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REDE/801: Franz Josef Jung - Stellungnahme zu Kundus, Bundestagsdebatte vom 26.11.09 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers für Arbeit und Soziales, Dr. Franz Josef Jung, in der vereinbarten Debatte zu der von Bundesminister Dr. Franz Josef Jung in Aussicht gestellten Erklärung vor dem Deutschen Bundestag am 26. November 2009 in Berlin


Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zu den Vorgängen vom 4. September dieses Jahres in Kunduz und den aktuellen Behauptungen in der Öffentlichkeit nehme ich vor diesem Parlament wie folgt Stellung:

Zunächst einmal will ich deutlich machen, dass es mir bei diesem gesamten Sachverhalt um sachgerechte Aufklärung gegangen ist, die durch die NATO durchgeführt wurde, und auch darum, dass bei einer solch schwierigen Entscheidung unsere Soldaten, die in diesem Einsatz mit Risiko für Leib und Leben unsere Sicherheit gewährleisten, nicht mit Vorverurteilungen alleingelassen werden.

Nachdem erhebliche Vorwürfe in der Öffentlichkeit gegen den Bundeswehroberst Klein vonseiten einiger europäischer Außenminister und anderer erhoben worden sind, habe ich mit Oberst Klein in Kunduz telefoniert und mich über den Sachverhalt aus seiner Sicht unterrichten lassen. Ich habe ihm versichert, dass wir diesen Vorverurteilungen entgegentreten und ihn dabei nicht alleine lassen.

Als am 6. September ein Bericht der Washington Post im Hinblick auf 125 Opfer - darunter auch zivile Opfer - öffentlich geworden ist, habe ich noch einmal mit Oberst Klein in Afghanistan telefoniert, aber auch mit General McChrystal, dem COMISAF. Wir waren übereinstimmend der Auffassung, dass jetzt alles getan werden muss, um den Sachverhalt korrekt aufzuklären und danach gegebenenfalls die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.

Am gleichen Tag, also an diesem 6. September, habe ich auch gegenüber der Öffentlichkeit unterstrichen, dass, wenn es zivile Opfer gegeben hat, wir dies sehr bedauern, und ich habe auch mein Mitgefühl gegenüber den Angehörigen zum Ausdruck gebracht. Ebenfalls habe ich hinzugefügt, dass wir uns in einem solchen Fall um die Angelegenheit kümmern werden.

Mir ist dann ein Bericht über die Vorgänge vom 4. September aus Afghanistan zugegangen, der unterzeichnet worden ist von dem Gouverneur der Provinz Kunduz, dem Polizeichef der Provinz Kunduz, dem NDS-Chef der Provinz Kunduz, dem Provinzratsvorsitzenden der Provinz Kunduz und dem Kommandeur der zweiten ANA-Brigade.

Dieser Bericht enthält unter anderem folgende Formulierungen - ich zitiere -:

"Durch die Explosion wurden 56 bewaffnete Personen getötet und zwölf Personen verletzt. Die Verletzten hatten Verbrennungen und wurden ins Krankenhaus nach Kunduz gebracht, wo ein Verletzter am 4. September 2009 seinen Verletzungen erlag."

Der Bericht geht dann weiter - ich zitiere wiederum wörtlich -:

"Um diesen Vorfall besser zu untersuchen, ist auf Anordnung des Präsidenten der Islamischen Republik Afghanistans eine Untersuchungskommission eingesetzt worden. Dieser Kommission gehören Vertreter des Innenministeriums, des Verteidigungsministeriums, des NDS und ein Vertreter des Präsidenten an."

Ich zitiere weiter:

"Am 5. September 2009 ist die Untersuchungskommission mit einer ISAF-Delegation zusammengetroffen, um ihre Informationen abzugleichen. Nach Gesprächen mit Dorfbewohnern und Augenzeugen wurde bewiesen, dass alle Getöteten zu den Taliban und deren Verbündeten gehören."

Ende des Zitats.

In der Parlamentsdebatte am Dienstag, dem 8. September 2009, habe ich ebenfalls auf diesen Bericht, den ich gerade zitiert habe, hingewiesen, aber dann Weiteres noch hinzugefügt - ich zitiere -:

"Weil es jetzt auch andere Informationen gibt, ist es notwendig und richtig, dass wir alles daransetzen, unseren Beitrag zur sachgerechten Aufklärung zu leisten. Ich sage noch einmal: Wenn es zivile Opfer gegeben hat, fordert dies unsere Anteilnahme und unser Mitgefühl. Wir werden uns auch darum kümmern, dass die Situation vor Ort geregelt wird. Das halte ich für einen wichtigen Punkt. Aber um Entscheidungen in dieser Richtung treffen zu können, muss erst das abschließende Untersuchungsergebnis vorliegen."

Ende des Zitats.

Nach den entsprechenden Voruntersuchungen hat am 8. September 2009, also an diesem Tag, der COMISAF die NATO-Untersuchungen eingeleitet und General Sullivan mit der Untersuchung beauftragt. Ich habe sowohl mit dem Generalinspekteur als auch mit Herrn Staatssekretär Dr. Wichert besprochen, dass wir alles tun, um diese Untersuchungen zu unterstützen, ohne allerdings eigene Untersuchungen durchzuführen.

Anfang Oktober, aus meiner Erinnerung am 5. oder 6. Oktober, informierte mich der Generalinspekteur, dass es noch einen Feldjägerbericht gebe. Da allerdings die Untersuchung der NATO entscheidend sei, bitte er um Freigabe, dass wir diesen Bericht der NATO-Untersuchungskommission zuleiten. Für mich war wichtig, dass alle Untersuchungen der NATO zur Kenntnis gegeben werden. Deshalb habe ich auch diese Freigabe erteilt. Konkrete Kenntnis von diesem Bericht habe ich allerdings nicht erhalten.

Am 7. Oktober ist dieser Bericht dann der NATO-Untersuchungskommission übergeben worden. Heute weiß ich, nach Einsichtnahme in die Akten, dass dieser Bericht am 9. September in Masar-i-Scharif zusammengeführt worden ist und dann über das Einsatzführungskommando am 14. September dem Einsatzführungsstab des Bundesverteidigungsministeriums zugeleitet worden ist. Für mich war allerdings entscheidend, dass der Bericht der NATO-Untersuchungskommission hier entsprechend berücksichtigt wird. Dieser Bericht der NATO-Untersuchungskommission ist dann auch nach Amtswechsel im Bundesverteidigungsministerium eingegangen. Dieser NATO-Untersuchungsbericht ist auch der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt worden.

Ich denke, dass aus diesem gesamten Sachverhalt eindeutig hervorgeht, dass ich sowohl die Öffentlichkeit als auch das Parlament korrekt über meinen Kenntnisstand hinsichtlich dieser Vorgänge informiert habe.


*


Quelle:
Bulletin Nr. 119-5 vom 26.11.2009
Rede des Bundesministers für Arbeit und Soziales, Dr. Franz Josef Jung,
in der vereinbarten Debatte zu der von Bundesminister Dr. Franz Josef Jung
in Aussicht gestellten Erklärung vor dem Deutschen Bundestag
am 26. November 2009 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. November 2009