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MENSCHENRECHTE/296: Asien/Pazifik - Schlechte Zeiten für Menschenrechte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Februar 2015

Asien/Pazifik: Schlechte Zeiten für Menschenrechte

von Kanya D'Almeida


Bild: © Kajul Hazra/IPS

Auseinandersetzung zwischen Polizei und Demonstranten am 4. Mai 2013 in der bangladeschischen Hauptstadt Dhaka
Bild: © Kajul Hazra/IPS

New York, 27. Februar (IPS) - Im asiatisch-pazifischen Raum leben derzeit vier Milliarden Menschen - zwei Drittel der Weltbevölkerung. Angesichts eines zunehmenden Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums, schwindender Ressourcen, verbreiteter Armut und gravierender Ungleichheit darf sich die Region auf schwierige Zeiten gefasst machen.

Doch was bedeuten diese Entwicklungen für diejenigen, die sich für die Einhaltung elementarer Rechte und für eine faire Verteilung von Reichtum und Wohlstand einsetzen?

Nichts Gutes, sollten sich die Entwicklungen, die die Menschenrechtsorganisation 'Amnesty International' in ihrem neuen Jahresbericht über die Situation in der Wiege einer der ältesten Zivilisationen der Welt feststellt, fortsetzen.

Der jüngst veröffentlichte Bericht 'The State of the World's Human Rights' bescheinigt der Weltregion eine Zunahme von Medienfeindlichkeit und Repression im Umgang mit Aktivisten und zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie einen bestürzenden Anstieg der Gewalt zwischen ethnischen und religiösen Minderheiten und gegen Frauen und Mädchen.

Die Präsenz bewaffneter Gruppen und die anhaltenden Konflikte in Ländern wie Myanmar, Thailand und Pakistan - und dort insbesondere in den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA) - hinderten Millionen Menschen daran, ein normales Leben zu führen, heißt es in der Untersuchung.


Riesige Fluchtbewegungen

Ein hoher Anteil der regionalen Bevölkerung ist auf der Flucht. Laut dem UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) halten sich 3,5 Millionen Menschen unfreiwillig fern der Heimat auf, 1,9 Millionen leben als Vertriebene im eigenen Land. Weitere 1,4 Millionen sind staatenlos, wobei sich die Mehrheit von ihnen in Afghanistan und Myanmar befinden.

Dem UNHCR zufolge drohen diesen heimat- und staatenlosen Menschen Gefahren wie sexuelle Gewalt, Zwangsarbeit und andere Formen des Missbrauchs und der Ausbeutung.

In vielen asiatischen Staaten sind religiöse Minderheiten Zielscheibe von Verfolgung und Gewalt. So erlauben in Pakistan die Blasphemiegesetze die fortgesetzte Verfolgung schiitischer Muslime, Ahmadi und Christen, während in Myanmar und in Sri Lanka die Übergriffe auf Muslime durch gewaltbereite buddhistische Nationalisten weitgehend straffrei ausgehen.

In Tibet wiederum werden die Bemühungen der Menschen, von ihrem Recht auf Versammlungs- und Redefreiheit Gebrauch zu machen und sich politisch organisieren zu dürfen, von China mit eiserner Faust unterbunden. Seit 2009 haben sich auf dem Himalajaplateau 130 Tibeter aus Protest gegen die autoritäre Herrschaft selbst verbrannt.

Trotz der Existenz zahlreicher Übereinkünfte und vieler Protestkundgebungen mit Millionen Menschen reißt die Gewalt gegen Frauen und Mädchen in Asien und dem Pazifik nicht ab, warnt Amnesty. Im sieben Millionen Einwohner zählenden Pazifikinselstaat Papua-Neuguinea erfahren drei Viertel aller Frauen und Mädchen unterschiedliche Formen geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt. Dies wird zum Teil auf die Jahrhunderte alte Praxis der 'Hexenverfolgung' zurückgeführt, die in dem vorwiegend ländlichen Staat nach wie vor verbreitet ist.

