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MENSCHENRECHTE/229: Coca-Cola und das Menschenrecht auf Wasser (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 336 - September 2010,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Coca-Cola und das Menschenrecht auf Wasser
In Indien zerstörte der Weltkonzern mit einer Wasserabfüllanlage die Lebensgrundlage der örtlichen Bevölkerung

Von Christel Kohnert


1999 hat der Coca-Cola-Konzern Hindustan Beverages im Dorf Plachimada, im Südwesten Indiens eine Flaschenwasserabfüllanlage gebaut. Um den Wasserbedarf zu decken, bohrte die Firma 60 bis 65 Brunnen und entnahm täglich etwa 600.000 Liter sauberes Grundwasser. Jeden Tag fuhren schätzungsweise 85 Lastwagen mit 550 bis 600 Getränkekisten vom Firmengelände.

In Indien ist der Markt mit Flaschenwasser ein lukratives Geschäft. 200 Millionen Inder haben keinen ausreichenden Zugang zu sauberem Wasser. Bei der Verfügbarkeit von sauberem Wasser rangiert Indien von 180 Staaten auf Platz 133. 90 Prozent der nationalen Wasserreserven sind durch Industrieabwässer, Düngemittel und Pestizide verseucht.


Grundwasserverlust

Bereits nach sechs Monaten bemerkten die Dorfbewohner ein Absinken des Grundwasserspiegels, ihre Hausbrunnen fielen trocken. Auf den mit Kokosnuss und Bananen bebauten Feldern sowie den Reisplantagen fehlte das Wasser, die Früchte konnten nicht reifen. Durch den Ernteausfall verloren die Dorfbewohner ihre Arbeit als Tagelöhner auf den Plantagen.

Als Reaktion formierte sich der Widerstand der Bevölkerung gegen den Raub des Grundwassers durch den Coca-Cola-Konzern. Um sich gegen den Konzern zu wehren, klagten die Anwohner vor dem Bezirksgericht in Palakkat. Sehr schnell erfuhr die Bewegung internationale Solidarität. Studenten von der Universität Exer fertigten Studien über die Auswirkungen der Wasserentnahme an und stellten sie der Bevölkerung zur Untermauerung ihrer Klage zur Verfügung. Ende 2003 hat das Gericht entschieden und dem Coca-Cola-Konzern verschiedene Auflagen gemacht. Zum einen musste eine Kommission zur Untersuchung der Wasserqualität eingerichtet werden. Zum anderen wurde die Wassermenge, die Coca-Cola täglich fördern durfte, deutlich herabgesetzt.

Im Januar 2004 habe ich als Vertreterin von Brot-für-die-Welt an einer international besetzten Fakt Finding Mission zu den Verletzungen des Menschenrechts auf Wasser in Südindien teilgenommen. Wir besuchten unter anderem die Menschen in Plachimada und bekamen Einblicke in ihren Widerstand gegen die Coca-Cola-Fabrik in ihrem Dorf. Ziel unserer Untersuchungen war, am Beispiel des Raubs von Grundwasser in Plachimada nachzuweisen, wie die indische Regierung ihrer internationalen gesetzlichen Verpflichtung zur Umsetzung des Menschenrechts auf Wasser entsprechend des General Comment No. 15 nachkommt. Unser Abschlussbericht wurde einem Vertreter der Vereinten Nationen mit der Bitte um Weiterleitung und Stellungnahme an die indische Regierung übergeben.

Indien ist Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen und dadurch Mitträger des internationalen Vertrags über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, somit verpflichtet, das Recht auf Wasser als staatliche Daseinsvorsorge zu respektieren, zu schützen und zu gewährleisten.


Coca Cola muss schließen

Aufgrund der Ergebnisse der vom Gericht eingesetzten Kommission zur Untersuchung der Wasserqualität sowie weiterer Gerichtsverfahren kam es 2005 zur endgültigen Schließung der Wasserabfüllanlage in Plachimada. Eine Expertenkommission bescheinigte die Verseuchung des Grundwassers, die Belastung der landwirtschaftlichen Flächen durch industrielle Abfälle und den Verlust der Landbevölkerung in ihrem Recht auf Wasser, Einkommen und Lebensqualität.


Ein Menschenrecht

Ende Juli 2010 haben die Vereinten Nationen das Recht auf sauberes Wasser als ein Menschenrecht anerkannt. Die UNO-Vollversammlung verabschiedete eine entsprechende von Bolivien vorgelegte und von 33 weiteren Staaten unterstützte Resolution mit 122 zu null Stimmen. Allerdings enthielten sich 41 Länder der Stimme, darunter die Vereinigten Staaten und einige andere westliche Länder. Zustimmung kam unter anderem aus Deutschland, Belgien, Italien, Spanien und Norwegen. In der Resolution äußerte sich die Vollversammlung besorgt darüber, dass geschätzte 884 Millionen Menschen weltweit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Mehr als 2,6 Milliarden haben keinen Zugang zu sanitären Anlagen. Der Anspruch auf sauberes Wasser ist völkerrechtlich nicht verbindlich.


Entschädigung dringend nötig

Der Bundesstaat Karala fordert von der Coca-Cola-Company eine Entschädigung in Höhe von 35 Millionen Euro (2,16 Mill. Rupien) als Wiedergutmachung für die von 1999 bis 2004 in Plachimada entstandene Wasserverschmutzung, den Verlust der Einkommensquelle der Landwirte und Gesundheitsschäden der Bevölkerung. Die von der UN-Generalversammlung verabschiedete Resolution für das Grundrecht auf Wasser bedeutet für die Menschen in Plachimada im Bundesstaat Kerala eine große Unterstützung in ihrem Kampf um Entschädigung gegenüber dem Coca-Cola-Konzern Hindustan Beverages.

Die Forderung des Bundesstaates Kerala gegenüber dem Coca-Cola-Konzern auf Entschädigung der Bevölkerung ist das Gebot staatlicher Daseinsfürsorge, um den betroffenen Menschen in Plachimada zu ihrem Recht auf Wasser zum Leben Geltung zu verschaffen.


Christel Kohnert ist Mitarbeiterin des Diakonischen Werks Schleswig. Sie ist eine Mitinitiatorin des Dialogs zwischen Nord und Süd - initiiert von Brot-für-die-Welt und AbL in der Kampagne "Niemand isst für sich allein"


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 336 - September 2010, S. 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Januar 2011