Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → ERNÄHRUNG

VERBAND/1787: Pflanzenzüchter und Landwirte mit gemeinsamer Eiweißstrategie (DBV)


Deutscher Bauernverband - Pressemitteilung vom 21. Januar 2012

Pflanzenzüchter und Landwirte mit gemeinsamer Eiweißstrategie

BDP, DBV und UFOP für wettbewerbsfähige heimische Eiweißpflanzen


Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP), der Deutsche Bauernverband (DBV) und die Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (UFOP) haben eine gemeinsame Strategie zur Steigerung des heimischen Eiweißpflanzenanbaus vorgelegt.

Zum gemeinsamen strategischen Ansatz gehört eine langfristig angelegte Stärkung der Forschung an Proteinpflanzen über einen Zeitraum von 15 Jahren hinweg, teilt der DBV mit. Parallel dazu sollen Wertschöpfungsketten von der Pflanzenzüchtung bis hin zu Anbau und Verarbeitung neu aufgebaut werden. Dabei seien zusätzlich die Rahmenbedingungen für langfristig angelegte neue Zuchtprogramme zu verbessern, insbesondere in der Refinanzierung. Aus agrarpolitischer Sicht soll der Eiweißpflanzenanbau im Rahmen des "Greening" in der GAP-Reform 2014 bis 2020 berücksichtigt werden, so fordern die Verbände.

Die Umsetzung der vorgelegten Strategie bietet nach Auffassung von BDP, DBV und UFOP die Chance, eine Trendwende beim heimischen Eiweißpflanzenanbau zu erreichen. 2011 wurden noch auf knapp 100.000 Hektar Eiweißpflanzen angebaut, vor allem Erbsen, Süßlupinen und Ackerbohnen, das ist weniger als 1 Prozent der Ackerfläche Deutschlands. Die Anbaufläche ist seit 1998 um zwei Drittel zurückgegangen.

BDP, DBV und UFOP fordern die Bundesministerien für Landwirtschaft und für Forschung sowie die weiteren forschungspolitischen Akteure auf, die vorgelegte Strategie positiv aufzugreifen.


Die Erklärung im kompletten Wortlaut:

Berlin, 21. Januar 2012

Gemeinsames Positionspapier
des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter (BDP),
des Deutschen Bauernverbandes (DBV) und
der Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (Ufop)

Eiweißstrategie

Für wettbewerbsfähige heimische Eiweißpflanzen

1. Ausgangssituation

In Deutschland wurden in 2011 Eiweißpflanzen auf weniger als 100.000 Hektar angebaut, was ca. 0,8 Prozent der Ackerfläche entspricht. Gut die Hälfte entfällt auf Erbsen (56.000 ha), danach folgen Süßlupinen (22.000 Hektar) und Ackerbohnen (17.000 Hektar). Damit ist die Anbaufläche seit 1998 um zwei Drittel zurückgegangen.

Vor dem Hintergrund des stark rückläufigen Anbauumfangs ist die züchterische Bearbeitung der Eiweißpflanzen auf hierzulande nur noch je ein einziges Züchtungsprogramm für Erbse, Ackerbohne und Süßlupine reduziert. Diese noch bestehenden Züchtungsprogramme drohen ebenfalls aufgegeben zu werden. Auch der ökologische Landbau, der auf die biologische Stickstofffixierung dringend angewiesen ist, kann die Aufrechterhaltung der Eiweißpflanzenzüchtung nicht nachhaltig tragen.

Die genannten Eiweißpflanzen haben im Vergleich zu anderen Marktfrüchten wie Getreide und Raps derzeit eine deutlich geringere Wettbewerbsfähigkeit je Hektar, selbst unter Berücksichtigung des Vorfruchtwertes. Dieser wirtschaftliche Nachteil konnte auch durch Förderung der EU-Agrarpolitik wie der Eiweißpflanzenprämie (55,57 Euro je Hektar bis 2008) oder durch die Förderung vielfältiger Fruchtfolgen über die die 2. Säule nicht wettgemacht werden, zumal dieses Programm nur in wenigen Bundesländern angeboten wird.

Deutschland deckt seit Jahrzehnten einen erheblichen Anteil seines Bedarfes an proteinhaltigen Futtermitteln aus Importen, vor allem Sojaschrot. Dieses Eiweißdefizit ist durch das komplette Verfütterungsverbot tierischer Eiweiße auch an Nichtwiederkäuer wie Schweine und Geflügel noch verschärft worden, obwohl dessen Aufrechterhaltung im Sinne des gesundheitlichen Verbraucherschutzes inzwischen fachlich fragwürdig geworden ist.

