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ASYL/1134: 16-Punkte-Plan von Bund und Ländern darf keine Realität werden (Flüchtlingsrat Niedersachsen)


Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. - Pressemitteilung vom 10. Februar 2017

Ministerpräsident Weil vergisst eigenen Koalitionsvertrag:
16-Punkte-Plan von Bund und Ländern darf keine Realität werden


Angesichts des gestern verabschiedeten 16-Punkte-Plans zur Asyl- und Flüchtlingspolitik erinnert der Flüchtlingsrat Niedersachsen den Ministerpräsidenten Weil an die Einhaltung des Koalitionsvertrags. Irritiert nimmt der Flüchtlingsrat zur Kenntnis, dass lediglich Thüringen offiziell per Protokollnotiz Bedenken angemeldet hat, obwohl einige der Beschlüsse auch Festlegungen des niedersächsischen Koalitionsvertrags in Frage stellen.

"Die rot-grüne Landesregierung hat im Koalitionsvertrag festgehalten, dass sie sich für die Schließung der Landesaufnahmeeinrichtungen als Ausreisezentren einsetzen wird und sie nur als Aufnahmeeinrichtungen gestalten wird. Wenn Ministerpräsident Weil jetzt einen Beschluss mitträgt, der es vorsieht, dass die Ausreisepflicht direkt aus den Erstaufnahmeeinrichtungen durchgesetzt werden soll, so unternimmt er hier eine 180-Grad-Wende", sagt Kai Weber, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats. "Auch die Unterstützung von Bundesausreisezentren ist aus Sicht des Flüchtlingsrats ein Bruch mit dem eigenen Koalitionsvertrag."

Über die auf der Ministerpräsidentenkonferenz beratenen geplanten Verschärfungen zeigt sich der Flüchtlingsrat entsetzt: "Was sich die Bundesregierung da ausgedacht hat und den Segen auch des niedersächsischen Ministerpräsidenten fand, stammt aus der Mottenkiste der überwunden geglaubten Abschreckungs- und Zermürbungspolitik der 90er Jahre", so Geschäftsführer Weber. Durch Lagerunterbringung, Arbeitsverbote, Leistungskürzungen und sozialen Ausschluss werden vor allem soziale Probleme verursacht. Wer befürchten muss, in den afghanischen Bürgerkrieg oder nach Ungarn abgeschoben zu werden, wo Flüchtlinge systematisch inhaftiert werden, wird sich auch durch solche Maßnahmen nicht zur "freiwilligen Ausreise" nötigen lassen. Erleben wir einen neuen Wettlauf der Schäbigkeiten in Deutschland?

Auch die neuen Beschlüsse zur massiven Erweiterung der Abschiebehaft passen nicht zu den Maßgaben des niedersächsischen Koalitionsvertrags, der festhält, dass er Abschiebehaft überflüssig machen wolle. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen stellt dabei nicht die erforderlichen Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus infrage, fordert aber die Einhaltung menschenrechtlicher Maßstäbe.

Der Flüchtlingsrat fordert das Land darüber hinaus auf, endlich entschiedener von den bestehenden Bleiberechtsregelungen Gebrauch zu machen. "Damit könnte die Zahl der Geduldeten viel einfacher gesenkt werden. Wenn von einem seit knapp 15 Jahren in Niedersachsen lebenden voll berufstätigen Mann aus Afghanistan als Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltsrechts gefordert wird, einen Einbürgerungstest oder einen Integrationskurs zum Nachweis von Grundkenntnissen der Rechts- und Gesellschaftsordnung zu absolvieren, so zeigt dies das bisher fehlende pragmatische Vorgehen der Behörden", ergänzt Weber.

Der Flüchtlingsrat weist weiter darauf hin, dass die Debatte über die Geduldetenzahlen in Deutschland häufig weit an der Realität vorbei geht. Darunter sind auch mehrere zehntausend Personen, bei denen eine Ausreise dauerhaft nicht möglich ist, zB weil eine Rückkehr nach Irak, Afghanistan oder Somalia unmöglich ist. In Niedersachsen zählen dazu auch etwa 500 Personen aus Syrien, bei denen selbst die Politik eine Rückkehr für unmöglich hält. "Hier wäre es angezeigt, dass die Landesregierung die Weichen dafür stellt, dass jede einzelne Person zielgerichtet über Perspektiven beraten wird", so Weber. "Bremen hat vorgemacht, wie hier pragmatisches Handeln möglich sein kann."

Hintergrund:

Bundeskanzlerin Merkel hat sich am Donnerstag, den 09.02.2017, mit den Regierungschef_innen der Länder getroffen und ein Maßnahmenpaket zur Rückkehrpolitik beschlossen. Das zuständige Bundesinnenmisterium soll dazu jetzt ein Gesetzespaket vorbereiten und dieses in den Bundestag einbringen.

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Quelle:
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Februar 2017

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