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REDE/821: Dr. Thomas de Maizière zum Haushaltsgesetz 2010, 18. März 2010 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers des Innern, Dr. Thomas de Maizière, zum Haushaltsgesetz 2010 vor dem Deutschen Bundestag am 18. März 2010 in Berlin


Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Das Hohe Haus, die Mitglieder des Haushaltsausschusses, hat sich bei meinen Mitarbeitern und mir für die professionelle Zuarbeit bedankt. Ich will das gerne zurückgeben und mich für die konstruktive und professionelle Beratung dieses Einzelplans sehr herzlich bedanken.

Herr Abgeordneter Danckert, damit hier kein Missverständnis aufkommt: Dazu gehört auch, dass sämtliche Anträge, die die Koalition beschlossen hat, dass sämtliche Beschlüsse vorab mit mir besprochen worden sind.

Richtig ist, dass alle Ressorts eine Kürzungsauflage von zwei Prozent erhalten haben. Wir sind hier ja unter uns: Ich kann Ihnen verraten, dass wir als Exekutive uns auch überlegt haben, wo diese zwei Prozent so einzusparen sind, dass die Aufgabenerfüllung gerade nicht beeinträchtigt wird. Im Bereich des Personalhaushalts der Bundespolizei ist es zum Beispiel so, dass der Abstand zwischen den Soll-Ausgaben und den Ist-Ausgaben der vergangenen Jahre es ermöglicht, die von Ihnen genannte Summe einzusparen, ohne dass eine einzige Stelle gestrichen, ohne dass die öffentliche Sicherheit ein einziges Mal gefährdet und ohne dass die Bundespolizei auch nur im Ansatz in ihrer Aufgabenerfüllung beeinträchtigt wird. Es handelt sich um eine Einsparung von Soll-Ausgaben, die die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet. Deswegen habe ich dem zugestimmt.

Am Schluss meiner Rede werde ich auf einen Punkt zu sprechen kommen, bei dem ich anderer Meinung war. Es geht dabei um den Goldenen Plan Ost, über den wir im Ausschuss auch gesprochen haben.

Herr Danckert, der Haushalt, den wir eingebracht haben, beinhaltete einen Aufwuchs. Manches davon waren auch Einmaleffekte oder Ähnliches. Er beinhaltete auch Verringerungen, da im letzten Jahr Bundestagswahlen waren; das habe ich in der ersten Lesung vorgetragen. Dann hat der Haushaltsausschuss - wie bei allen anderen Ressorts - entschieden, dass zwei Prozent eingespart werden müssen. Dazu kommen noch die Stelleneinsparungen. Wir haben das so verträglich umgesetzt, dass die Aufgabenerfüllung für den gesamten Bereich, für den ich verantwortlich bin, nicht beeinträchtigt wird. Deswegen ist dieser Haushalt für mich eine gute Arbeitsgrundlage.

Erlauben Sie mir, zu einigen Schwerpunktaufgaben der kommenden Jahre, die zwischen der ersten, zweiten und dritten Lesung diskutiert wurden, Anmerkungen zu machen. Ich kann und will dabei aber nicht auf alle Argumente, die hier vorgetragen wurden, eingehen. Zunächst möchte ich die Evaluierung der Sicherheitsbehörden erwähnen; das hat auch ein bisschen mit dem, worüber Sie gesprochen haben, zu tun. Der Bundesfinanzminister und ich werden zunächst die Sicherheitsbehörden des Bundes evaluieren. Dazu gehören die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, der Zoll sowie die Lage auf Flughäfen, Bahnhöfen und Häfen. Wir wollen Doppelarbeiten vermeiden. Wir wollen die Zusammenarbeit verbessern. Wir wollen Redundanzen vermeiden, damit die Arbeit besser wird und gegebenenfalls das eine oder andere effektiver geleistet werden kann.

Die Bundesregierung wird sich in diesem Prozess von Experten beraten lassen. Es handelt sich dabei um folgende Herren: Vorsitzender wird der ehemalige Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Herr Werthebach. Zu den weiteren Mitgliedern zählen der ehemalige Staatssekretär im Innenministerium von Nordrhein-Westfalen Wolfgang Riotte, der ehemalige Präsident des Bundeskriminalamts Dr. Ulrich Kersten, der ehemalige Generalbundesanwalt Kay Nehm, außerdem Professor Dr. Rolf Ritsert von der Deutschen Hochschule der Polizei sowie der in einigen Wochen in den Ruhestand tretende Präsident des Zollkriminalamts, Karl-Heinz Matthias. Ich bedanke mich bei allen, die bei dieser Arbeit mitmachen.

Ich werde sie bitten, bis zum Herbst Vorschläge vorzulegen. Daraus werden wir dann unsere Schlussfolgerungen ziehen und sie gemeinsam beraten.

