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ASYL/657: Zur Situation der Flüchtlinge im Lager Nostorf/Horst (Flüchtlingsrat Hamburg)


Flüchtlingsrat Hamburg
Offenes Plenum für antirassistische Arbeit
Café Exil
Infomobil Sportallee
Koordinationsrat der Iranerinnen und Iraner in Hamburg e.V.

Presseerklärung vom 23.09.2010

Flüchtlinge im Lager Nostorf/Horst setzen Hungerstreik fort


Wie die Schattenblick-Redaktion am 25. September erfuhr, wurde der Hungerstreik im Lager Nostorf/Horst, mit dem die Flüchtlinge gegen die unzureichende medizinische Betreuung, ihre gesellschaftliche Isolation und mangelnde rechtliche Beratung sowie den überlangen Aufenthalt in diesem Erstaufnahmelager protestiert hatten, wegen des schlechten Gesundheitszustandes der Hungerstreikenden ausgesetzt.
Bei der Begehung des Lagers zu der das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern am 24. September 2010 eingeladen hatte, wurde den Flüchtlingen nach Angaben des Hamburger Flüchtlingsrates keine Möglichkeit eingeräumt, ihre Forderungen vorzutragen.
Weitere Informationen sowie die Forderungen der Flüchtlinge entnehmen Sie bitte folgenden Presseerklärungen sowie den angefügten Dokumenten.


Hamburg, den 23.09.2010 - Nachdem entgegen der Ankündigung der Verantwortlichen in der ZEA/LGU Nostorf/Horst die hungerstreikenden und protestierenden Flüchtlingen am vergangenen Montag nicht einmal zu ihren Forderungen angehört wurden, setzen diese den Hungerstreik und die Proteste fort. Dabei hatten die Verantwortlichen am Freitag vergangener Woche die Flüchtlinge extra dazu aufgefordert, ihre Forderungen zu formulieren und zugesagt, diese mit ihnen am Montag zu besprechen. Am Hungerstreik, den anfänglich Menschen aus Afghanistan und dem Iran begonnen haben, beteiligen sich inzwischen auch Flüchtlinge aus anderen Ländern.

Stattdessen hat das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern ein Besuchsverbot, das auch für Mitglieder von Parteien und die Presse gilt, erlassen und für heute, 14:00 Uhr, eine Besichtigung der Aufnahmeeinrichtung in Nostorf/Horst mit Vertretern der Hamburger Innenbehörde angesetzt, zu der auch Vertreter und Vertreterinnen der Flüchtlingsräte Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg eingeladen wurden.

Der Flüchtlingsrat Hamburg fordert die Verantwortlichen im Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern auf, die Flüchtlinge aktiv an der Besichtigung der Aufnahmeeinrichtung zu beteiligen, ihnen Gelegenheit zu geben, ihre Forderungen vorzutragen und diese mit ihnen vor Ort in Anwesenheit der Vertreter und Vertreterinnen der Hamburger Innenbehörde und der Flüchtlingsrate Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg zu diskutieren.

Die Flüchtlingsräte von Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg haben gestern der Innenbehörde Mecklenburg-Vorpommern ein Schreiben mit der Forderung nach der Schließung der Landesgemeinschaftsunterkunft Nostorf/Horst und der Verlegung der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung nach Rostock oder Schwerin zugeschickt. Zudem fordern die Flüchtlingsräte die sofortige Einleitung eines Untersuchungsverfahrens aufgrund der völlig unzulänglichen medizinischen Versorgung der in der ZEA/LGU Nostorf/Horst untergebrachten Menschen durch den dortigen Medizinischen Dienst. Die medizinische Versorgung der in der ZEA/LGU lebenden Menschen ist in Rücksprache mit der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern sofort durch qualifizierte Allgemeinmediziner und Fachärzte außerhalb der ZEA/LGU sicherzustellen. Qualifizierte Übersetzerinnen und Übersetzer für die Arztbesuche sind bereit zu stellen.

Darüber hinaus fordern wir für alle Menschen:

• Wohnungen statt Lager!
• Bewegungsfreiheit und freie Wahl des Wohnortes!
• Bleiberecht und gleiche Rechte für alle!



