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ASYL/759: Sri Lanka - Drehscheibe für Asylsuchende, Sprungbrett in die westliche Welt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Juli 2012

Sri Lanka: Drehscheibe für Asylsuchende - Sprungbrett in die westliche Welt

von Amantha Perera


Verzweifelte Srilanker und andere Asylsuchende fahren in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft mit Booten wie diesem in den Westen - Bild: © Amantha Perera/IPS

Verzweifelte Srilanker und andere Asylsuchende fahren in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft mit Booten wie diesem in den Westen
Bild: © Amantha Perera/IPS

Colombo, 11. Juli (IPS) - Pakistaner und Afghanen müssen in Sri Lanka mit ungewöhnlich langen Sicherheitskontrollen rechnen. Die Einwanderungsbehörde des Landes hat mitgeteilt, dass sie ein spezielles Verfahren entwickelt habe, um Menschen aus den beiden Nachbarländern zu überprüfen. Der Grund: Der südasiatische Inselstaat vor dem Südzipfel Indiens ist zum Hotspot für Flüchtlingsboote geworden. Von hier starten immer mehr Menschen, die sich in Australien und anderen Teilen der Welt ein besseres Leben erhoffen.

Kürzlich wurden 25 afghanische Staatsbürger aus Sri Lanka ausgewiesen, wie Prabath Aluthge vergangene Woche mitteilte. Dem Leiter der Anti-Schmuggel-Abteilung der srilankischen Einwanderungsbehörde zufolge sind in den vergangenen Monaten 250 Menschen deportiert worden, die gegen die Visabestimmungen des Landes verstoßen haben.

Fälle gefälschter Visa seien selten. Allerdings hätten sich einige der 970 in den vergangenen drei Jahren aus Großbritannien nach Sri Lanka ausgewiesenen Asylsuchenden, die im Besitz srilankischer Pässe gewesen seien, als Inder herausgestellt. Sie wurden in ihr Heimatland zurückgeschickt.


Sri Lanka löst Thailand und Indonesien ab

Früher waren Thailand und Indonesien die meistgenutzten Ausgangsorte für Asylsuchende aus der Region. Das scheint sich nun geändert zu haben. Hunderte Menschen versuchen in letzter Zeit, von Sri Lanka aus auf Flüchtlingsbooten aufgenommen zu werden, die sie in den goldenen Westen bringen sollen. Darunter sind nicht nur Ausländer, die extra zu diesem Zweck nach Sri Lanka reisen, sondern auch Einheimische, die sich immer häufiger auf diesen riskanten Weg machen.

Am 21. Juni kenterte ein Boot mit 200 Afghanen und Iranern vor der Weihnachtsinsel, rund 2.600 Kilometer vor der australischen Küste. Rund 90 der Passagiere starben. Die Behörden gehen davon aus, dass das Boot in Sri Lanka gestartet ist. Allerdings sind Direktfahrten von Sri Lanka nach Australien eher die Ausnahme, da die Strecke mit mehr als 8.000 Kilometern besonders lang ist.

In den vergangenen Monaten hat die Polizei mehrere hundert Menschen aufgegriffen, die sich auf dem Weg zu oder bereits auf Flüchtlingsbooten befanden. Am 12. Mai wurden 113 Personen in der Hauptstadt Colombo festgenommen. Sie hatten sich zu einem Fischerhafen aufgemacht, um dort in ein Boot umzusteigen. Einen Monat später nahm die Marine rund 60 Meilen vor der Küste 53 Menschen auf einem Boot fest. Auch wurden kleinere Gruppen von Menschen aufgegriffen. In der ersten Juliwoche verhafteten die Sicherheitskräfte beispielsweise fünf Menschen in der Nähe der südlichen Stadt Kataragama.

"90 Prozent der Asylsuchenden sind Tamilen oder Muslime", sagte der Polizeisprecher Ajith Rohana. Aus diesen Bevölkerungsgruppen stammen seinen Aussagen nach auch die Organisatoren der Flüchtlingsfahrten.

Die australischen Behörden wollten gegenüber IPS aus Sicherheitsgründen keine Angaben darüber machen, wie viele Menschen auf Flüchtlingsbooten aus Sri Lanka in australischen Häfen landen. Offiziellen Statistiken zufolge kann jedoch davon ausgegangen werden, dass bis Juni dieses Jahres 72 Boote australischen Boden erreichten oder vor der Küste abgefangen wurden.

Die Zahl der Asylsuchenden in Australien ist seit Januar 2010 rasant angestiegen. Während im Januar 2009 knapp 500 Menschen in den Auffanglagern des Landes einsaßen, waren es im Januar 2011 bereits 6.500. Seitdem ist die Zahl wieder zurückgegangen.


Afghanen in australischen Auffanglagern in der Überzahl

Statistiken der australischen Einwanderungsbehörde zeigen, dass bis Ende Mai dieses Jahres 682 Menschen srilankischen Ursprungs in Auffanglagern festgehalten wurden. Sie machten damit mit 14 Prozent die zweitgrößte Gruppe der 4.906 Menschen in den australischen Lagern aus. Die größte Gruppe waren Afghanen mit 41 Prozent.

In der Regel warten die Asylsuchenden in kleinen Gruppen von fünf bis sechs Personen in der Nähe der Küste auf einen Mittelsmann. Von dort werden sie zu einem der Fischerhäfen gebracht, dann zumeist mit Hilfe eines Fischerbootes auf die See hinaus gefahren. Laut Polizeisprecher Rohana wurden bereits mehrere Mittelsmänner srilankischen Ursprungs festgenommen.

"Die Haupttäter operieren von Australien, England und anderen europäischen Ländern aus", sagte Rohana. Nicht immer bringen die Schlepper die Asylsuchenden an ihr erhofftes Ziel. Der Polizeisprecher berichtet von einem Fall vom Oktober 2011, in dem mehr als 200 Srilanker im westafrikanischen Togo festsaßen, obwohl sie nach Kanada wollten. Die Menschenhändler hatten sich aus dem Staub gemacht. "Die vier Hauptverdächtigen sitzen in Frankreich."

9.000 US-Dollar soll eine Überfahrt kosten. 2.500 Dollar sind vor Antritt der Fahrt fällig. Der Rest soll von Familie und Freunden bei erfolgreicher Ankunft bezahlt werden.

Viel ist allerdings nicht bekannt über die Fluchtwege und die Art und Weise, wie Asylsuchende und Schlepper Kontakt zueinander aufnehmen. Die meisten Flüchtlinge behalten ihre Informationen für sich - die Schlepper sowieso. Akilan (Name von der Redaktion geändert) sitzt mittlerweile im Gefängnis, nachdem sein Fluchtversuch gescheitert ist.

"Wir wussten nichts von seinen Plänen, bis wir hörten, dass er im Gefängnis sitzt", erzählt seine Mutter. Der junge Mann habe über seiner Aufnahmeprüfung für die Universität gebrütet, die er bereits zweimal nicht bestanden habe. "Er wollte weg, weil wir arm und verzweifelt sind." (Ende/IPS/jt/2012)


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http://www.ipsnews.net/2012/07/sri-lanka-emerges-as-launchpad-for-human-smuggling/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juli 2012