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MENSCHENRECHTE/226: China - Menschenrechtsaktionsplan eine "PR-Aktion" (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Januar 2011

CHINA: Menschenrechtsaktionsplan eine "PR-Aktion" - Mehr Rückschläge als Fortschritte

Von Andrea Lunt


New York, 12. Januar (IPS) - 'Human Rights Watch' wirft China schwerwiegende Versäumnisse bei der Umsetzung seines Nationalen Menschenrechtsaktionsplans (NHRAP) vor. Anstatt wie versprochen die bürgerlichen und politischen Rechte zu stärken, kommt es nach wie vor zu illegalen Verhaftungen und Folter, kritisiert die internationale Menschenrechtsorganisation.

"Wäre dieser Plan energisch verwirklicht worden und zahlreiche Menschenrechtsverletzungen nicht geduldet worden, hätte er einen echten Wandel in der chinesischen Menschenrechtspolitik einleiten können", meinte Sophie Richardson, Advocacy-Direktorin der Asien-Abteilung von Human Rights Watch (HRW). "Das Versagen der Regierung bei der Umsetzung des Aktionsplans verdeutlicht jedoch, dass es wir es eher mit einer PR-Aktion zu tun haben, als mit einem wirksamen Instrument zum Schutz und zur Förderung der Rechte der Menschen in China."


Rechtstaatlichkeit politischen Interessen untergeordnet

Vielmehr hätten die fortgesetzten Restriktionen im Reich der Mitte, vor allem die Einschränkung der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, zu einer "Druckkessel-Situation" geführt, sagte der HRW-Asien-Experte Phelim Kine bei der Präsentation der Untersuchung am 11. Januar. In China sei das Rechtssystem stark politisiert und Rechtstaatlichkeit werde den Interessen der regierenden Kommunistischen Partei untergeordnet.

Der NHRAP war im April 2009 mit dem erklärten Ziel aus der Taufe gehoben worden, die wirtschaftlichen, kulturellen, bürgerlichen und politischen Rechte zu stärken und die Einhaltung internationaler Menschenrechtsabkommen zu gewährleisten. Tatsächlich jedoch mussten die Menschenrechte in China eine Serie von Rückschlägen hinnehmen. Dazu zählen verschärfte Kontrollen für Anwälte, neue restriktive Auflagen die Minderheiten wie Uiguren und Tibeter, die Zunahme willkürlicher Verhaftungen und die Verweigerung von Daten im Zusammenhang mit der Todessstrafe, die in dem größten Land der Welt nach wie vor vollstreckt wird.


Internationalisierung von Missständen

Der Bericht erkennt ferner eine Zunahme der Einschränkungen beim Zugang zum Internet und bei der Pressefreiheit. Dabei sei es wichtig, dass die Öffentlichkeit über lokale Gefahren wie die tödliche Atemwegskrankheit SARS, Melamin-verseuchte Milch oder giftiges Kinderspielzeug unterrichtet werde, betonte Kine. "Da es aber niemanden gibt, der über die Missstände berichtet, gelangen die Gifte in den Export und entwickeln sich zu einem internationalen Problem."

Der Bericht 'Promises Unfulfilled: An Assessment of China's National Human Rights Action Plan' (Versprechen gebrochen: Eine Bewertung von Chinas Nationalen Menschenrechtsaktionsplan) dokumentiert allerdings auch einige Fortschritte wie den Schutz wirtschaftlicher und sozialer Rechte. So ist es den Behörden offenbar gelungen, die Zahl der Hungernden seit 1978 um 200.000 zu senken. Dazu meinte Professor Peter Kwong, Experte für moderne chinesische Politik am Hunter College der City University von New York, dass mit rückläufiger Armut das Interesse der Menschen an den bürgerlichen Rechten zunehme. Dieser Zusammenhang erklärt seiner Meinung nach auch die Zunahme großer und ernstzunehmender Proteste.


Reformen erwünscht

"Zudem ist unter Chinesen inzwischen die Ansicht verbreitet, das Land brauche eine politische Reform", erklärte der Professor. "Doch einen solchen Schritt werden wir in naher Zukunft nicht erleben. Erst muss er intern diskutiert und dann durchgesetzt werden."

Der HRW-Bericht listet eine Vielzahl von Empfehlungen für die Regierung in Peking auf. Dazu zählt die Einrichtung einer NHRAP-Überprüfungskommission. Auch soll der Aktionsplan um feste Ziel- und Zeitvorgaben erweitert werden, um Fortschritte im Bereich der Menschenrechte zu fördern.

Angesichts der immer enger werdenden Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und den anderen Ländern der Welt sollte die internationale Gemeinschaft nach Ansicht von Phelim Kine in Sachen Menschenrechte eine kompromisslosere Haltung einnehmen. Bisher werde das Thema nur einmal im Jahr bei bilateralen Gesprächen angeschnitten. Das sei unzureichend. Die chinesische UN-Mission war für einen Kommentar zum HRW-Bericht nicht erreichbar. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.hrw.org/node/95392
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=54088

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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2011