Für den Flüchtlingsrat Hamburg
Dr. Franz Forsmann


Anlagen:
Brief der Flüchtlingsräte Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg an die Innenbehörde Mecklenburg-Vorpommern, Forderungen der Flüchtlinge in Nostorf/Horst


*


Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern e.V.
Postfach 11 02 29
19002 Schwerin
Tel.: 0385-581 57 90

Flüchtlingsrat Hamburg e.V.
Nernstweg 32
22765 Hamburg
Tel.: 04043 15 87

Herrn Hans-Heinrich Lappart
Abteilung 3 - Kommunalangelegenheiten, Ausländerrecht
Alexandrinenstr. 1
19055 Schwerin
Fax 0385-588 2979



Hamburg, den 21.09.2010

Sehr geehrter Herr Lappart,

wie telefonisch mit Frau Buß-Peters besprochen schicken wir Ihnen unsere Kritikpunkte an der Unterbringung von Flüchtlingen in der ZEA/LGU Nostorf/Horst und die damit verbundenen Forderungen zu.

Kritikpunkte an der ZEA/LGU Nostorf/Horst:

Völlige Isolation: Flüchtlinge, die Mecklenburg-Vorpommern zugeteilt sind, müssen oftmals 1 Jahr und länger in der LGU Nostorf/Horst bleiben. Außenkontakte sind kaum möglich, da die Unterkunft auf dem Lande zwischen Wiesen, Feldern und Wäldern ca. 8 km von Boizenburg entfernt liegt. Es fährt zwar ein Bus nach Boizenburg, den können die dort untergebrachten Flüchtlinge aber kaum nutzen, da sie nur ein Taschengeld von 40 Euro im Monat erhalten und so den Bus nicht bezahlen können. Zudem fährt der Bus am Wochenende gar nicht.

Völlig unzureichende rechtliche Beratung: Die dort untergebrachten Menschen sind in ihrem Asylverfahren völlig allein gelassen. Der Flüchtlingsrat MV bietet im Rahmen seiner Möglichkeiten ein bis zwei Mal die Woche Asylverfahrensberatung an. Diese reicht keineswegs für über 300 Menschen. Weder die Fahrten zu RechtsanwältInnen und Beratungsstellen, noch die rechtliche Beratung durch RechtsanwältInnen können die dort untergebrachten Menschen wegen des geringen Taschengeldes bezahlen. Die Chance auf ein faires Asylverfahren bleibt ihnen vorenthalten.

Völlig unzureichende medizinische Versorgung: Die Menschen erhalten zum größten Teil bei Beschwerden nur Schmerzmittel (Paracetamol). Die Überweisung zu Fachärzten wird oftmals verweigert und erfolgt, wenn überhaupt, nur bei mehrfachem Nachfragen. Die Flüchtlinge beklagen den Mangel an Übersetzerinnen und Übersetzern, der es ihnen nicht ermöglicht, ihre Beschwerden detailliert vorzutragen. Die Erkennung von Traumatisierungen, die im Asylverfahren eine erhebliche Rolle spielen kann, ist aufgrund der mangelnden Qualifizierung des Personals des medizinischen Dienstes praktisch ausgeschlossen (siehe auch Briefe an die Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern und den Leiter des Einwohnerzentralamtes Hamburg, Herrn Bornhöft).

Die Flüchtlinge äußern massive Kritik am Essen: Es werde keine Rücksicht auf die Essgewohnheiten der Flüchtlinge genommen, die Kost sei einseitig und für die Flüchtlinge ungewohnt und wenig schmackhaft. Die Menschen erklären immer wieder, dass sie selbst kochen wollen, was ihnen verwehrt wird. In Bezug auf die seit Wochen andauernde Situation bei der Essensvergabe berichten sie, dass sie sehr lange warten müssen, um eingelassen zu werden, da die Mensa viel zu klein ist und in Etappen gegessen werden muss. Viele der Betroffenen sind deshalb sehr aufgebracht. Hierin läge, so die Flüchtlinge, die Ursache für den Streit, der am 30.08.2010 in der Kantine ausgebrochen und eskaliert ist und zu mehreren Verletzten, drei davon schwer, geführt hat.


Als Maßnahmen fordern wir:

Schließung der Landesgemeinschaftsunterkunft Nostorf/Horst. Alle auf Mecklenburg-Vorpommern verteilten Menschen müssen spätestens nach dreimonatiger Aufenthaltsdauer in der ZEA Nostorf/Horst Wohnungen erhalten, in denen sie nicht isoliert und ohne Kontakte zur Bevölkerung unter menschenunwürdigen Bedingungen und ohne Perspektive leben müssen.