Zum Digitalfunk ist viel gesagt worden. Ich teile alle Auffassungen, die hier vorgetragen wurden. Er ist spät eingeführt worden. Die Einführung wurde durch Bund und Länder sowie durch den Parforceritt meines Vorvorgängers auf komische Weise vorangebracht.

Wir sind jetzt gemeinsam dabei, es auf die richtige Schiene zu setzen. Wir brauchen eine konstruktive und kritische Begleitung dieses Projekts, einschließlich eines externen Controllings. Ich finde es sehr gut, dass wir das machen, und hoffe, dass wir auf diese Weise vorankommen.

Ich möchte einen weiteren Punkt vortragen, nämlich den Abschluss der Tarifverhandlungen, den Sie alle mitverfolgt haben. Es wurde eine Tariferhöhung um 1,2 Prozent in diesem Jahr und um 1,1 Prozent im nächsten Jahr beschlossen. Zusammen mit einer Einmalzahlung führt das für die Beschäftigten zu einer Einkommenssteigerung in der Größenordnung von 2,7 Prozent über eine Laufzeit von 26 Monaten. Linear sind es 2,3 Prozent.

Ich halte diesen Tarifabschluss für verantwortbar, für auskömmlich und im Lichte dessen, was in der Privatwirtschaft verabredet worden ist, auch für gut. Deswegen wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegen, der diesen Tarifabschluss inhaltsgleich und zeitgleich auf die Beamten, Richter, Soldaten und Versorgungsempfänger überträgt, allerdings unter Beachtung der bisher beschlossenen beamtenrechtlichen Regelungen. Das bezieht sich etwa auf die Abschläge im Versorgungsausgleich und Ähnliches. Wir werden den Gesetzentwurf schnellstmöglich einbringen. Ich glaube, die Angestellten und die Beamten sollten in dieser Frage gleichbehandelt werden.

Die Einführung des neuen Personalausweises - das hat Herr Toncar zu Recht festgestellt - steht im Gesetz. Darin wird auch ein Datum genannt. Ich werde mich als Bundesinnenminister an das Gesetz halten und den neuen Personalausweis zum 1. November dieses Jahres einführen.

Von der Deutschen Islam-Konferenz war bisher noch nicht die Rede. Ich glaube, Sie haben Anspruch darauf, dass ich etwas dazu sage. Ich möchte die Islam-Konferenz, die mein Vorgänger begonnen hat, fortsetzen. Sie hatte mit der ersten Phase insoweit einen gewissen Abschluss gefunden, als man sich auf gemeinsame Erklärungen, Bekenntnisse und eine Grundlage des weiteren Dialogs verständigt hat. Deswegen ist mein Ziel in der zweiten Phase der Deutschen Islam-Konferenz, unter Wahrung und Beachtung der dort gemeinsam erarbeiteten Grundlagen die Arbeiten konkreter und praktischer zu machen. Deswegen wird auch die Teilnahme kommunaler Vertreter und von Ländervertretern ausgeweitet.

Ich bin insbesondere den Einzelpersönlichkeiten dankbar, die bisher an der Deutschen Islam-Konferenz beteiligt waren, dass sie auch weiter zur Verfügung stehen. Genauso dankbar bin ich, dass wir neue Persönlichkeiten gefunden haben, die in diesem Dialog das ganze vorhandene Spektrum von den sogenannten islamkritischen Vertretern bis hin zu anderen abdecken, sodass wir einen repräsentativen Querschnitt der Debatte haben, auch was die Einzelpersönlichkeiten angeht.

Ich habe auch den bisher vertretenen Verbänden bis auf eine Ausnahme die Mitarbeit angeboten. Den besagten Verband habe ich nicht etwa, wie es zum Teil gesagt worden ist, von einer weiteren Mitarbeit ausgeschlossen; vielmehr bin ich, solange erhebliche, schwerwiegende strafrechtliche Ermittlungen gegen einen dieser Verbände durchgeführt werden, die keine einzelnen Mitglieder, sondern die Arbeit des Verbandes im Kern betreffen, nicht bereit, mich mit Vertretern solcher Verbände an einen Dialogtisch zu setzen. Das heißt aber nicht, dass die Tür geschlossen wird: Sie bleibt offen. Ich hoffe sehr, dass wir zu einer konstruktiven und guten Fortsetzung der Deutschen Islam-Konferenz kommen.

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zum Sport. Ich habe gesagt, dass ich die Maßnahmen, die zur Kürzung des Regierungsentwurfs geführt haben, die die Koalition beschlossen hat, in allen Punkten teile, mit einer kleinen Ausnahme, dem Goldenen Plan Ost. Dabei geht es nicht um die Summe - im Kern sind es zwei Millionen Euro, um die gestritten wird -, sondern ich bedauere in der Tat die damit verbundene Symbolik. Allerdings möchte ich eines hinzufügen, Herr Danckert, und diejenigen, die aus westdeutschen Wahlkreisen kommen, mögen mir das verzeihen: Nach wie vor ist - das haben auch die Ergebnisse von Vancouver gezeigt -, repräsentativ gesehen, der Anteil der erfolgreichen ostdeutschen Sportler deutlich höher als der der westdeutschen. Das ist auch ein Reflex der Spitzensportförderung, die wir betreiben, die sich auch infrastrukturell weit überproportional stärker in den ostdeutschen Ländern als in den westdeutschen auswirkt. Auch das gehört zur Wahrheit der Spitzensportförderung dieser Bundesregierung.