In den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres hatte die Unabhängige Menschenrechtskommission Afghanistans 4.154 Fälle von Gewalt gegen Frauen festgestellt. Das Indische Büro für Kriminalstatistik wiederum gibt die Zahl der jährlichen Vergewaltigungen mit fast 25.000 an. In einer weiteren Untersuchung von 'UN Women' aus dem Jahre 2013 hatten 10.000 Männer eingeräumt, körperliche und sexuelle Gewalt gegen ihre Partnerinnen einzusetzen.


Kinderehen

Der UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA) schätzt, dass in Südasien durchschnittlich zwei von fünf Mädchen als Kinderbräute verheiratet werden. Am höchsten ist die Rate in Bangladesch mit 66 Prozent, gefolgt von Indien mit 47 Prozent, Nepal mit 41 Prozent und Afghanistan mit 39 Prozent.

Der Amnesty-Bericht widmet sich den repressiven Reaktionen der Staaten auf bürgerlichen Aktivismus. So war die inhaftierte chinesische Aktivistin Cao Shunli gestorben, nachdem man ihr die medizinische Behandlung in einem Krankenhaus verweigert hatte. In Nordkorea, "wo es offensichtlich keine zivilgesellschaftlichen Organisationen gibt", wurden Journalisten, Politiker und Bürger verfolgt, weil sie sich ausländische Medienbeiträge angesehen oder angehört hatten.

In Thailand wiederum wurden etliche Aktivisten festgenommen und Treffen mit mehr als fünf Personen verboten. In Malaysia wiederum erlebte ein Gesetz zur Niederschlagung von Aufständen aus der Kolonialzeit eine Wiedergeburt, das der Regierung eine Handhabe bietet, gegen unliebsame politische Gegner vorzugehen.

Die Staaten Myanmar und Sri Lanka fahren im Umgang mit Demonstrationen eine Null-Toleranz-Politik. So wurden im letzten Jahr Menschenrechtler und Aktivisten aller Couleur festgenommen, bedroht, angegriffen oder ins Gefängnis gesperrt.

2014 war auch für Journalisten ein schlechtes Jahr. Mehr als 200 wurden festgenommen, ein Dutzend ermordet. Der Amnesty-Bericht kritisiert ferner, dass Folter und andere Formen von Misshandlungen in der Region andauern. Er stellt diesbezüglich besonders China, Nordkorea, die Philippinen und Sri Lanka an den Pranger.

Wie aus einem vorherigen Amnesty-Bericht 'Torture in 2014: 30 Years of Broken Promises' hervorgeht, praktizieren trotz der Existenz der Anti-Folter-Konvention von 1984 immer noch 23 asiatisch-pazifische Staaten diese Form der Menschenrechtsverletzung.

Ob in den berüchtigten nordkoreanischen Arbeitslagern, den australischen Offshore-Haftzentren für Asylsuchende oder in den japanischen Todeszellen, wo die Häftlinge oftmals über Jahrzehnte in Isolationshaft gehalten werden - dem Bericht zufolge gibt es asienweit Hinweise auf Folter und Misshandlungen. So sei Folter in Pakistan ein unter Armee, Geheimdiensten und der Polizei gleichermaßen verbreitetes Übel. Gefangene in Thailand berichten, sie hätten in der Haft Folter und andere Formen von Misshandlung durch Polizei und Militär erlebt.


Todesstrafe

Ferner klagt der Amnesty-Bericht das Festhalten an der Todesstrafe an, die in Pakistan das Leben von 500 Menschen bedrohe. Aber auch in China, Japan und Vietnam kommt es zu Hinrichtungen.

Als vielleicht einzigen positiven Trend bewertet der Bericht eine Zunahme des zivilgesellschaftlichen Engagements junger Leute. Im asiatisch-pazifischen Raum leben 640 Millionen Menschen im Alter von zehn bis 24 Jahren, deren Aufgabe es sein wird, die Freiräume für eine tolerantere und weniger gewalttätige Gesellschaft zu schaffen und zu nutzen. (Ende/IPS/kb/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/02/human-rights-in-asia-and-the-pacific-a-regressive-trend-says-amnesty-international/

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IPS-Tagesdienst vom 27. Februar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2015

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