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ASYL/919: Im Kabinett - Gesetz zu Bleiberecht und Aufenthaltsbeendigung (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 3. Dezember 2014

Im Kabinett: Gesetz zu Bleiberecht und Aufenthaltsbeendigung

PRO ASYL warnt vor massiver Verschärfung des Aufenthaltsrechts



Der heute im Bundeskabinett beratene Gesetzentwurf zur Neubestimmung von Bleiberecht und Aufenthaltsbeendigung stößt bei PRO ASYL auf erhebliche Kritik. "Es droht eine massive Verschärfung des Aufenthaltsrechts", kommentiert PRO ASYL Geschäftsführer Günter Burkhardt in einer ersten Reaktion. Deutschland will dicht machen, es soll rigoroser abgeschoben werden, vor allem in Fällen, bei denen ein anderer EU-Staat zuständig sein soll.

PRO ASYL kritisiert die im Vergleich zur April-Fassung neu formulierten Haftgründe. Konkrete Anhaltspunkte, die für eine Inhaftierung ausreichen, sollen sein, dass "der Ausländer zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge für einen Schleuser aufgewendet habe. Nach der Begründung des Gesetzestextes sollen Beträge zwischen 3.000 und 20.000 Euro pro Person als Indiz für eine Einschleusung in das Bundesgebiet herhalten (Seite 39 Gesetzentwurf). PRO ASYL kritisiert diese Regelung als hanebüchen. Sie trifft viele Flüchtlinge, die z.B. über Bulgarien oder andere Balkanstaaten nach Deutschland einreisen wollen. Derzeit gibt es keine legalen Wege, kaum jemand kann ohne die Aufwendung erheblicher Geldbeträge nach Deutschland kommen.

Auch die Haftgründe Vernichtung von Identität oder Reisedokumenten oder Täuschung der Identität ermöglichten in einer Vielzahl von Fällen die Inhaftierung zum Zwecke der Rücküberstellung.

PRO ASYL begrüßt grundsätzlich die Umsetzung der im Koalitionsvertrag verabredeten Bleiberechtsregelung. Die nun eingeräumte Möglichkeit für Ausländerbehörden, sie durch die Verhängung eines zeitlich befristeten Aufenthaltsverbots auszuhebeln, öffnet die Tür, dass restriktive Ausländerbehörden den Koalitionsvertrag unterlaufen können. Nach §11 Abs. 6 kann ein Einreise und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, das zunächst auf ein Jahr befristet wird. Diese Frist fängt jedoch erst an zu laufen, wenn der Betroffene tatsächlich ausgereist ist. Damit werden Kettenduldungen nicht abgeschafft. Stattdessen wird der Druck auf die Betroffenen, das Land zu verlassen erhöht. Diese Regelung ist geeignet, das versprochene Bleiberecht in vielen Fällen leerlaufen zu lassen.


Wiedereinreisesperren führen zu Kriminalisierung

Die in dem Aufenthaltsgesetz vorgesehenen Wiedereinreisesperren nach §11 Abs. 7 zielen auf die Kriminalisierung von Schutzsuchenden aus den angeblich sicheren Herkunftsstaaten. Versuchen sie nach einer Abschiebung und einer etwaigen Verfolgungssituation erneut zu fliehen, können sie bereits in jedem Schengen-Staat als Kriminelle inhaftiert werden.

Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Verbesserungen für im Inland Lebende gehen einher mit massiven Restriktionen für neu Einreisende.


Viertägige Ingewahrsamnahme und Verschärfung des Ausweisungsrechts

Als unverhältnismäßig und rechtstaatlich fragwürdig erachtet PRO ASYL die in §62b AufenthG neu geschaffene "Ausreisegewahrsam". Zur Sicherung der Abschiebung können Ausländer auf richterliche Anordnung für die Dauer von längstens vier Tage in solch ein Gewahrsam genommen werden. Die sonst notwendigen Haftgründe müssen hier nicht einmal vorliegen. Stattdessen sollen unbestimmte vage Generalklauseln gelten.

In einer ersten Durchsicht des Gesetzentwurfs ist auffallend, dass das Ausweisungsrecht für in Deutschland lebende Migranten, die straffällig werden, komplett auf neue Füße gestellt wird. In Deutschland herrscht der Grundsatz der Resozialisierung. Nun sollen die Ausweisungstatbestände verschärft werden. Es ist zu prüfen, ob die im Gesetz vorgesehene Abwägung zwischen dem "Ausweisungsinteresse" nach §54 in Abwägung mit dem "Bleibeinteresse" nach §55 verhältnismäßig ist. Nach einer ersten Einschätzung zielt der Gesetzentwurf darauf, die bisher durch Richter aufgrund von Grund- und Europarecht verhinderte Ausweisung zu lockern.

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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 3. Dezember 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2014