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MENSCHENRECHTE/251: Taiwan - Revision des ersten Menschenrechtsberichts (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. März 2013

Taiwan: Revision des ersten Menschenrechtsberichts - Unabhängige Experten ersetzen UN

von Dennis Engbarth



Taipeh, 8. März (IPS) - Der jüngsten Revision des taiwanischen Menschenrechtsberichts durch unabhängige Experten kommt Modellcharakter zu. So wurde zehn international anerkannten Menschenrechtlern erstmals erlaubt, sich ein Bild davon zu machen, ob sich ein Staat an globale Menschenrechtsstandards hält.

Die Überprüfung fand vom 25. Februar bis zum 1. März auf der Grundlage des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) sowie des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR) statt. Die Übereinkommen waren bereits vom Parlament des südostasiatischen Inselstaates gebilligt und von Präsident Ma Ying-jeou im März 2009 ratifiziert worden.

Seit dem Ausschluss Taiwans aus den Vereinten Nationen im Oktober 1971 kann das südostasiatische Land seine ratifizierten Verträge nicht mehr im UN-Sekretariat hinterlegen. Stattdessen werden sie durch ein im Dezember 2009 in Kraft getretenes Gesetz direkt in nationales Recht überführt. Im Einklang mit diesem Gesetz hat die Kuomintang-Regierung die gesetzlichen Bestimmungen für die Umsetzung der internationalen Abkommen revidiert und den ersten offiziellen Menschenrechtsbericht verfasst, der im April 2012 veröffentlicht wurde.

Da Taiwan den Report nicht den beiden zuständigen UN-Kommissionen zur Begutachtung zuleiten konnte, akzeptierte der Präsidiale Menschenrechtsrat PHRAC einen Vorschlag zivilgesellschaftlicher Organisationen und lud zehn prominente Menschenrechtsexperten zur Bewertung des nationalen Reports ein.

Manfred Nowak, Rechtswissenschaftler an der Universität Wien und früherer UN-Sonderberichterstatter über Folter, leitete die Überprüfung. Eibe Riedel, Vorsitzender des Kuratoriums des Deutschen Instituts für Menschenrechte und ehemaliger Vizevorsitzender des UN-Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, saß der fünfköpfigen Untergruppe des ICESCR vor.

Bis zur Überprüfung hatten PHRAC und das taiwanische Justizministerium, das als Revisionssekretariat fungierte, den vorläufigen Bericht ins Englische übersetzt und Fragen von Seiten der internationalen Experten zu den beiden Menschenrechtsabkommen beantwortet.

Im gleichen Zeitraum verfasste 'Covenants Watch', eine Koalition aus Nichtregierungsorganisationen (NGOs), einen Schattenbericht, übersetzte die überarbeitete Vision ins Englische und koordinierte die alternativen Antworten taiwanischer NGOs auf den Fragenkatalog der internationalen Prüfer.

Nach ihrer Ankunft in Taipeh am 24. Februar trafen sich die Experten mit Vertretern der taiwanischen Behörden und mit lokalen NGOs. Am 28. Februar verfassten sie ihre abschließende Bewertung und gaben die Ergebnisse am 1. März bekannt.

"Es ist einzigartig, dass ein Nicht-UN-Mitglied willens gewesen war, die zwei wichtigsten internationalen Menschenrechtsabkommen zu ratifizieren und anzuerkennen, sie in nationales Recht zu überführen und eine Begutachtung durch unabhängige internationale Experten zuzulassen", erklärte Nowak. "Wir fragen uns, ob diese Verfahrensweise zum Modell für Überprüfungen in anderen Ländern werden kann", fügte Theo von Boven, ebenfalls ein ehemaliger UN-Sonderberichterstatter über Folter, hinzu.


40 Empfehlungen ausgegeben

Am 1. März unterbreiteten Nowak und Riedel mehr als 40 konkrete Empfehlungen. Unter anderem rieten sie der Regierung in Taipeh zur Einsetzung einer unabhängigen nationalen Menschenrechtskommission und zur Ratifizierung weiterer UN-Menschenrechtsverträge. Darüber hinaus sollten Richter, Staatsanwälte, Polizisten sowie Gefängnisverwalter in der Umsetzung der Abkommen fortgebildet werden.

Gefordert wurde außerdem ein Moratorium für die Vollstreckung von Todesurteilen und einen Stopp von Zwangsräumungen, solange den Betroffenen keine Alternativen in Aussicht gestellt wird. Nowak zufolge ist die Todesstrafe das größte Menschenrechtsproblem Taiwans. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://untreaty.un.org/cod/avl/ha/iccpr/iccpr.html
http://www2.ohchr.org/english/bodies/cescr/
http://www.humanrights.moj.gov.tw/ct.asp?xItem=285671&ctNode=33255&mp=205
http://www.humanrights.moj.gov.tw/public/Data/335164448594.pdf
http://www.ipsnews.net/2013/03/civil-society-members-replace-un-in-taiwan-review/

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IPS-Tagesdienst vom 8. März 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. März 2013