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REDE/826: Zu Guttenberg zum 51. Jahresbericht 2009 durch den Wehrbeauftragten, 06.05.2010 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, zum 51. Jahresbericht 2009 durch den Wehrbeauftragten vor dem Deutschen Bundestag am 6. Mai 2010 in Berlin:


Frau Präsidentin!

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Lieber Herr Robbe, wenn wir heute über den Bericht des Wehrbeauftragten diskutieren, debattieren wir immer über Verantwortung: über Verantwortung des Dienstherren - von mir -, über Verantwortung dieses Hauses, über Verantwortung von uns allen als Parlamentarier.

Wir machen Dienst in diesen Tagen - so haben Sie auch eingeleitet, Herr Robbe - immer noch unter dem Eindruck der Ereignisse der letzten Wochen. Diese Wochen haben uns überaus traurige Ereignisse beschert, gleichzeitig aber den Begriff "Verantwortung" substanziell unterfüttert.

Ich will an dieser Stelle Ihnen allen, liebe Kolleginnen und Kollegen, danken für die Anteilnahme, die unsere Soldaten und ihre Familien, auch die Verwundeten, die nach Hause zurückgekehrt sind, erfahren haben.

Ich will an dieser Stelle auch sagen: Durch die große Anwesenheit bei den Trauerfeiern hat das Parlament ein wirklich bemerkenswertes, großartiges Bild gezeichnet. An dieser Stelle von meiner Seite herzlichen Dank! Diese Anwesenheit hat die Verbindung zwischen dem Parlament und unseren Soldatinnen und Soldaten in besonderer Weise hervorgehoben; ich glaube, wir können das gar nicht fest genug unterstreichen und darstellen.

Herr Robbe, Sie haben auch diese bitteren Realitäten in Ihrem Jahresbericht klar dargestellt. Sie haben damit auf Realitäten hingewiesen, die der Diskussion und der Debatte in der Öffentlichkeit bedürfen, auch der kontroversen Debatte. Vor allem aber kommt es darauf an, dass diese Realitäten endlich in diesem Ausmaß diskutiert werden. Ich glaube, dass damit ein notwendiger Schritt gegangen wurde. Das ist gut.

Der Hinweis auf die Bedeutung von Solidarität mit unseren Soldaten und Unterstützung unserer Soldaten kam von allen Rednern. Ich kann dem von meiner Seite nur flankierend zur Seite stehen, indem ich sage: Das entspricht auch der Erfahrung, die ich mache, wenn ich unsere Soldaten besuche. Unsere Soldatinnen und Soldaten sagen: Wir haben Verständnis für die politische Debatte, die über Sinn und Unsinn eines Einsatzes geführt wird. Wir wünschen uns allerdings mehr Anerkennung und Unterstützung von zu Hause, aus der Gesellschaft heraus und aus dem Parlament heraus. - Ich glaube, diesem Ansinnen unserer Soldaten kann man nur beipflichten, und man sollte alles tun, um das entsprechend zu unterfüttern.

Der Hinweis auf die Bedeutung der Attraktivität des Dienstes ist berechtigt. Den Dienst attraktiv zu halten, ist eine Daueraufgabe, der wir uns zu unterwerfen haben. Hier sind viele Einzelhinweise dazu gegeben worden, und hier ist in den letzten Jahren seitens des Wehrbeauftragten und seines Teams viel geleistet worden. Wir haben diese Hinweise aufzugreifen und in die Umsetzung zu bringen. Das muss aber, damit es den Boden und das Fundament bekommt, das wir brauchen, finanziell auch entsprechend unterfüttert werden.

Herr Robbe, Sie scheiden jetzt nach fünf Jahren aus dem Amt des Wehrbeauftragten. Ich darf Ihnen aus meiner Position heraus, aber auch ganz persönlich danken für Ihren Dienst, für Ihr großes Engagement bei der Unterstützung unserer Soldatinnen und Soldaten - gerade derer, die sich im Einsatz befinden - durch das Beschreiben der Einsatzrealitäten. Die ständige Präsenz - gerade die unangemeldete; das ist schon gesagt worden -, die Sie gezeigt haben, ist etwas, was zum Verständnis von dem Amt des Wehrbeauftragten gehören muss: die notwendige Unbequemlichkeit, gerade gegenüber der Spitze eines Hauses. Ich habe das gottlob von Ihnen erfahren, aber gleichzeitig eben auch vertrauensvoll und eng mit Ihnen zusammenarbeiten dürfen. Ich darf Ihnen auch von meiner Seite aus sagen: Herzlichen Dank für die Arbeit der letzten Jahre. Sie haben exzellente Arbeit geleistet. Danke hierfür! Das darf man auch sagen, wenn man bei der einen oder anderen Frage quer liegt; auch das gehört dazu.

Ich darf Ihnen, lieber Herr Königshaus, zurufen, dass ich mich auf die künftige Zusammenarbeit aufrichtig freue. Sie haben in den letzten Wochen an der einen oder anderen Stelle erfahren dürfen, was mit dem Amt des Wehrbeauftragten und mit den Themen, mit denen wir uns befassen, unter anderem einhergeht, nämlich harte, teilweise überharte Kritik. Zu nahezu jedem Themenkomplex, nahezu jedem Aspekt gibt es - auch aus meinem Hause - unterschiedliche begründete Meinungen. Mit einer solchen Kritik wird man im Zweifel umgehen müssen, und mit der werden wir gemeinsam umgehen können; daran habe ich keinen Zweifel. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und wünsche Ihnen eine glückliche Hand und Gottes Segen für Ihre künftigen Aufgaben.

