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SICHERHEIT/081: Rückenwind für Atomwaffengegner durch Rot-Kreuz-Bewegung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. Dezember 2011

Abrüstung: Rückenwind für Atomwaffengegner durch Rot-Kreuz-Bewegung

von Neena Bhandari


Sydney, 16. Dezember (IPS/IDN*) - Obwohl Australiens regierende Labor-Partei Anfang Dezember Abschied von ihrer langjährigen Linie nahm, kein Uran an Pakistan und Indien zu liefern, gibt es für die Abrüstungsbewegung dennoch Grund für Freude. So hat sich die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung in einer Resolution dazu verpflichtet, auf ein verbindliches globales Abkommen für atomare Abrüstung hinzuwirken.

Das Australische Rote Kreuz (ARC) hatte sich Anfang des Jahres mit dem japanischen und dem norwegischen Roten Kreuz zusammengetan, um die Resolution auszuarbeiten, die dann am 26. November in Genf verabschiedet wurde. "Uns hat beeindruckt, dass die Resolution von Kollegen in Ländern wie Iran, Jordanien, Libanon, Mosambik, Malaysia und Samoa mitgetragen wurde", berichtet Helen Durham vom ARC.

Hinter der Initiative gegen den Einsatz dieser Massenvernichtungswaffen steht der Rat der Delegierten der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, dem Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) und der 187 nationalen Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften angehören. Sie forderten die Staaten in ihrer Resolution auf, "in gutem Glauben und mit Dringlichkeit die Verhandlungen entschlossen voranzubringen und abzuschließen, um ein Einsatzverbot und die Abschaffung von Atomwaffen durch ein rechtsverbindliches internationales Abkommen zu ermöglichen."

Eine Rekordzahl von Staaten hatte sich auf der New Yorker Konferenz zur Überprüfung des Atomaffensperrvertrags (NPT) im Mai 2010 dafür eingesetzt, mit den Vorbereitungen für eine solche Atomwaffenkonvention zu beginnen.

Der Resolution der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung kommt vor allem deshalb eine Schlüsselrolle zu, weil sie Atomwaffen als Mittel der Kriegsführung aufgrund der katastrophalen humanitären, ökologischen und ernährungsrelevanten Folgen jede Legitimität abspricht.


Abschaffung als humanitärer Imperativ

"Es gibt einen rechtlichen und humanitären Imperativ für die Welt, sich auf die atomare Abrüstung zu konzentrieren. Die Verbreitung dieser Waffen in einer zunehmenden Zahl von Ländern und die Gefahr, dass andere Gruppen die Fähigkeit erlangen, diese Kernwaffen einzusetzen, sollten die Welt wachrütteln", meint Durham. "Das Rote Kreuz wird den Regierungen und der internationalen Gemeinschaft als solcher diese Botschaft überbringen."

Am 6. August hatte das ARC die Kampagne 'Make Nuclear Weapons the Target' gestartet, um alle Australier über die Gefahren aufzuklären, die von Kernwaffen ausgehen. Auch wurde die Generation der 'Babyboomer' aufgefordert, das zu Ende zu bringen, was deren Eltern in den 1960er und 1970er Jahren begonnen hatten: die Bemühungen um eine Abschaffung von Atomwaffen. An der via Facebook durchgeführten Kampagne beteiligten sich 565.000 Menschen.

Im Juni hatte das angesehene Stockholmer Friedensforschungsinstitut (SIPRI) in einem Bericht vermerkt: "Mehr als 5.000 Atomwaffen stehen zum Einsatz bereit, fast 2.000 inbegriffen, die auf höchste Alarmbereitschaft eingestellt sind". Weltweit existieren mindestens 20.000 Kernwaffen mit einem Zerstörungspotenzial, das dem 150.000-Fachen der Hiroschimabombe entspricht."

"Wenn wir uns auf Abkommen zur Kontrolle von Landminen und Streubomben verständigen konnten, dürfen wir uns nicht scheuen, eine globale Übereinkunft zu erzielen, die diese bösen Waffen für immer ächtet", sagt der ARC-Geschäftsführer Robert Tickner.

Seit 1945 hat die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung kontinuierlich vor diesen Massenvernichtungswaffen gewarnt und deren Abschaffung gefordert. Ihr sind auch die Zusatzprotokolle zu den Genfer Konventionen von 1977 zu verdanken. 194 Staaten einschließlich Australien haben die vier Genfer Konventionen ratifiziert, die Menschen vor grausamen und unmenschlichen Übergriffen in Kriegssituationen schützen.

Auch wenn Australien selbst keine Atomwaffen besitzt, so steht es unter dem nuklearen Schutzschirm der USA. Darüber hinaus besitzt der fünfte Kontinent fast 40 Prozent aller bekannten Uranvorräte und beliefert 19 Prozent des Weltmarktes. Canberra prognostiziert einen Anstieg der Uranexporte von jährlich 10.000 Tonnen auf 14.000 Tonnen pro Jahr bis 2014. Derzeit exportiert das Land Uran nach China, Japan, Taiwan und in die USA. Einem jüngsten Beschluss der Labour-Partei zufolge wird nun auch Indien von australischem Uran profitieren.

Der Vorstoß von Australiens Ministerpräsidentin Julia Gillard, künftig auch Nichtmitgliedern des Atomwaffensperrvertrags Uran zu liefern, gilt als Rückschlag der Nichtverbreitungsbemühungen. Dazu meinte Australiens Transport- und Infrastrukturminister Anthony Albanese auf dem 46. Parteitag der australischen Labour-Partei in Sydney am 4. Dezember, "dass wir unsere Position nicht ändern sollten, solange wir nicht das Problem der nuklearen Weiterverbreitung und Endlagerung gelöst haben".

Wie Tilman Ruff, Vorsitzender des Australien-Büros der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), betont, ist jedes Land, das Uran anreichern kann, zum Bau von Atombomben fähig. Zudem sei jedes Land mit einem AKW in der Lage, Plutonium zu produzieren, aus dem sich ebenfalls Atomwaffen herstellen ließen. Es ergebe somit keinen Sinn, Atomwaffen abzuschaffen, ohne denjenigen Ländern Auflagen zu machen, die Atomstrom produzierten.


Abkehr von Atomstrom liegt im Trend

Das 'Worldwatch Institute' hat in einer neuen Untersuchung darauf hingewiesen, dass sich Länder aufgrund der hohen Kosten der Atomstromproduktion, der niedrigen Gaspreise, der Sorge um Gesundheit und Sicherheit nach der Reaktorkatstrophe im japanischen Fukushima nach alternativen Energiequellen umsehen.

Obwohl die weltweite installierte Nuklearkapazität im letzten Jahr ein Rekordhoch von 375,5 Gigawatt (GW) erreichte, ist das Stromerzeugungspotenzial in allen existierenden Atomkraftwerken rückläufig. Es sei in diesem Jahr auf 366,5 GW gesunken, heißt es in dem Worldwatch-Bericht 'Vital Signs Online' (VSO).


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www.indepthnews.info/index.php/global-issues/601-red-cross-movement-wants-nukes-abolished

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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2011