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ENTWICKLUNGSHILFE/422: Im Stich gelassen - "Nördliche Eliten" geben ärmsten Ländern kaum Chancen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. Mai 2011

Entwicklung: Im Stich gelassen - 'Nördliche Eliten' geben den ärmsten Ländern kaum Chancen

Von Claire Ngozo


Istanbul, 9. Mai (IPS) - Handeln statt Sprücheklopfen! Mit dieser Forderung an die internationale Gemeinschaft und ihrer Geldgeber Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) haben sich in Istanbul Vertreter von mehr als 2.000 Nichtregierungsorganisationen zu Wort gemeldet, während dort vom 7. bis 13. Mai die Vierte UN-Konferenz über die ärmsten Länder (LDC) stattfindet.

Die Aktivisten halten das von den Vereinten Nationen vor 40 Jahren entworfene Entwicklungsmodell der LDCs für gescheitert. Ihr Bericht 'A World Without LDCs' enthält alternative Perspektiven und Konzepte für die Armutsbekämpfung und für eine nachhaltige Entwicklung in ihren Ländern. Statt in den LDCs Wirtschaftsbilanzen und Staatshaushalte zu sanieren, sollte die Hilfe vorrangig den Menschen zugute kommen und deren reale Lebensbedingungen verbessern, heißt es in dem Report.

Der Koordinator des Zivilgesellschaftlichen Lenkungsausschusses zur vierten LDC-IV-Konferenz, Forumssprecher Arjun Karki aus Nepal, verwies darauf, dass sich die Zahl der bitterarmen Länder seit 1971 von 24 auf inzwischen 48 verdoppelt hat. Dem gegenüber hätten in den vergangenen 40 Jahren lediglich die drei LDCs Botswana, Kapverden und Malediven den Aufstieg in die höhere Kategorie der 'Länder mit niedrigem Einkommen'.

Während die Industrieländer ihre eigenen Interessen schützten, habe man die LDCs zur Wirtschaftsliberalisierung und zum Freihandel gezwungen, ohne Rücksicht auf deren eigene nachhaltige, breit gefächerte Entwicklungsprogramme, kritisierte Karki.

In dem Bericht wird ein Paradigmenwechsel im Umgang mit den LDCs verlangt. Dazu gehören ein sofortiger und bedingungsloser Schuldenerlass sowie eine Überprüfung der Rolle von Weltbank und IWF. Auf dem Prüfstand müssten auch die Reformen in der Landwirtschaft und deren Folgen für Kleinbauern stehen. Themen wie die Börsenspekulationen mit Nahrungsmitteln, der Landraub von Großinvestoren, der Einsatz von genetisch verändertem Saatgut und die Produktion von Agrosprit müssten ebenfalls diskutiert werden, betonte Karki.


Ressourcen teilen

Ihsan Karaman, der Vorsitzende der türkischen Sektion der Hilfsorganisation 'Doctors Worldwide', stimmte Karkis Kritik zu. "Obwohl es in vielen LDCs reiche Naturresoucen gibt, haben sie es in mehr als einem Jahrhundert nicht zur ausreichenden Eigenversorgung und zu Wohlstand gebracht", stellte er fest. "In einer globalisierten Welt sollte es selbstverständlich sein, dass Länder ihre Ressourcen miteinander teilen und vernünftig damit umgehen. Andernfalls leidet die gesamte Menschheit", warnte der Arzt.

"Solange es nicht möglich ist, über globale Gerechtigkeit und das Weltgewissen zu sprechen, können die 'nördlichen Eliten' weiterhin ruhig schlafen, auch wenn sie wissen, dass jede Nacht zwölf Prozent der Weltbevölkerung hungrig zu Bett gehen." Karaman verurteilte die im Vergleich zur versprochenen Entwicklungshilfe immensen Ausgaben für Aufrüstung und Kriege. Er appellierte an Regierungen und Parlamente, an Privatwirtschaft, Intellektuelle und die Zivilgesellschaft, "die brutale Weltordnung zu verändern. Lasst uns unser Versprechen erneuern und uns gemeinsam für eine Welt ohne LDCs kämpfen", sagte er.

Als Teilnehmer des LDC-Forums bekräftigte UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon, es sei an der Zeit, sich mit vereinten Kräften um eine bessere Welt zu bemühen. Die Konferenz in Istanbul werde die Forderung der Zivilgesellschaft nach Fortschritt berücksichtigen, versicherte er. (Ende/IPS/mp/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Mai 2011