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SICHERHEIT/107: Rüstung - Chemiewaffenabkommen und seine Gegner (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Dezember 2012

Rüstung: Chemiewaffenabkommen und seine Gegner - Syrien gehört dazu

von Thalif Deen


Giftgasanschlag vom 16. März 1988 auf Halabja im irakischen Teil Kurdistans - Bild: © Sayeed Janbozorgi/GFDL license

Giftgasanschlag vom 16. März 1988 auf Halabja im irakischen Teil Kurdistans
Bild: © Sayeed Janbozorgi/GFDL license

New York, 5. Dezember (IPS) - Die in Bedrängnis geratene Regierung von Staatspräsident Bashar al-Assad, die angeblich Chemiewaffen gegen die Rebellen in Stellung bringt, gehört zu den drei Nahoststaaten, die sich der Chemiewaffenkonvention (CWC) nicht angeschlossen haben. Auch Ägypten und Israel sind keine CWC-Vertragsstaaten.

Den Vereinten Nationen zufolge sind es insgesamt acht Länder - Angola, Ägypten, Israel, Myanmar (Burma), Nordkorea, Somalia, Südsudan und Syrien -, die sich dem rechtsverbindlichen Verbot widersetzen, CWC-Waffen herzustellen, einzusetzen oder zu verbreiten. Mit ihrem Widerstand verhindern sie, dass die im April 1997 in Kraft getretene Übereinkunft einen universellen Charakter erhält.

Wie John Hart, Wissenschaftler und Leiter des Projekts für chemische und biologische Sicherheit am Internationalen Friedensforschungsinstitut in Stockholm (SIPRI), erklärt, tun sich diese Staaten aus unterschiedlichen Gründen schwer damit, der CWC beizutreten.

Was die nahöstlichen Länder angeht, gibt es Stimmen, die seit Jahren ein regionales Verbot aller Massenvernichtungswaffen (WMDs) einschließlich atomarer, biologischer und chemischer Kampfstoffe fordern. Sie sind deshalb der Meinung, dass alle Staaten der Region dem Atomwaffensperrvertrag beitreten sollten. Solange dies nicht geschehe, ist es ihrer Meinung nach besser, den Beitritt zur CWC zu verzögern.

Diese Argumentationsweise hat in den letzten Jahren jedoch an Rückhalt verloren, nachdem sich einige Nahoststaaten der CWC angeschlossen haben.

US-Präsident Barack Obama zufolge sind Chemiewaffen die rote Linie, die Syrien nicht überschreiten darf. Wie er auf einer Konferenz über die Nichtverbreitung von Atomwaffen am 3. Dezember in Washington erklärte, ist und wäre der Einsatz chemischer Waffen gänzlich inakzeptabel. "Sollten Sie jedoch den tragischen Fehler machen, diese Waffen einzusetzen, werden sie die Konsequenzen zu tragen haben", lautete Obamas Warnung an die Adresse des syrischen Staatspräsidenten.


188 CWC-Vertragsstaaten

Die Chemiewaffenkonvention, deren Umsetzung von der Organisation für das Verbot von chemischen Waffen (OPCW) in Den Haag überwacht wird, zählt derzeit 188 Vertragsstaaten, die mehr als 98 Prozent der Weltbevölkerung und der chemischen Industrie stellen. Im November hatte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon die acht Beitrittsgegner aufgefordert, sich dem Abkommen endlich anzuschließen und der Konvention somit Universalität zu verleihen.

Wie George A. Lopez, Friedensforscher am Kroc-Institut für internationale Friedensstudien an der Universität von Notre Dame, betont, ist der Einsatz von Chemiewaffen ein absolutes Tabu. Selbst die USA und Russland, die die meisten C-Waffen besitzen, seien dieser Meinung. Er erinnerte daran, dass der Einsatz der C-Waffen im Irak-Iran-Krieg durch den irakischen Präsidenten Saddam Hussein die öffentliche Meinung im Westen gegen den Irak aufgebracht hatte. Sollte Assad Chemiewaffen einsetzen, würde er damit eine internationale Intervention rechtfertigen.

Lopez, ein ehemaliger UN-Berater und Experte für UN-Sanktionen, geht davon aus, dass Syrien im Besitz von VX- oder Nervengas in Mengen ist, die ausreichen würden, um Hunderttausende von Menschen zu töten. Denjenigen, die sich in nächster Nähe zu einem C-Waffeneinsatzgebiet aufhielten, stünde im Fall eines C-Waffen-Angriffs ein grausamer Tod bevor, während die Menschen in mittlerer Reichweite aufgrund der begrenzten medizinischen Versorgung eines langsamen Todes sterben müssten. Andere wiederum wären ein Leben lang gezeichnet und würden später ebenfalls an den Folgen ihres gestörten Immunsystems sterben.

Nach Ansicht von SIPRI-Experte Hart ist in Fällen wie Südsudan und Somalia der Beitritt zur CWC eine Prioritätenfrage. Israel habe die CWC unterzeichnet, an den Treffen der Vorbereitungskommission vor Inkrafttreten der Konvention teilgenommen und schicke zudem Beobachter zu den jährlichen CWC-Konferenzen der Vertragsstaaten. Hart zufolge lassen sich diese Aktivitäten durchaus als Hinweis verstehen, dass Israel unter gewissen geopolitischen Erwägungen durchaus bereit sein könnte, der Konvention beizutreten.

Nordkorea hat bisher nicht auf die OPCW-Bemühungen reagiert, in den Dialog zu treten und über einen möglichen CWC-Beitrag zu diskutieren. Der SIPRI-Experte führt die Gesprächsverweigerung vor allem auf die geopolitische Dynamik in der Region zurück.


Rückschlag für die CWC durch politische Instabilität

Angola und Myanmar hatten auf der November-Konferenz der CWC-Vertragsstaaten in Den Haag Beobachter geschickt. Hart zufolge könnte dies als eine grundsätzliche Bereitschaft interpretiert werden, der Konvention beizutreten. Ferner stünden die OPCW und Syrien seit zweieinhalb Jahren in einem informellen Kontakt, um die Parameter eines möglichen CWC-Beitritts zu besprechen.

"Das geschah im Rahmen fortgesetzter OPCW-Bemühungen, um alle Staaten der Welt einzubinden. Die derzeitige Instabilität hat den Prozess negativ beeinflusst", bedauert Hart und fügt hinzu, dass in Syrien bereits seit 21 Monaten gekämpft wird. Dem Experten zufolge leistet die Europäische Union finanzielle und andere Formen der Unterstützung, um die Umsetzung der Konvention und die universelle CWC-Mitgliedschaft zu fördern. (Ende/IPS/kb/2012)


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http://www.ipsnews.net/2012/12/chemical-arms-treaty-holdouts-include-volatile-syria/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2012