Das Erfolgsbeispiel Raps zeigt jedoch, wie Rapsschrot als heimisches Protein-Futtermittel und als Koppelprodukt der Ölherstellung in erheblichen Mengen Eingang in die Nutztierfütterung gefunden hat. Auch bei der Bioethanolproduktion entstehen wertvolle Eiweißfuttermittel. Heute werden in Deutschland etwa 3,0 Mio. Tonnen Rapsschrot und 5,0 Mio. Tonnen andere Ölschrote, vor allem Sojaschrote, verfüttert.

2. Nachhaltige Landwirtschaft: Vorteile des heimischen Eiweißpflanzenanbaus

Im Sinne einer nachhaltigen Landwirtschaft werden durch den Anbau von Eiweißpflanzen die folgenden positiven Effekte gefördert:

- Erweiterung des verfügbaren Kulturpflanzenspektrums;
- Auflockerung von etablierten Fruchtfolgen;
- Unterbrechung von Infektionsketten bei Krankheitserregern;
- verbesserte Wirksamkeit der Unkrautregulierung durch den Wechsel von Sommerungen und Winterungen sowie von Blatt- und Halmfrüchten;
- Vermeidung von Resistenzen gegenüber Pflanzenschutzmittelwirkstoffen bei der Bekämpfung von Krankheiten und Ungräsern durch Erweiterung der Fruchtfolge;
- Erhaltung und Steigerung der Leistungsfähigkeit von Ackerbausystemen durch Boden und Gewässer schützende Mulch- bzw. Direktsaatverfahren;
- Einsparung von mineralischem Stickstoffdünger im Ackerbau durch die biologische Stickstofffixierung aus der Luft, wobei der fixierte Stickstoff auch der Nachfrucht zur Verfügung steht;
- Reduktion des Verbrauchs an fossilen Energieträgern;
- Einsparung von Treibhausgasen.


3. Strategischer Ansatz

Die gesamte Wertschöpfungskette - beginnend bei der Pflanzenforschung und -züchtung sowie dem Pflanzenbau über den Handel bis hin zu den Unternehmen der Lebensmittel- und Futtermittelindustrie - ist gefordert, an einer gemeinsamen Lösung zu arbeiten. Eine nationale Eiweißstrategie ist nur dann tragfähig, wenn sie wirtschaftlich ist und Planungssicherheit für alle beteiligten Wirtschaftsbereiche bietet.

Vor diesem Hintergrund werden folgende Maßnahmen zur Steigerung des Eiweißpflanzenanbaus als dringend erforderlich angesehen:

- Anreize für Eiweißpflanzenanbau im Zuge der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik 2014 bis 2020;
- Langfristig angelegte Stärkung der Agrarforschung als Basis für die Pflanzenzüchtung;
- Erarbeitung eines Gesamtkonzeptes der Wertschöpfungskette von der Forschung über die Züchtung bis hin zu Anbau und Verarbeitung;
- Verbesserung der Rahmenbedingungen für Innovation in der Pflanzenzüchtung. Zum Aufbau und zu einer späteren wirtschaftsgetragenen Unterstützung dieser Maßnahmen schlagen BDP, DBV und Ufop die Gründung einer Innovationspartnerschaft vor (siehe Kapitel 4.4)


4. Die Elemente der Eiweißstrategie

4.1. Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik 2014 - 2020 und darüber hinaus

Die aktuelle Diskussion zur Anpassung der EU-Agrarreform sollte genutzt werden, um den heimischen Anbau von Proteinpflanzen positiv zu begleiten. Dazu werden folgende Elemente vorgeschlagen:

- Berücksichtigung des Eiweißpflanzenanbaus beim "Greening" in der GAP-Reform;
- Fortführung und Ausbau der Agrarumweltprogramme für vielfältige Fruchtfolgen unter Einschluss von Proteinpflanzen in der 2. Säule der GAP;
- Nutzung der neuen Fördermaßnahme "Innovationspartnerschaft" für die Eiweißstrategie, um eine langfristig, stufenübergreifend angelegte Wertschöpfungspartnerschaft zu initiieren; laut Vorschlag der EU-Kommission sollen 80 % EU-Kofinanzierung für Wissenstransfer und stufenübergreifende Kooperationen gewährt werden; hierzu bietet insbesondere die UFOP an, ihre über 20-jährigen Erfahrungen bei der Koordinierung solcher Prozesse einzubringen;
- Inanspruchnahme von Mitteln der Europäischen Forschungsförderung.


4.2. Stärkung der Agrarforschung als Basis für Pflanzenzüchtung und Anbau

Die Pflanzenzüchtung als zentrales Element der nationalen Eiweißstrategie sollte noch intensiver mit einer auszubauenden Agrarforschung verknüpft werden. Eine verstärkte Förderung der anwendungsorientierten und angewandten Forschung an Proteinpflanzen entlang der Wertschöpfungskette ist eine unbedingte Voraussetzung, um die Wettbewerbsfähigkeit dieser Kulturarten zu erreichen.

