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REDE/861: zu Guttenberg - Änderung wehrrechtlicher Vorschriften 2011, 15.12.10 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wehrrechtlicher Vorschriften 2011 und zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes vor dem Deutschen Bundestag am 15. Dezember 2010 in Berlin:


Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Bundesregierung hat heute die Eckpunkte zur Neuausrichtung der Bundeswehr und als ersten Schritt zu deren Umsetzung den Entwurf eines Gesetzes zur Aussetzung des Grundwehrdienstes und zur Einführung des freiwilligen Wehrdienstes beschlossen. Ich darf an dieser Stelle vielen von Ihnen für zahlreiche Impulse und hilfreiche Hinweise, die aus den Facharbeitsgruppen aller Fraktionen gekommen sind, danken.

Mit den heute verabschiedeten Eckpunkten bekräftigen wir unsere Absicht, die Bundeswehr als leistungsfähiges Instrument unserer Sicherheitspolitik zu stärken und sie konsequent auf die heutigen und absehbaren Herausforderungen auszurichten.

Mit den beschlossenen Eckpunkten decken wir vier entscheidende Bereiche ab.

Wir sorgen zum Ersten dafür, dass die Bundeswehr ihren Auftrag entsprechend den aktuellen und in Zukunft zu erwartenden sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen erfüllen kann.

Wir leiten daraus zum Zweiten den erforderlichen Gesamtumfang der Streitkräfte ab.

Wir schaffen zum Dritten eine Wehrform, die unter Berücksichtigung der aktuellen sicherheitspolitischen Lage eine angemessene Abwägung zwischen Freiheit und bürgerschaftlicher Verantwortung darstellt und dabei zumindest konzeptionell nicht auf eine Rekonstitutionsfähigkeit verzichtet.

Wir stärken zum Vierten insgesamt die Kosteneffizienz und den verantwortlichen Umgang mit knappen Ressourcen.

Es ist deshalb folgerichtig, dass wir zeitgleich mit den Eckpunkten eine Gesetzesnovelle zum Wehrpflichtgesetz auf den Weg bringen. Die Pflicht zum Grundwehrdienst wird zum 1. Juli 2011 ausgesetzt. Anstelle des Grundwehrdienstes tritt ein neuer freiwilliger Wehrdienst von 12 bis 23 Monaten für junge Frauen und junge Männer. Weder die verfassungsrechtliche noch die einfachgesetzliche Grundlage der Wehrpflicht wird gänzlich abgeschafft. Im Kern wird damit die Verpflichtung zum Grundwehrdienst ausgesetzt.

Dies unterstreichen wir zunächst dadurch, dass wir den neuen freiwilligen Wehrdienst im Wehrpflichtgesetz verankern. Auf der Grundlage der bei den Meldebehörden erhobenen Daten werden wir künftig junge Menschen mit Informationsmaterial über einen Freiwilligendienst in der Bundeswehr versorgen. Dies gewährleistet, dass wir möglichst alle potenziellen Interessenten erreichen. So stellen wir sicher, dass diejenigen, die echtes Interesse haben, auch eine ausführliche persönliche Beratung erhalten können. Damit ist zugleich sichergestellt, dass wir junge Frauen und Männer gleichermaßen erreichen. Dieses Verfahren ist datenschutzrechtlich völlig unproblematisch und zudem mit einem vergleichsweise geringen bürokratischen Aufwand verbunden. Diese neue Form einer Datenerfassung tritt an die Stelle der bisherigen Erfassung, die aber im Spannungs- und Verteidigungsfall wie die gesamte Verpflichtung zum Grundwehrdienst wieder aufleben würde.

Im Vorgriff auf die gesetzliche Regelung lässt sich gewährleisten, bereits ab dem 1. März des kommenden Jahres niemanden mehr gegen seinen Willen einzuberufen. Wir haben zu diesem Zeitpunkt zwar noch die gesetzliche Ermächtigung, werden von ihr aber nur insoweit Gebrauch machen, als junge Männer sich damit einverstanden erklären, freiwillig weiterhin Grundwehrdienst leisten zu wollen. Sie können dann bei Interesse und Eignung in den freiwilligen Wehrdienst überführt werden.

Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir genügend Interessenten ansprechen können; denn wir werden den freiwilligen Wehrdienst attraktiv ausgestalten. Den Wehrsoldzuschlag, der bislang für zusätzlichen freiwilligen Wehrdienst Leistende erst ab dem siebten Dienstmonat gezahlt wurde, erhalten die freiwillig Wehrdienst Leistenden künftig von Anfang an. Wir verdeutlichen damit, dass junge Männer und junge Frauen ihren Dienst in der Bundeswehr im Sinne eines staatsbürgerlichen Engagements leisten können, ohne sich gleich berufsmäßig als Soldat auf Zeit verpflichten zu müssen. Hierdurch können wir bewährte Verfahrensregeln, zum Beispiel bezüglich der Personalgewinnung, sowie bestehende rechtliche Vorgaben für den Grundwehrdienst auch für den freiwilligen Wehrdienst für anwendbar erklären. Dies dient nicht zuletzt einer sehr unbürokratischen und schnellen Umsetzung.

In meinen Augen ist es selbstverständlich, dass gesetzgeberische Entscheidungen, gerade wenn mit ihnen neuartige Institutionen wie der freiwillige Wehrdienst verbunden sind, regelmäßig auf ihre Praktikabilität und ihre gesellschaftliche Akzeptanz überprüft werden. Wir haben uns darauf verständigt, bis zum 1. Januar 2013 eine einheitliche Rechtsgrundlage für den freiwilligen Dienst in den Streitkräften zu schaffen. Hier werden Erfahrungen mit dem freiwilligen Wehrdienst entsprechend einfließen.

Wehrform, -umfang, -strukturen, -fähigkeiten und -ausrüstung stehen in einem wechselseitigen Verhältnis. Dies wird deutlich, wenn wir uns mit den Eckpunkten die Konturen der Neuausrichtung vergegenwärtigen. Mit den beschlossenen Eckpunkten kann die Neuausrichtung beginnen, und in den nächsten Monaten werden wir die notwendigen Feinausplanungen dafür leisten.


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Quelle:
Bulletin Nr. 132-2 vom 15.12.2010
Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg,
zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wehrrechtlicher Vorschriften 2011
und zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes
vor dem Deutschen Bundestag am 15. Dezember 2010 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2010