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MILITÄR/969: Neue Publikation - Globaler Militarisierungsindex untersucht Militarisierungstrends (idw)


Bonn International Center for Conversion (BICC) - 19.02.2020

Neue Publikation \ Globaler Militarisierungsindex untersucht Militarisierungstrends in Europa und weltweit


Die Frage der militärischen Investitionen seitens Deutschlands und seiner Partner in EU und NATO spielte auf der gerade beendeten Münchner Sicherheitskonferenz eine große Rolle. Der Globale Militarisierungsindex (GMI) des Bonner Friedens- und Konfliktforschungsinstituts BICC bildet alljährlich das relative Gewicht und die Bedeutung des Militärapparats von Staaten im Verhältnis zur Gesellschaft als Ganzes ab. Der GMI untersucht zudem regionale Trends der Militarisierung - 2019 liegt ein Schwerpunkt dabei auf Osteuropa, europäischen NATO- und EU-Staaten.

Die zehn Staaten, die dem Militär im Verhältnis zu anderen gesellschaftlichen Bereichen besonders viele Ressourcen zur Verfügung stellten, sind im diesjährigen GMI-Ranking Israel, Singapur, Armenien, Zypern, Südkorea, Russland, Griechenland, Jordanien, Weißrussland und Aserbaidschan. Einen regionalen Schwerpunkt des GMI 2019 setzen die Autoren Max Mutschler und Marius Bales auf Europa (Osteuropa / NATO- und EU-Staaten), das allein in den TOP 10 mit sechs Staaten vertreten ist. So unterhält Russland (Platz 6) weiterhin eines der größten Militärs weltweit. Es modernisierte seine Ausstattung und baute seine militärtechnologischen Fähigkeiten in den vergangenen Jahren umfassend aus. Seit 2016 (82,6 Mrd. US-Dollar) sind die russischen Militärausgaben allerdings deutlich auf 64,2 Mrd. US-Dollar 2018 zurückgegangen. Die NATO-Staaten in Europa rüsten wiederum mit Verweis auf anhaltende Spannungen mit Russland weiter auf. Dies gilt insbesondere für die baltischen und osteuropäischen Staaten, die 2018 und 2019 langfristige Rüstungsprogramme in erheblichem Umfang auf den Weg brachten.

"Der Anstieg der Militärausgaben in EU- und NATO-Staaten lässt sich auch auf den von US-Präsident Donald Trump erhöhten Druck auf die NATO-Partner im Streit um die Lastenverteilung innerhalb des Bündnisses (2-Prozent-Ziel bis 2024) zurückführen", erläutern die Autoren Dr. Max Mutschler und Marius Bales. Im Gegensatz zu Norwegen (Platz 32) und Finnland (Platz 17) rangiert Deutschland im GMI 2019 auf Rang 97 und bleibt damit auf seiner Position im Mittelfeld. Die Bundesrepublik nimmt mit 49,5 Milliarden US-Dollar den weltweit achten Platz bei den Militärausgaben ein. "Es ist der starken Wirtschaftskraft des Landes geschuldet, dass der Anteil der deutschen Militärausgaben am BIP lediglich bei 1,2 Prozent liegt", stellen Mutschler und Bales fest. Es sei aber auch in Deutschland künftig von einer weiteren Steigung der Rüstungsausgaben auszugehen: "Im Bundeshaushalt 2020 ist erneut mehr Geld für die Auslandseinsätze der Bundeswehr sowie für die Verpflichtungen im Rahmen der NATO vorgesehen. Rund 10 Milliarden US-Dollar sollen 2020 zur Modernisierung und Neuanschaffung von Waffensystemen wie neuer Transporthubschrauber und Sturmgewehre investiert werden."

Der GMI 2019 analysiert zudem die Trends im Nahen und Mittleren Osten sowie in Asien. Die Länder der erstgenannten Region sind im weltweiten Vergleich durchweg hoch militarisiert. Israel nimmt angesichts der angespannten Sicherheitslage auch 2019 wieder den ersten Platz im weltweiten Ranking ein. Die Liste der höchst militarisierten Länder Asiens wird, wie in den Jahren zuvor, von Singapur (Platz 2) angeführt. In absoluten Zahlen betrachtet investiert China (Platz 94) im regionalen Vergleich am meisten in seine Streitkräfte. Andere Staaten in der Region rüsten mit Verweis auf die verschiedenen Konflikte mit China auf.

Zusammenhänge zwischen Militarisierung und staatlicher Fragilität

Erstmals betrachtet der diesjährige GMI auch den Zusammenhang zwischen Militarisierung und staatlicher Fragilität. Ein Abgleich des GMI mit dem Constellations of State Fragility Projekt des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) etwa weist auf einen Zusammenhang zwischen der besonders niedrigen Militarisierung eines Staates und seiner geringen Fähigkeit hin, zentrale staatliche Dienstleistungen für seine Bürger zu erbringen. "Militarisierung muss man sich leisten können", stellen Mutschler und Bales fest. "So sind es eher ressourcenreiche Staaten (z. B. Russland, die Golf-Staaten) oder solche mit gut funktionierenden Volkswirtschaften (z. B. Israel, Südkorea, Finnland), die größere Mittel in ihr Militär investieren." Bei Staaten hingegen, in denen die Regierungen nicht in der Lage sind, grundlegende staatliche Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen (sprich: low-capacity states), fließen tendenziell auch nicht viele Ressourcen ins Militär. Dies bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass eine möglichst hohe Militarisierung wünschenswert ist. So befinden sich vor allem unter den sehr hoch militarisierten Staaten besonders viele low-legitimacy states, etwa Russland und Weißrussland, Saudi-Arabien, Iran sowie Vietnam und Thailand. "Gerade unfreie bzw. autokratische politische Systeme investieren viel in ihr Militär. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass die autokratischen Eliten ihre Herrschaft nicht selten auf ein starkes Militär stützen, dem sie dann auch entsprechende finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung stellen müssen", formulieren Mutschler und Bales.

Der GMI 2019 umfasst 154 Staaten und basiert auf den aktuellsten vorliegenden Zahlen, in der Regel sind das die Daten des Jahres 2018. Der Index wird durch das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert.


Sie finden den Globalen Militarisierungsindex 2019 des BICC unter:
https://www.bicc.de/uploads/tx_bicctools/BICC_GMI_2019_D.pdf

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution445

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Bonn International Center for Conversion (BICC), 19.02.2020
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2020

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