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MARKT/2261: Über Nacht wurde keine Milch mehr abgeholt (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 422 - Juni 2018
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Über Nacht wurde keine Milch mehr abgeholt
Eine Perspektive rheinland-pfälzischer und saarländischer Bäuerinnen und Bauern auf die BMG-Insolvenz

von Sinay Gandenberger


In diesem Frühjahr überschlugen sich die Ereignisse: Vor ungefähr einem Monat meldete die Berliner Milcheinfuhr-Gesellschaft (B.M.G.) Konkurs an. Die bundesweit ca. 1.000 Milchbauern und -bäuerinnen, die an die B.M.G. lieferten, hatten von heute auf morgen keinen Abnehmer mehr. Am 9. März hatte die rheinland-pfälzische Milcherzeugergemeinschaft (MEG RLP/Saar) kurzfristig zu einer Mitgliederversammlung einberufen, um Ansätze zu finden, auf die niedrigen Milchpreise zu reagieren. Am selben Abend wurde die Anmeldung der B.M.G.- Insolvenz aus Berlin bekannt gegeben. Bei der Abschlagszahlung der B.M.G. im Februar lag das Milchgeld bereits bei 23,5 Cent/kg statt der sonst durchschnittlichen 33,5 bis 34 Cent/kg. Der Begriff der Insolvenz stand zwar Ende Februar gerüchtehalber im Raum, aber Einschätzungen, dass die BMG zu retten sei und es sich um eine "leichte Insolvenz" handele, schürten Hoffnungen.

Schlag auf Schlag
Randy Aller, Vorstandsmitglied der MEG RLP/Saar: "Die Spedition rief mich am 14. März abends an, dass die Deckungszusage durch die BMG entzogen wurde und sie die Milch nicht mehr abholen können. Ich meinte, sie sollen trotzdem kommen, auch wenn ich nicht wusste, wie wir das bezahlen sollten." Trotz der nervenaufreibenden Zeit für die Beteiligten ist das schier Unmögliche geglückt. Kein Tropfen der Milch der MEG RLP/Saar musste weggeschüttet werden. In Kooperation mit der Bayern MeG wurde mit der ALMIL AG ein neuer Abnehmer gefunden. "Da kamen die richtigen Leute zur richtigen Zeit zusammen und haben mit großem Einsatz das Ruder herumgerissen. Ohne die gute Zusammenarbeit mit der Bayern MeG, dem rheinland-pfälzischen MEG-Vorstand, dem neuen Abnehmer, der ALMIL AG, sowie den Spediteuren hätten wir das nicht geschafft!", so der Milchbauer Aller. Die Geschehnisse des letzten Monats zeigen, welche Schlagkraft das Engagement und die Selbstorganisation von Bauern und Bäuerinnen hatten. So konnte der Ausfall der B.M.G. als Abnehmer der Milch kurzfristig abgepuffert werden.

Das langfristige finanzielle Ausmaß der Insolvenz hingegen ist noch nicht klar abzusehen. Es könnte bäuerliche Existenzen kosten. Der Schaden für die MEG RLP/Saar liegt aktuell bereits bei fünf Millionen Euro. "Die Milchbauern und -bäuerinnen konnten sich gegen die Insolvenz nicht wappnen. Sie haben alles getan, was sie tun konnten. Sie dürfen auf dem finanziellen Schaden, der nun jeden einzelnen Betrieb trifft, nicht sitzen bleiben", so Aller. Hans-Joachim Janssen, Milchbauer aus Vielbach im Westerwald ist einer der Betroffenen. Bei ihm stehen noch 31.000 Euro von der B.M.G aus. Der neue Abnehmer, die ALMIL AG, wird ab Anfang Juni den Durchschnittsmilchpreis für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland ausbezahlen. Bis dahin muss die Zeit mit einem Milchgeld von ca. 20 Cent/kg überbrückt werden. "Wir sind sehr froh, dass wir unsere Milch nicht in die Gülle melken mussten", sagt Milchbauer Janssen. "Uns haben die Rücklagen gerettet, mit denen wir eigentlich neu investieren wollten. Vielen anderen Betrieben geht es deutlich schlechter. Nicht wenige wollen aufhören zu melken oder haben keinen Nachfolger", so Janssen.

Und die Politik ...
Die politische Reaktion auf die BMG-Pleite war bisher schwerfällig und wenig entschlossen. Auch wenn die neue Bundeslandwirtschaftsministerin betonte, dass ihr Gespräch mit dem Raiffeisenverband Betriebe habe retten können, will sie die strukturellen Missstände innerhalb der Milchlieferkette nicht angehen. Die Übersättigung des Milchmarktes sei ein explosives Gemisch, so die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz. Nur eine bedarfsgerechte Milcherzeugung und ein Mengenmanagement könnten solche Zusammenbrüche in Zukunft verhindern. Deshalb fordert die AbL Rheinland-Pfalz die Einführung eines europaweiten Kriseninstruments zur Mengenregulierung. Das rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerium schreibt auf seiner Internetseite, dass die Milchwirtschaft einen zentralen Bestandteil der ländlichen Räume in Rheinland-Pfalz darstellt. Auf Anfragen der AbL Rheinland-Pfalz nach konkreten Plänen oder Maßnahmen sieht das Ministerium hauptsächlich die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit durch einzelbetriebliches Wachstum, Diversifizierung oder die Verbesserung des einzelbetrieblichen Risikomanagements als Lösung. Im Fokus stehe eine marktorientierte Landwirtschaft und so könne nur eine wettbewerbsfähige Milchwirtschaft auf volatilen Märkten bestehen.

Klare Forderung: Mengenregulierung
"Um weitere Pleiten von Molkereien zu verhindern und die Bäuerinnen und Bauern zu schützen, brauchen wir konkrete Instrumente, die Angebot und Nachfrage in Einklang bringen, um den Markt zu regulieren. Ein 'Weiter so' zu Lasten der bäuerlichen Betriebe ist keine Option", so Randy Aller, der auch bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Rheinland-Pfalz/Saar im Vorstand aktiv ist.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 422 - Juni 2018, S. 7
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. August 2018

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