Gefordert wird die Etablierung einer langfristig angelegten Forschungsförderung (15 Jahre) mit substanziellen Forschungsbudgets von Bund und Ländern unter Einschluss der EU.


4.3. Gesamtkonzept der Wertschöpfungskette von der Forschung über die Züchtung bis hin zu Anbau und Verarbeitung

Gefordert wird eine Begleitung der Forschungsförderung durch ein durchgängiges, langfristiges Gesamtkonzept, das auf die Forschung aufsetzt und Züchtung sowie Anbau und Verarbeitung einschließt. Die Anforderungen an den Pflanzenbau - speziell an die Pflanzenzüchtung - sind von zentraler Bedeutung. Denn nur ertragsstarke Sorten gewährleisten auf Dauer einen wirtschaftlichen Eiweißpflanzenanbau.

Wettbewerbsfähige Sorten müssen
- ein (deutlich) erhöhtes Ertragspotential bieten,
- auch bei wechselnden Umweltbedingungen sichere Erträge liefern,
- durch Resistenzen ihre Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten und Schädlinge mit verbessern, um mit minimalem Pflanzenschutz auszukommen und
- verbesserte Qualitätsmerkmale und Inhaltsstoffe aufweisen.

Weitere Arten, die derzeit in Deutschland noch nicht heimisch sind, wie die Sojabohne, müssen züchterisch für den Anbau unter hiesigen klimatischen Bedingungen angepasst werden. Hierzu muss besonders im Bereich der Grundlagenforschung ein Schwerpunkt gesetzt werden.

Die verstärkte und höherwertige Nutzung anderer heimischer Kulturarten als Eiweißquelle wie Raps, Getreide, Kartoffeln, Feinleguminosen und Gräser sollte in eine nationale Eiweißstrategie einbezogen werden und ihre Verwertung für die Tier- und Humanernährung optimiert werden. Eine weitere Steigerung der Absatzmenge sowie die Ausweitung der Einsatzmöglichkeiten bei verschiedenen Tierarten und in Form von Proteinkonzentraten und -isolaten in der Humanernährung sind anzustreben. Dies sind wichtige Voraussetzungen für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit von Proteinpflanzen.

Auf der landwirtschaftlichen Stufe ist der Transfer der erzielten Forschungsergebnisse und Innovation über die landwirtschaftliche Beratung ein wichtiger Faktor. Dabei ist eine Verbesserung der Produktionstechnik im Eiweißpflanzenanbau notwendig, um wettbewerbsfähiger gegenüber anderen Ackerkulturen zu werden, einschließlich einer verbesserten Zulassungspraxis von Pflanzenschutzmitteln.

Auf der Stufe der Verarbeitung und Vermarktung ist die Verwendung von Eiweißkomponenten für die Erzeugung von Lebensmitteln und in der Nutztierfütterung durch den (Wieder-) Aufbau von Handelsstrukturen und Wertschöpfungsketten voranzubringen.


4.4. Rahmenbedingungen für Innovation verbessern

Eine nationale Eiweißstrategie ist nur dann tragfähig, wenn sie wirtschaftlich ist und Planungssicherheit für alle beteiligten Wirtschaftsbereiche bietet. Die privaten deutschen Pflanzenzüchter sind in der Lage und bereit, in neue Zuchtprogramme für Eiweißpflanzen zu investieren. Folgende ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen sind allerdings für ein positives Investitionsklima notwendig:

- Schaffung steuerlicher und finanzieller Anreize zur Einrichtung entsprechender neuer Zuchtprogramme;
- Refinanzierung der Forschungsaufwendungen der Pflanzenzüchter im Rahmen der vorhandenen Sortenschutzgesetzgebung durch eine transparente und praxisorientierte Anwendung der Z-Lizenz und auch der Nachbauregelung;
- Gewissheit über den rechtssicher nutzbaren Genpool durch Festlegung von GVO-Schwellenwerten;
- Erhaltung, Ausbau und Förderung eines bundesweiten, koordinierten Netzes für die Sortenprüfungen (Wertprüfung, Bundes- und Landessortenversuche) sowie der produktionstechnischen Versuche und der praxisnahen Beratung.

Eine nachhaltige Ausdehnung eines wettbewerbsfähigen Eiweißpflanzenanbaus ist ebenfalls notwendig, um die notwendige "kritische Masse" für Innovationen in der Pflanzenzüchtung zu erreichen.


*


Quelle:
Pressemitteilung vom 21. Januar 2012
Deutscher Bauernverband, Pressestelle
Claire-Waldoff-Straße 7
10117 Berlin
Tel.: 030 / 31 904 239
Mail: presse@bauernverband.net
Internet: www.bauernverband.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Januar 2012