Ich will noch einmal das aufgreifen, was den Bericht des Wehrbeauftragten auch in der öffentlichen Wahrnehmung im Wesentlichen prägt. Das ist der Hinweis auf Defizite. Ich freue mich natürlich, wenn an der einen oder anderen Stelle auch die Dinge genannt werden, die positiv laufen und einen guten Eindruck von der Bundeswehr vermitteln. Aber es ist geboten und richtig, die Defizite darzustellen, sie klar, deutlich und ungeschminkt zu benennen. Anders kann man keine Abhilfe schaffen. Verfehlungen gegen den Geist der Inneren Führung wurden benannt. Diesen ist nachzugehen - das steht außer Frage -, und zwar unmittelbar. Die notwendigen Folgerungen sind zu ziehen. Ich habe das unter den Dreiklang gefasst: nachgehen, abstellen und Konsequenzen ziehen. Natürlich, lieber Kollege Schäfer, kann und darf das niemals business as usual sein, mit dem man den Dingen begegnet. Jedem Einzelfall muss entsprechend begegnet werden, wobei ich auch betonen darf - auch Herr Robbe hat diesen Hinweis immer wieder gegeben -, dass es sich um Einzelfälle handelt. Jeder Fall ist einer zu viel, aber der Großteil, die überwältigende Mehrheit unserer Soldatinnen und Soldaten leistet einen erstklassigen Dienst. Man sollte sie nicht über einen Kamm scheren - das haben Sie auch nicht gemacht -, und so einen Eindruck sollte man auch nicht nach außen vermitteln.

Die Kritik an Ausrüstung und Ausbildung begleitet uns in diesen Tagen und schon seit Monaten, seit Jahren. Durch die intensive öffentliche Debatte wurde und wird sie aufgegriffen. Ich bin für diese Hinweise überaus dankbar. Einiges ist bereits erreicht, einiges muss definitiv noch erreicht werden. Absoluten Schutz wird es nie geben können. Es wird immer ein Prozess der Optimierung sein, in den man sich hineinbegeben muss. Ich bin umso dankbarer, wenn man auch die finanzielle Unterstützung seitens des Parlaments bekommt, wenn von unseren Soldaten zu Recht Wünsche an uns herangetragen werden.

Der Aspekt Ausbildung, gerade auch Ausbildung an Fahrzeugen, wurde von einigen genannt. Wir werden in diesem Jahr knapp 200 neue geschützte Fahrzeuge zur Verfügung stellen mit der Maßgabe und mit meiner Weisung, dass sie auch und gerade zur Ausbildung zur Verfügung gestellt werden, und zwar nicht erst zur Ausbildung im Einsatz, sondern bereits zur Ausbildung in unserem Lande. Ich glaube, das ist wichtig. Das ist ein Prozess, der jetzt angegangen wurde und den der Generalinspekteur entsprechend einplant. Der berechtigte Hinweis auf die Mängel in den Strukturen wurde gegeben. Die Strukturen müssen die Einsatzrealitäten dieser Tage abbilden. Daher wurde die Strukturkommission eingesetzt, von der ich mir, wie es gesagt wurde, einiges erwarte, ohne dass Tabus in irgendeiner Form aufgestellt werden. Diese Strukturkommission wird zum Ende des Jahres ihre Vorschläge vorlegen. Die Finanzausstattung wurde genannt.

Ich möchte mit einem Punkt schließen, der mir ein Herzensanliegen ist und den Herr Robbe, Frau Hoff und viele andere bereits seit Jahren thematisieren. Das ist die seelische Verfassung unserer Soldaten, gerade jener, die aus dem Einsatz kommen, und besonders jener, die bedrückende Erlebnisse hatten. Hier muss das Optimum an Versorgung vorgehalten werden. Auch hier bin ich für die Hinweise jener, die sich damit befassen - gerade von Ihnen, Herr Robbe; hier baue ich weiter auf Ihre Impulse -, außerordentlich dankbar. Von den Erfahrungswerten anderer kann man gelegentlich lernen, aber hier müssen wir unseren Soldaten das Beste bieten. Erste Schritte sind gegangen, aber hier müssen wir noch drauflegen. Ich freue mich über die Unterstützung des gesamten Hauses. Es wurde ja bereits angekündigt, sich parteiübergreifend finanziell entsprechend einbringen zu wollen.

Das geht Hand in Hand mit der Sanität. Im Bereich der Sanität sehen wir Probleme. Der Ärztemangel - das ist übrigens ein gesellschaftliches Problem, Herr Schnurr, um das einmal aufzugreifen; das haben wir nicht nur bei uns - ist ein Problem. Dieses Problem muss zeitnah gelöst werden.

Frau Präsidentin, ich nehme Ihr Signal wahr. Ich danke Ihnen noch einmal für Ihren Dank an unsere Soldaten. Sie haben es wahrlich verdient.


*


Quelle:
Bulletin Nr. 49-3 vom 06.05.2010
Rede des Bundesministers der Verteidigung,
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg,
zum 51. Jahresbericht 2009 durch den Wehrbeauftragten
vor dem Deutschen Bundestag am 6. Mai 2010 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2010