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MILITÄR/936: Afrika - "Spielfeld für US-Drohnen", Washington weitet offenbar Anti-Terror-Kampf aus (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Oktober 2015

Afrika: "Spielfeld für US-Drohnen" - Washington weitet offenbar Anti-Terror-Kampf aus


Bild: © U.S. Air Force/Paul Ridgeway via Wikimedia Commons

US-Kampfdrohne vom Typ 'Reaper'
Bild: © U.S. Air Force/Paul Ridgeway via Wikimedia Commons

LONDON/BERLIN (IPS) - Obwohl die USA behaupten, in Afrika nur eine geringe Militärpräsenz zu haben, deuten kürzlich durch Whistleblower verbreitete Geheiminformationen des Pentagons auf das Gegenteil hin: Demnach unterhalten die US-Streitkräfte auf dem Kontinent ein breites Operationsnetzwerk und zahlreiche Drohnen-Basen. Dieses Fazit ziehen der kenianische Journalist Anjli Parrin und der nigerianische Rechtsanwalt Modupe Odele in einer Analyse für den Nachrichtendienst 'African Arguments'.

Die Autoren stützen sich auf Dokumente aus einer vom US-Verteidigungsministerium durchgeführten Studie, die am 15. Oktober auf der Investigativplattform 'The Intercept' veröffentlicht wurden. Darin enthaltene Einzelheiten zu Geheimoperationen der US-amerikanischen 'Task Force 48-4' im Zeitraum 2011 bis 2013 zeigten, dass Washington seinen 'Schattenkrieg' gegen den Terrorismus in Afrika ausweite, schreiben sie.


Drohnen-Basen in mindestens zehn Ländern Afrikas vermutet

Wie die 'New York Times' im vergangenen Jahr berichtete, seien unter dem Dach des US-Afrika-Kommandos AFRICOM etwa 5.000 bis 8.000 US-Soldaten auf dem Kontinent stationiert. Auf Nachfrage von 'The Intercept' konnte AFRICOM allerdings keine Angaben zur genauen Zahl der Militäroperationen und zu den Einsatzgebieten machen. Medienberichte und öffentlich gewordene Geheimakten ließen jedoch darauf schließen, dass die USA mindestens 14 Basen für Drohnen in zehn afrikanischen Staaten unterhielten, geht aus der Analyse hervor.

AFRICOM hat seinen Sitz seit 2008 in Stuttgart und koordiniert somit auch die Drohnenflüge in seinem Einsatzgebiet von Deutschland aus. Zwar behauptet das Kommando, nur einen "kleinen Fußabdruck" in Afrika zu hinterlassen. In den vergangenen Jahren hat es allerdings auch andere Missionen in Ländern wie der Zentralafrikanischen Republik, in Mali sowie zur Verfolgung der Rebellengruppe 'Lord's Resistance Army' im Norden Ugandas und der umliegenden Region unterstützt.

Am 14. Oktober genehmigte US-Präsident Barack Obama zudem die Entsendung von 300 Soldaten, die in Kamerun die islamistische Terrorgruppe Boko Haram bekämpfen sollen. Überdies ist die US-Armee in Afrika an gemeinsamen militärischen Übungen mit Streitkräften aus mehreren anderen Ländern beteiligt. Laut dem US-Journalisten Nick Turse haben die USA auf dem Kontinent allein im vergangenen Jahr 674 Militäroperationen, darunter auch Drohnenangriffe, durchgeführt.


'Camp Lemonnier' in Dschibuti Drehscheibe für Anti-Terror-Einsätze

Die geheimen Einsätze von AFRICOM gegen Terrorverdächtige starten hauptsächlich von der Basis 'Camp Lemonnier' in Dschibuti am Horn von Afrika, dem einzigen offiziellen permanenten US-Stützpunkt in der Region. Wie aus den kürzlich veröffentlichten Dokumenten hervorgeht, waren 2012 in 'Camp Lemonnier' 14 Drohnen sowie 16 Aufklärungs- und Kampfflugzeuge stationiert. Laut einem damals erschienenen Bericht der 'Washington Post' gab es auf dem Stützpunkt täglich 16 Starts und Landungen von Drohnen. Auf der großen Militärbasis 'Chabelley' in Dschibuti waren demnach weitere zehn Drohnen dauerhaft stationiert.

'Camp Lemonnier' sei das "Nervenzentrum" eines großen Netzwerks für länder- und städteübergreifende Einsätze, vor allem in Ostafrika, erklären Parrin und Odele in ihrer Analyse. Nicht nur in Dschibuti, sondern auch andernorts sei eine starke US-Militärpräsenz zu verzeichnen.