Die ZEA Mecklenburg-Vorpommern ist nach Schwerin oder Rostock zu verlegen. Dort haben die Flüchtlinge, die dem deutschen Rechtswesen oft völlig hilflos gegenüberstehen, in den entscheidenden ersten drei Monaten ihres Asylverfahrens die Möglichkeit, Beratungsstellen und Rechtsanwältinnen zu finden, die sie in ihren Verfahren unterstützen. Den Flüchtlingen diese Möglichkeit durch die Unterbringung in isoliert liegenden Unterkünften zu entziehen, bedeutet, den Flüchtlingen das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zu verweigern.

Sofortige Einleitung eines Untersuchungsverfahrens aufgrund der völlig unzulänglichen medizinischen Versorgung der in der ZEA/LGU Nostorf/Horst untergebrachten Menschen durch den dortigen Medizinischen Dienst. Die medizinische Versorgung der in der ZEA/LGU lebenden Menschen ist in Rücksprache mit der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern sofort durch qualifizierte Allgemeinmediziner und Fachärzte außerhalb der ZEA/LGU sicherzustellen. Qualifizierte Übersetzerinnen und Übersetzer für die Arztbesuche sind bereit zu stellen.


Mit freundlichen Grüßen

Flüchtlingsrat Mecklenburg Vorpommern
Ulrike Seemann-Katz

Flüchtlingsrat Hamburg
Dr. Franz Forsmann

Anlagen:

Brief an den Leiter des Einwohnerzentralamtes Hamburg, Herrn Börnhöft, bzgl. der medizinischen Versorgung in der ZEA/LGU Nostorf/Horst

Brief an den Vorsitzenden der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern, Herrn Dr. Crusius, bzgl. der medizinischen Versorgung in der ZEA/LGU Nostorf/Horst


*


Forderungen der Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung Nostorf/Horst in Mecklenburg-Vorpommern

(die Forderungen gelten sowohl für die Flüchtlinge aus Meck Pom als auch für die Flüchtlinge aus Hamburg)

Die Flüchtlinge wollen wissen warum sie länger als 3 Monate dort verweilen müssen
Die Flüchtlinge bekommen zuerst einen weißen Lagerausweis, der für eine Verweildauer von 3 Monate vorgesehen ist, danach bekommen die Flüchtlinge aus Meck. Pom. einen gelben Lagerausweis, der für eine Verweildauer von bis zu 24 Monate vorgesehen ist. Eine Begründung für die Verlängerung gibt es nicht.
Diejenigen, die länger als 3 Monate dort untergebracht sind, wollen raus
Diejenigen, die noch keine 3 Monate dort untergebracht sind, wollen eine qualifizierten Unterricht, um die deutsche Sprache zu lernen
Das Essen muss abwechslungsreicher und inhaltvoller werden
Die Möglichkeit, selbst zu kochen, wird dringend gefordert
Die med. Versorgung muss dringend verbessert werden
Es sollte eine Kleiderkammer eingerichtet werden
Eine kostengünstige Fahrmöglichkeit, um den Ort Boizenburg oder Lauenburg besuchen zu können
Kompetente Dolmetscher, vor allem für die Arztbesuche. Für Frauen sollte das eine Dolmetscherin sein
Den Minderjährigen sollte der Zugang zur Schule ermöglicht werden
Alle Repressionen bei dem Hungerstreiks sollten unterlassen werden Repressionen während des Hungerstreiks am 17.09.2010:
Es wurden die Lagerausweise abgenommen
Es wurden die Zimmer der streikenden Flüchtlinge neu belegt, um die streikenden Flüchtlinge zu trennen
Diejenigen, die eine Arbeit im Lager hatten, haben ihre Arbeit verloren
Auch in der Zukunft keine Nachteile wegen Teilnahme am Hungerstreik
Sie wollen als vollwertige Menschen respektiert werden

Nostorf-Horst 20.09.2010


*


Flüchtlingsrat Hamburg
Offenes Plenum für antirassistische Arbeit
Café Exil
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Koordinationsrat der Iranerinnen und Iraner in Hamburg e.V.

