrise sprechen

von Marcus Nürnberger


Es wird schon wieder von Entwarnung, einer Besserung der Lage, einer Erholung der Milchpreise gesprochen. "Zu früh", werden die meisten Milchbäuerinnen und -bauern denken. Noch ist nicht absehbar, ob die vorsichtigen Preisanstiege sich auch auf lange Sicht verfestigen werden. Vor allem reichen sie aber noch lange nicht, damit bei den Milchbauern wieder schwarze Zahlen geschrieben werden können. Die Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft AMT errechnet einen bundesdeutschen Durchschnittsmilchpreis von 23,2 Ct/kg (4 % Fett, 3,45 % Eiweiß) und damit einen Anstieg gegenüber dem Vormonat von 0,4 Ct/kg.

Also noch lange keine Entspannung auf den Betrieben. Besonders angespannt ist die Lage nach wie vor in Norddeutschland bei den Lieferanten des Deutschen Milchkontors (DMK). Die Molkerei wurde aufgrund ihrer Größe und Struktur immer wieder als Leuchtturmprojekt bezeichnet. Hier lagen die Auszahlungspreise in den vergangenen Monaten bei 20 Ct/kg. Immer wieder von engagierten, kämpferischen Milchbäuerinnen und Milchbauern durchgeführte Aktionen, Demonstrationen und Werksblockaden hatten das DMK zuletzt dazu bewegt, eine Anhebung der Auszahlungspreise um 2,2 Ct/kg für den Monat September zu verkünden, Tendenz steigend. Inwieweit diese Preissteigerung eine Reaktion auf die, von Lieferanten immer wieder erwähnten, stark rückläufigen Liefermengen aufgrund von Kündigungen und Betriebsaufgaben ist, bleibt offen. Unter den Lieferanten kursieren Informationen, dass die Milchmenge des DMK aktuell nicht ausreiche, die eigenen Kapazitäten - insbesondere die des neu gebauten Pulverturms - auszulasten sowie seine Lieferkontrakte zu erfüllen. Sollten sich diese Gerüchte bewahrheiten, wäre das in der aktuellen Situation denkbar ungünstig. Denn während der Milchpreis auf dem Spotmarkt lange Zeit unter 20 Cent lag, zieht er derzeit wieder deutlich an. In den Niederlanden liegt er aktuell bei 37,5 Cent.


Internationale Situation

Von einer mehr als 14-monatigen weltweiten Krise auf dem Milchmarkt spricht der Geschäftsführer des IFCN Researcher Networks Dr. Torsten Hemme. Auf ihrer jährlichen Milchkonferenz hatten ca. 70 Milchmarktexperten aus über 40 Ländern die Entwicklungen am Milchmarkt diskutiert. Nach der Einschätzung der Wissenschaftler wird das Angebot weiter steigen, allerdings nicht mehr so stark wie in den Vorjahren (2016 um 1,5 %, 2015 um 1,8 % und 2014 um 3,2 %). Gleichzeitig wird, so die Tagungsteilnehmer, die Nachfrage nach Milch 2016 um 2 % zunehmen und damit leicht über dem Wachstum des Vorjahres mit 1,8 bis 2 % liegen. Prinzipiell sprechen diese Zahlen - 1,5 % Produktionssteigerung und eine um 2 % erhöhte Nachfrage - für einen ausgeglichenen, nachfragebetonten Markt. Dies sollte prinzipiell für eine Erholung der Milchpreise sprechen. Allerdings lagern derzeit noch große Mengen Interventionsware in Form von Butter und Magermilchpulver in den Kühlhäusern und Lagerhallen. Mit entscheidend für eine Preiserholung im Milchsektor ist also, wie schnell und zu welchem Preis diese Mengen an den Markt gebracht werden.


Proteste für bessere Preise

Auch wenn die Wissenschaftler und Analysten Preissteigerungen ausmachen, sind diese noch lange nicht bei den Bauern angekommen. Vor verschiedenen Molkereien in Europa demonstrierten deshalb Milchbäuerinnen und Milchbauern für einen besseren Auszahlungspreis. In England haben Anfang August ca. 80 Milchbauern von Farmers For Action (FFA) die Molkerei Müller in Shropshire blockiert, nachdem Müller angekündigt hatte, den Basispreis für September bei rund 18 Pence/Liter (ca. 21 Cent) zu belassen. Auch in Frankreich demonstrierten die Milchbauern bei einem der größten Molkereiunternehmen, Lactalis, gleich an 15 verschiedenen Standorten. In drei Gesprächsrunden hatten sich die Vertreter des Bauernverhands mit den Unternehmenssprechern darauf geeinigt, den Milchpreis, der aktuell bei 28 Cent liegt, bis zum Jahresende durch eine monatliche Anhebung um 0,5 Cent auf 30 Cent anzuheben. In Frankreich ist Lactalis mit seinem Milchpreis das Unternehmen mit dem geringsten Auszahlungspreis. Für deutsche Bauern könnte dies vor dem Hintergrund von Auszahlungspreisen, die sich beim Deutschen Milchkontor derzeit bei ca. 20 Cent bewegen und auch bei anderen Molkereien in der Regel unter 25 Cent bleiben, ein Hoffnungsschimmer sein. Gemeinsam mit Molkereien und dem Handel entstanden in Frankreich verschiedene Initiativen zur Stützung des Milchpreises, wie beispielsweise ein freiwilliger Fonds, in den der Lebensmittelhandel einzahlt, um Milchbauern zu unterstützen.


Regional und national

Eine andere Initiative zur Stützung des französischen Milchpreises ist jetzt vom europäischen Milchindustrieverband (EDA) kritisiert worden. Ab 2017 plant Frankreich eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Milch und Fleisch in verarbeiteten Produkten. Diese wurde von der EU-Kommission im Juli 2016 zunächst für zwei Jahre bewilligt. Der EDA befürchtet Einschränkungen in der Wahlfreiheit. Während der Europäische Gerichtshof (EuGH) 1979 die Gleichwertigkeit europäischer Lebensmittel festgestellt habe, erkenne die Kommission nun durch Abnicken des französischen Entwurfs de facto einen Qualitätsunterschied von Milch und Fleisch aus Frankreich gegenüber den entsprechenden Produkten aus anderen EU-Mitgliedstaaten an, monierte der EDA. Eine Herkunftsbezeichnung "Milch aus Frankreich" könnte für französische Kunden ein zusätzliches Kaufargument sein.

Auch wenn es mit dem Milchpreis inzwischen nicht mehr bergab geht, ist die Situation auf den Betrieben nach wie vor dramatisch. Leichte Preisanstiege reichen nicht aus, um die Kosten zu decken, und schon gar nicht, um aufgelaufene Schulden abzutragen. Es wäre die Aufgabe der Politiker, die vorhandenen Steuerungsinstrumente zu nutzen, um eine langfristige und flächendeckende Sicherung bäuerlicher Milchproduktion zu gewährleisten. Die Marktbeteiligten, Molkereien und Handel - das zeigen die vergangenen Monate - sind nicht bereit, angemessene Preise zu zahlen und nur unter massivem Druck dazu zu bewegen, den Auszahlungspreis anzuheben.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 403 - Oktober 2016, S. 14
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
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Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,45 Euro
Abonnementpreis: 41,40 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 30,- Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2017

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