In Somalia gibt es laut einem in diesem Jahr vom Magazin 'Foreign Policy' veröffentlichten Bericht mindestens zwei Drohnen-Außenposten - in der Hafenstadt Kismayo und in Baledogle nahe der Hauptstadt Mogadischu. Die Wochenzeitung 'The Nation' fand heraus, dass der US-Geheimdienst CIA einen dritten Stützpunkt in der Nähe des Flughafens von Mogadischu unterhält.

In Kenia gibt es offenbar zwei Militärbasen für solche Einsätze: in Manda Bay auf der Insel Lamu und in der Hauptstadt Nairobi, wo der Großteil der Mitglieder der 'Task Force 48-4' stationiert ist. Den durchgesickerten geheimen Informationen zufolge werden zwei Drohnen vom Typ 'Predator' und 'Reaper' von US-Vertragsfirmen am Außenposten Arba Minch in Äthiopien einsatzbereit gehalten.

Auch in Staaten wie Niger, Burkina Faso, Kamerun, Tschad, Uganda sowie auf den Seychellen und auf Schiffen im Indischen Ozean sollen sich Drohnen-Außenposten befinden. Zudem haben 29 internationale Flughäfen in Afrika mit den USA Abkommen über eine Betankung von US-Militärmaschinen geschlossen.


US-Militär konzentriert sich auf Horn von Afrika

Der Schwerpunkt der US-Militäraktivitäten in Afrika liegt demnach im Umkreis des Horns von Afrika und insbesondere in Somalia, wo die islamistische al-Shabaab-Miliz aktiv ist. Daten, die das 'Bureau of Investigative Journalism' zu Angriffen in Somalia gesammelt hat, legen nahe, dass seit 2007 zwischen 15 und 19 Drohnenangriffe in dem Land ausgeführt worden sind. Dabei sollen bis zu 108 Menschen getötet worden sein. Seit 2001 sollen geheime Missionen im Gang sein. Die jüngste Drohnenattacke fand offenbar am 15. Juli 2015 statt.

Über die Opfer dieser Angriffe in Afrika ist offiziell wenig bekannt. Den durchgesickerten Geheiminformationen zufolge wurde im Januar 2012 Bilal el-Berjawi, ein Brite libanesischer Herkunft, von einer im Geheimen operierenden Spezialeinheit getötet. Sein Name soll auf einer 'Todesliste' der USA gestanden haben. Auf seinen Reisen zwischen London und Somalia sei er mindestens fünf Jahre lang überwacht worden.

In früheren Berichten heißt es, dass die USA bereits 2007 geheime Drohnenangriffe in Somalia durchgeführt hätten. Eine Rakete wurde auf einen Konvoi abgefeuert, in dem sich Aden Hashi Ayro, ein Agent des Terrornetzwerks Al Qaeda befand. Ayro überlebte diese Attacke, wurden aber ein Jahr später bei einem anderen US-Angriff getötet.


Auch afrikanische Regierungen setzen Drohnen ein

Afrika ist laut den Autoren der von 'African Arguments' veröffentlichten Analyse offensichtlich ein "neues Spielfeld für Drohnen" geworden. Auch mehrere afrikanische Staaten setzen demnach immer häufiger die unbemannten Luftfahrtzeuge ein. Im vergangenen Januar wurde beispielsweise eine bewaffnete Drohne chinesischer Bauart in einem Dorf im Nordosten Nigerias gefunden. Möglicherweise war sie von der nigerianischen Armee verwendet worden.

Im Februar hatten die USA den Export militärischer Drohnen in andere Staaten neu reglementiert und dabei betont, dass diese Geschäfte im Einklang mit amerikanischen "Werten und internationalen Standards" sowie dem Völkerrecht stehen müssten. Über Ausfuhren wird weiterhin von Fall zu Fall entschieden. Zugleich ist aber Exporten auf einer breiteren Basis die Tür geöffnet worden.

Solange die Regierungen keine unabhängigen und transparenten Ermittlungen führen, werde über das Ausmaß des US-Drohnenprogramms in Afrika weiterhin wenig bekannt werden, folgern Parrin und Odele. Den Opfern werde somit kaum Gerechtigkeit widerfahren. (Ende/IPS/ck/23.10.2015)


Links:

http://africanarguments.org/2015/10/20/the-few-known-knowns-about-us-drone-policy-in-africa/
http://theintercept.com/drone-papers/target-africa/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 23. Oktober 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Oktober 2015

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