Presseerklärung vom 24. September 2010

Begehung der ZEA/LGU Nostorf-Horst gerät zur Farce

Flüchtlinge erhalten keine Chance, ihre Forderungen den Verantwortlichen vorzutragen und stellen Strafanzeigen gegen MitarbeiterInnen des medizinischen Dienstes



Auch bei der gestrigen Begehung der ZEA/LGU Nostorf/Horst, zu der das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern eingeladen hatte, erhielten die dort zwangsweise untergebrachten Flüchtlinge nicht die Möglichkeit, ihre Forderungen den anwesenden PolitikerInnen und BehördenmitarbeiterInnen vorzustellen und diese mit ihnen zu diskutieren, obwohl dies vom Flüchtlingsrat Hamburg gleich zu Beginn der Begehung gefordert wurde. Auch eine Beteiligung der Flüchtlinge an der Begehung lehnten der Staatssekretär des Innenministeriums, Herr Lenz, und der Leiter der ZEA/LGU Nostorf/Horst, Herr Trzeba, ab. Dabei wurden die Flüchtlinge bereits in der vergangenen Woche dazu aufgefordert, ihre Forderungen zu formulieren und es wurde ihnen zugesagt, dass sie Gelegenheit erhalten, diese vorzutragen und mit den Verantwortlichen zu diskutieren.

Stattdessen wurde den bei der Begehung Anwesenden von Herrn Lenz und Herrn Trzeba ein Vortrag über die "Vorbildlichkeit" der Unterbringung und medizinischen Versorgung von Flüchtlingen in Nostorf/Horst gehalten, der in krassem Gegensatz zu den Berichten der Flüchtlinge stand. Auf kritische Nachfragen von JournalistInnen, die in den vergangenen Tagen mit zahlreichen Flüchtlingen gesprochen und von deren verzweifelter Situation in Nostorf/Horst erfahren hatten, erklärte Herr Lenz, dass es aufgrund der stark gewachsenen Zugangszahlen in den letzten Monaten zu Engpässen bei der medizinischen Versorgung und der Essensversorgung der Flüchtlinge gekommen sei. Dem, so Herr Lenz, solle jetzt dadurch entgegengewirkt werden, dass ein weiterer Arzt eingestellt werden und die Essensausgabe in Zukunft in zwei Schichten erfolgen solle.

Die Ausführungen von Herrn Lenz und Herrn Trzeba lassen jegliche Einsicht in die grundsätzliche Kritik von Flüchtlingen und Flüchtlingsorganisationen vermissen: Bewusste Isolation der Flüchtlinge mit dem Ziel, Kontakte zu Beratungsstellen, RechtsanwältInnen, kompetenten ÄrztInnen und UnterstützerInnen zu verhindern. Hierdurch wird den Betroffenen, die sich im deutschen Rechtswesen gar nicht auskennen und zudem der deutschen Sprache nicht mächtig sind, gezielt die Chance auf ein faires rechtsstaatliches Asylverfahren verwehrt. Systematische Unterversorgung, wie z.B. im medizinischen Bereich sollen im Verborgenen bleiben und die Menschen durch die erlebte Ausgrenzung, das Verbot selbst zu kochen, durch den Entzug von Privatsphäre und die Monotonie des Lagerlebens systematisch demoralisiert und psychisch zerstört werden.

So kann die Präsentation von klinisch reinen Räumen des Medizinischen Dienstes in Nostorf/Horst nicht darüber hinwegtäuschen, dass dort Flüchtlingen in vielen Fällen medizinische Hilfe verweigert wird, was vom Flüchtlingsrat Hamburg in zahlreichen Fällen dokumentiert wurde. Es kam sogar vor, dass Menschen, die dort um medizinische Hilfe nachfragten, beleidigt und unter Druck gesetzt wurden. Noch am Tag der Begehung wurden von zwei Flüchtlingen Strafanzeigen wegen Beleidigung und Nötigung gegen Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen des medizinischen Dienstes gestellt.