Wir haben in Vancouver großartige Sportlerinnen und Sportler erlebt. Wir erleben im Moment - wie soll ich sagen? - fast noch großartigere Sportlerinnen und Sportler mit körperlicher Behinderung, die das Beste leisten, was man sich überhaupt nur vorstellen kann. Das ist - Herr Herrmann hat es schon gesagt - die beste Werbung für die Bewerbung um die Olympischen Spiele in München.

Ich sage Ihnen Folgendes - das habe ich auch schon im Ausschuss gesagt -: Wenn das irgendeine Ski-WM - die Garmischer mögen mir verzeihen - in irgendeinem Jahr gewesen wäre, hätte ich gesagt: Sie brauchen kein Geld für ein Kulturprogramm. Es gibt viele Weltmeisterschaften in Deutschland. Auch bei der Frauenfußball-Weltmeisterschaft in unserem Land haben wir, die Bundesregierung und der DFB, auf ein Kulturprogramm verzichtet. Aber die Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen findet im Winter 2011 statt. Im Sommer 2011 entscheidet das Olympische Komitee, ob die Olympischen Winterspiele 2018 in München, Garmisch-Partenkirchen und Umgebung stattfinden. Deswegen, ich sage: und nur deswegen, weil die Veranstaltung exakt dort stattfindet, wo wir uns um die Olympischen Spiele bewerben, sind in diesem Fall diese Mittel gerechtfertigt und gut, begründen aber keinen Anspruch darauf, dass in Zukunft auch alle anderen Weltmeisterschaften teure Kulturprogramme bekommen.

Ich wünsche mir, dass es uns bei allem innenpolitischen Streit, den wir haben - da wende ich mich insbesondere auch an die Grünen -, auf Regionalebene, nicht auf Bundesebene, gelingt, in einer erstklassigen Weise professionell, finanziell und in der Art, wie wir uns um diese Olympischen Spiele bewerben, alles daranzusetzen, was vertretbar ist, um im Juli 2011 die Nachricht entgegennehmen können: Die Olympischen Spiele 2018 finden in Deutschland, in München, Garmisch-Partenkirchen und Umgebung, statt. Das wünsche ich mir. Im Übrigen wünsche ich mir bei allem Streit, dass wir in diesem Haus in dieser Frage einen Konsens erzielen.

Ich bitte herzlich um Zustimmung zum Einzelplan 06.

Ich finde es falsch, Herr Barthle, einen Zusammenhang zwischen der Kürzung der Mittel für den Goldenen Plan Ost und den Mitteln für die Ski-WM herzustellen. Einen solchen Zusammenhang gibt es nicht. Ich habe ausdrücklich begründet, dass ich das eine nicht schön und das andere trotzdem richtig finde.

Ich füge aber eines hinzu: Der Bund ist nach der verfassungsmäßigen Ordnung - ich sage ganz leise: wenn überhaupt - für die Förderung des Spitzensportes und nicht für die Förderung des Breitensportes zuständig. Die Förderung des Goldenen Plans Ost war aufgrund des Nachholbedarfs und des Erfordernisses des Zusammenwachsens im Sport - ähnlich wie im Kulturbereich - nach 1990 geboten, erforderlich und sinnvoll. Aber man muss fairerweise sagen, dass das nicht ganz der verfassungsmäßigen Ordnung entspricht.

Unsere Bewerbung wird überhaupt nur eine Chance haben, wenn wir auf Nachhaltigkeit setzen. Ein Alleinstellungsmerkmal unserer Bewerbung ist es gerade, dass vorhandene Sportstätten so genutzt werden sollen, wie es noch nie zuvor bei Olympischen Spielen der Fall war; das ist ein Markenzeichen. Wir wollen in München zum Beispiel alles fußläufig machen. Wir können uns bei der Nachhaltigkeit höchstens gegenseitig überbieten. Aber darüber, dass diese Olympischen Spiele nachhaltig sein sollen, kann es keinen innenpolitischen Streit in Deutschland geben.

Da wir uns darin offenbar einig sind, bitte ich Sie alle - bei allem Streit über die öffentliche Sicherheit, den Datenschutz und den Goldenen Plan Ost - herzlich, in dieser Frage an einem Strang zu ziehen.


*


Quelle:
Bulletin Nr. 28-2 vom 18.03.2010
Rede des Bundesministers des Innern, Dr. Thomas de Maizière,
zum Haushaltsgesetz 2010 vor dem Deutschen Bundestag am 18. März 2010 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2010