Unabhängige Bauernstimme, Nr. 422 - Juni 2018
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern
Über Nacht wurde keine Milch mehr abgeholt
Eine Perspektive rheinland-pfälzischer und saarländischer Bäuerinnen
und Bauern auf die BMG-Insolvenz
von Sinay Gandenberger
In diesem Frühjahr überschlugen sich die Ereignisse: Vor ungefähr einem Monat meldete die Berliner Milcheinfuhr-Gesellschaft (B.M.G.) Konkurs an. Die bundesweit ca. 1.000 Milchbauern und -bäuerinnen, die an die B.M.G. lieferten, hatten von heute auf morgen keinen Abnehmer mehr. Am 9. März hatte die rheinland-pfälzische Milcherzeugergemeinschaft (MEG RLP/Saar) kurzfristig zu einer Mitgliederversammlung einberufen, um Ansätze zu finden, auf die niedrigen Milchpreise zu reagieren. Am selben Abend wurde die Anmeldung der B.M.G.- Insolvenz aus Berlin bekannt gegeben. Bei der Abschlagszahlung der B.M.G. im Februar lag das Milchgeld bereits bei 23,5 Cent/kg statt der sonst durchschnittlichen 33,5 bis 34 Cent/kg. Der Begriff der Insolvenz stand zwar Ende Februar gerüchtehalber im Raum, aber Einschätzungen, dass die BMG zu retten sei und es sich um eine "leichte Insolvenz" handele, schürten Hoffnungen.
Schlag auf Schlag
Randy Aller, Vorstandsmitglied der MEG RLP/Saar: "Die Spedition rief
mich am 14. März abends an, dass die Deckungszusage durch die BMG
entzogen wurde und sie die Milch nicht mehr abholen können. Ich
meinte, sie sollen trotzdem kommen, auch wenn ich nicht wusste, wie
wir das bezahlen sollten." Trotz der nervenaufreibenden Zeit für die
Beteiligten ist das schier Unmögliche geglückt. Kein Tropfen der Milch
der MEG RLP/Saar musste weggeschüttet werden. In Kooperation mit der
Bayern MeG wurde mit der ALMIL AG ein neuer Abnehmer gefunden. "Da
kamen die richtigen Leute zur richtigen Zeit zusammen und haben mit
großem Einsatz das Ruder herumgerissen. Ohne die gute Zusammenarbeit
mit der Bayern MeG, dem rheinland-pfälzischen MEG-Vorstand, dem neuen
Abnehmer, der ALMIL AG, sowie den Spediteuren hätten wir das nicht
geschafft!", so der Milchbauer Aller. Die Geschehnisse des letzten
Monats zeigen, welche Schlagkraft das Engagement und die
Selbstorganisation von Bauern und Bäuerinnen hatten. So konnte der
Ausfall der B.M.G. als Abnehmer der Milch kurzfristig abgepuffert
werden.
Das langfristige finanzielle Ausmaß der Insolvenz hingegen ist noch nicht klar abzusehen. Es könnte bäuerliche Existenzen kosten. Der Schaden für die MEG RLP/Saar liegt aktuell bereits bei fünf Millionen Euro. "Die Milchbauern und -bäuerinnen konnten sich gegen die Insolvenz nicht wappnen. Sie haben alles getan, was sie tun konnten. Sie dürfen auf dem finanziellen Schaden, der nun jeden einzelnen Betrieb trifft, nicht sitzen bleiben", so Aller. Hans-Joachim Janssen, Milchbauer aus Vielbach im Westerwald ist einer der Betroffenen. Bei ihm stehen noch 31.000 Euro von der B.M.G aus. Der neue Abnehmer, die ALMIL AG, wird ab Anfang Juni den Durchschnittsmilchpreis für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland ausbezahlen. Bis dahin muss die Zeit mit einem Milchgeld von ca. 20 Cent/kg überbrückt werden. "Wir sind sehr froh, dass wir unsere Milch nicht in die Gülle melken mussten", sagt Milchbauer Janssen. "Uns haben die Rücklagen gerettet, mit denen wir eigentlich neu investieren wollten. Vielen anderen Betrieben geht es deutlich schlechter. Nicht wenige wollen aufhören zu melken oder haben keinen Nachfolger", so Janssen.
Und die Politik ...
Die politische Reaktion auf die BMG-Pleite war bisher schwerfällig und
wenig entschlossen. Auch wenn die neue Bundeslandwirtschaftsministerin
betonte, dass ihr Gespräch mit dem Raiffeisenverband Betriebe habe
retten können, will sie die strukturellen Missstände innerhalb der
Milchlieferkette nicht angehen. Die Übersättigung des Milchmarktes sei
ein explosives Gemisch, so die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz. Nur eine bedarfsgerechte
Milcherzeugung und ein Mengenmanagement könnten solche Zusammenbrüche
in Zukunft verhindern. Deshalb fordert die AbL Rheinland-Pfalz die
Einführung eines europaweiten Kriseninstruments zur Mengenregulierung.
Das rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerium schreibt auf
seiner Internetseite, dass die Milchwirtschaft einen zentralen
Bestandteil der ländlichen Räume in Rheinland-Pfalz darstellt. Auf
Anfragen der AbL Rheinland-Pfalz nach konkreten Plänen oder Maßnahmen
sieht das Ministerium hauptsächlich die Verbesserung der
Wettbewerbsfähigkeit durch einzelbetriebliches Wachstum,
Diversifizierung oder die Verbesserung des einzelbetrieblichen
Risikomanagements als Lösung. Im Fokus stehe eine marktorientierte
Landwirtschaft und so könne nur eine wettbewerbsfähige Milchwirtschaft
auf volatilen Märkten bestehen.
Klare Forderung: Mengenregulierung
"Um weitere Pleiten von Molkereien zu verhindern und die Bäuerinnen
und Bauern zu schützen, brauchen wir konkrete Instrumente, die Angebot
und Nachfrage in Einklang bringen, um den Markt zu regulieren. Ein
'Weiter so' zu Lasten der bäuerlichen Betriebe ist keine Option", so
Randy Aller, der auch bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
Landwirtschaft Rheinland-Pfalz/Saar im Vorstand aktiv ist.
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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 422 - Juni 2018, S. 7
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. August 2018
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