Im ersten Fall wurden Frau E., die in der 13. Woche schwanger ist und ihr Mann am Tag der Begehung, d.h. am 22.09.2010, von einer Krankenschwester des Medizinischen Dienstes mit den Worten: "You are crazy, you are an idiot, Scheiße" beschimpft. Frau E. war am Dienstag, dem 21.09.2010 von BesucherInnen aufgrund gesundheitlicher Beschwerden, die schon längere Zeit andauerten, zu einer gynäkologischen Praxis nach Boizenburg gebracht worden, wobei festgestellt wurde, dass sie stationär im Krankenhaus behandelt werden müsse. Da Frau E. keine Sachen zum Anziehen bei sich hatte, verabredete sie mit der Ärztin, dass sie nach Nostorf/Horst zurück fährt und am nächsten Morgen von dort ins Krankenhaus gebracht wird. Am 22.09.10 wurde Frau E. und ihr Mann dann morgens früh aufgefordert, den medizinischen Dienst aufzusuchen und dort in der dargelegten Form beleidigt. Frau E. war zuvor vom Medizinischen Dienst mehrfach trotz erheblicher gesundheitlicher Probleme eine Überweisung zu einer Gynäkologin verweigert worden. Stattdessen war sie aufgefordert worden, Wasser zu trinken und Schmerzmittel zu nehmen, was sie dann aber nicht tat, um nicht die Gesundheit ihres Kindes zu gefährden.

Der zweite Fall betrifft Herrn S., der als erster der Flüchtlinge in Nostorf/Horst in den Hungerstreik getreten ist. Am Montag, dem 20.09. 2010 ging es Herrn S. nach 9 Tagen Hungerstreik sehr schlecht und ihm wurde von UnterstützerInnen angeraten, sich eine Infusion geben zu lassen. Nachdem Bedienstete der Unterkunft mehrfach darauf hingewiesen wurden, dass es Herrn S. sehr schlecht gehe und er eine Infusion benötige, wurde er zum Medizinischen Dienst bestellt, wohin er, gestützt durch Begleiter, gegangen ist. Dort angekommen wurde er von seinen Begleitern getrennt und von einem Bediensteten in einen Raum des medizinischen Dienstes gebracht. Dort fuhr ihn der Bedienstete, so Herr S., mit den Worten an: "Was wollen sie, wir werden sie morgen nach Afghanistan abschieben". Herr S. fing nach eigenen Angaben an, am ganzen Leib zu zittern und fragte nach einem Glas Wasser. Als sich der Bedienstete von ihm entfernte, um ein Glas Wasser zu holen, stürzte Herr S. aus dem Zimmer und flüchtete zu seinen Begleitern, die ihn dann in sein Zimmer zurück brachten.

Der Flüchtlingsrat Hamburg fordert die sofortige Einleitung eines Untersuchungsverfahrens aufgrund der geschilderten Vorfälle und der völlig unzulänglichen medizinischen Versorgung der in der ZEA/LGU Nostorf/Horst untergebrachten Menschen. Die medizinische Versorgung der in der ZEA/LGU lebenden Menschen ist in Rücksprache mit der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern sofort durch qualifizierte AllgemeinmedizinerInnen und FachärztInnen außerhalb der ZEA/LGU sicherzustellen. Qualifizierte Übersetzerinnen und Übersetzer für die Arztbesuche sind bereit zu stellen.

Zudem fordert der Flüchtlingsrat Hamburg die Schließung der Landesgemeinschaftsunterkunft Nostorf/Horst und die Verlegung der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung nach Rostock oder Schwerin.

Die Hamburger Innenbehörde fordern wir auf, ab sofort keine Menschen mehr in der ZEA Nostorf/Horst unterzubringen und die dort lebenden Hamburg zugewiesenen Flüchtlinge unverzüglich nach Hamburg zurück zu verlegen.

Vor allem fordern wir, dass die verantwortlichen PolitikerInnen und BehördernvertreterInnen endlich mit den Flüchtlingen selbst statt über ihre Köpfe hinweg reden und dass sie dafür DolmetscherInnen ihres Verrauens und UnterstützerInnen hinzuziehen können!

Darüber hinaus fordern wir für alle Menschen:

• Wohnungen statt Lager!
• Bewegungsfreiheit und freie Wahl des Wohnortes!
• Bleiberecht und gleiche Rechte für alle!



Für den Flüchtlingsrat Hamburg
Dr. Franz Forsmann


Weitere Informationen unter:
www.fluechtlingsrat-hamburg.de/
Presseerklärungen vom 17.09.2010, 14.09.2010 und 02.03.2009

siehe Bericht von der Kungebung vor Lager in Horst am 22.09.2010
http://de.indymedia.org/2010/09/290593.shtml


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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. September 2010