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ENTWICKLUNGSHILFE/430: Tübingen - Bürgerdialog entpuppt sich als Farce (Ethiopian Human Rights Committee)


Ethiopian Human Rights Committee (Germany)
Pressemitteilung vom 29.5.2012

Bürgerdialog zur Entwicklungszusammenarbeit entpuppt sich als Farce



Auf dem "Bürgerdialog" zur Entwicklungszusammenarbeit des Landes Baden-Württemberg im Tübinger Sparkassen-Carré war viel von "Dialog auf Augenhöhe" die Rede, sowohl zwischen der Landespolitik und "Zivilgesellschaft", als auch zwischen dem Land und seinen "Partnern" in der Dritten Welt. Tatsächlich jedoch waren die Redebeiträge von Selbstgefälligkeit und Projektionen über die angeblichen Partnergesellschaften geprägt, denen es u.a. zu zeigen gelte, wie "eine funktionierende Verwaltung" oder "funktionierende Strukturen" aufgebaut werden sollen.

Die eigene Verantwortung für die Ausbeutung der Dritten Welt wurde dabei auf dem Podium konsequent negiert, stattdessen gratulierte man sich gegenseitig zum Titel einer "Fair Trade City". Obwohl in Tübingen wie in Baden-Württemberg Blumen aus Äthiopien, die mit Kinderarbeit, Landvertreibung und Pestiziden produziert wurden mit einem "Fair Trade"-Siegel über den Ladentisch gehen(*). Ohne, dass es Konsequenzen gibt, läuft das Geschäft weiter. Statt dessen wird die Ausbildung von Sicherheitskräften und Militär für autoritäre Regierungen als "Entwicklungszusammenarbeit" dargestellt.

Eine erschreckende, an Ablehnung grenzende Unwissenheit oder Ignoranz zeigte sich hinsichtlich der Frage nach Menschenrechten und der Demokratie. Deren Thematisierung am Beispiel Äthiopien wurde geradezu als Zumutung aufgefasst. Statt einem Dialog mit Vertretern von betroffenen Menschen aus dem Süden anzustreben, wird versucht, in einer hierarchisch strukturierten Veranstaltung die momentane "Entwicklungspolitik" zu legitimieren. Beim Versuch, "funktionierende Verwaltungen bzw. Strukturen" zu schaffen, erscheint die Forderung nach Demokratie und Menschenrechten tatsächlich hinderlich.

Die hiesige Zivilgesellschaft soll stattdessen v.a. in die Entwicklungspolitische Bildungsarbeit an den Schulen eingebunden werden, um auch den kommenden Generationen herkömmliche Erklärungen für die enormen Disparitäten zwischen globalem Norden und globalen Süden zu liefern, mit deren Überwindung offensichtlich gar niemand mehr rechnet. Die Zivilgesellschaft wird damit auf den Platz verwiesen der ihr bereits in der Kolonialzeit zukam: Durch gutmenschliche Zivilisationsdiskurse die bestehenden Ausbeutungsverhältnisse auf Kosten menschlicher Tragödien zu legitimieren.

(*) Verweise: http://www.arte.tv/de/3201590.html
http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/45_min/videos/minuten241.html
http://www.netto-online.de/Fairtrade_Rosen.chtm

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Quelle:
Seyoum Habtemariam
Ethiopian Human Rights Committee (Germany)


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juni 2012