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SICHERHEIT/155: Neuseeland - Robuster Rückhalt für Anti-Atomwaffen-Gesetz (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Februar 2015

Neuseeland: Robuster Rückhalt für Anti-Atomwaffen-Gesetz

von Neena Bhandari



Sydney, 3. Februar (IPS/IDN*) - Der kleine Pazifikinselstaat Neuseeland hat in der internationalen Debatte über nukleare Abrüstung eine Reihe wichtiger Zeichen gesetzt. Seit 30 Jahren verfolgt er eine aktive Anti-Atom-Politik, die atombetriebenen oder mit Kernwaffen bestückten US-amerikanischen Kriegsschiffen die Einfahrt in seine Gewässer verbietet. Und das, obwohl Washington ein ANZUS-Bündnispartner ist.

Australien (A), Neuseeland (NZ) und die USA (US) sind die Gründungsmitglieder des ANZUS-Abkommens von 1951. Der trilaterale Rahmenvertrag für Sicherheit und Zusammenarbeit ist das Produkt einer Episode des zweiten Weltkriegs, als die USA die ungeschützten Länder Australien und Neuseeland vor der Invasion Japans schützten.

Bereits Mitte der 1960er bis Mitte der 1980er Jahre widersetzte sich Neuseeland den französischen Atomtests im Pazifik. Und 1983 löste die Ankunft der atomgetriebenen Fregatte 'USS Texas' in Neuseeland landesweite Proteste aus. Normale Bürger gaben einer ungemein starken Anti-Atomwaffen-Bewegung Auftrieb, die ihren bisherigen Höhepunkt Mitte der 1980er Jahre erlebte und die Außenpolitik und Identität des Landes entscheidend mitbestimmte.


Starke Anti-Atom-Bewegung

"Das war eine unglaubliche breite Kampagne aus Experten, Nachbarschaftsgruppen und Studierenden sowie aus Gläubigen und Atheisten, alten und jungen Leuten. In vielerlei Hinsicht waren es Vielfalt und Hierarchielosigkeit dieser Bewegung, die sie besonders und stark machte. Es gab Zeiten, da engagierten sich landesweit mehr als 300 Aktivistenverbände für atomare Abrüstung", berichtet Marie Leadbeater, Autorin des Buches 'Peace, Power and Politics: How New Zealand became nuclear free'.

Der eigentliche Durchbruch der Anti-Atom-Politik erfolgte im Juli 1985, als Agenten des französischen Geheimdienstes das Greenpeace-Schiff 'Rainbow Warrior' in neuseeländischen Auckland im Zusammenhang mit Protesten gegen französische Atomtests versenkten. Damals erklärte der damalige neuseeländische Ministerpräsident: "Es gibt nur noch eines, was gefährlicher ist, als mit Atomwaffen angegriffen zu werden. Und das ist, von ihnen geschützt zu werden." 1987 verabschiedete das Land das Gesetz für eine atomwaffenfreie Zone Neuseeland, für Abrüstung und Waffenkontrolle.

"Das Gesetz ist so fest in der neuseeländischen Psyche verankert, dass keine politische Partei auf die Idee kommen würde, es rückgängig zu machen. Die Nationalpartei, die die derzeitige Regierung anführt, hat explizit versichert, dass an eine Widerrufung des Gesetzes nicht zu denken sei", berichtet Maryan Street, ehemalige Sprecherin der neuseeländischen Arbeiterpartei für Abrüstungs- und Waffenkontrollfragen. Der Grünen-Abgeordnete Kennedy Graham stimmt ihr zu: "Das Gesetz für eine atomwaffenfreie Zone genießt die Unterstützung aller Parteien."

Die US-Regierung hat zwar nicht versucht, Einfluss auf das neuseeländische Atompolitik zu nehmen. Doch gibt es seit fünf Jahren Bemühungen, die Beziehungen in Fragen der Verteidigung und strategischen Zusammenarbeit wiederherzustellen. Im November 2010 unterzeichneten die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton und ihr neuseeländischer Kollege Murray McCully die Erklärung von Washington, die den Rahmen für eine neue strategische Partnerschaft zwischen beiden Ländern schuf.

Im Juni 2012 kam es infolge der Washingtoner Erklärung zu Kooperationsvereinbarungen in den Bereichen maritime Sicherheit und Verhinderung der nuklearen Verbreitung, des Terrorismus und der Piraterie. Im Rahmen dieses Abkommens stimmte Neuseeland einer Beteiligung an den multinationalen RIMPAC-Manövern zu, die alle zwei Jahre im Juni oder Juli um Honolulu abgehalten werden.

Der Autor und Wissenschaftler Nic Maclellan warnt deshalb vor einer Glorifizierung der neuseeländischen Haltung. "Wir erleben einen Wandel", warnt er. Jüngste Enthüllung von 'WikiLeaks' und Edward Snowden hätten das Ausmaß des Engagements zwischen ANZUS-Partnern und dem fünf Mitglieder zählenden UKUSA-Abkommen verdeutlicht. Der auch als 'Fünf-Augen-Abkommen' bekannte Kontrakt regelt die Spionageaktivitäten von Großbritannien, Kanada und den drei ANZUS-Partnern mit dem Ziel, sich nicht gegenseitig in die Quere zu kommen oder gar zu bespitzeln.


Kritik an Beitritt zum UKUSA-Abkommen

Wie Leadbeater erklärt, verfügt Neuseeland über zwei SIGNIT-Basen. SIGNIT steht für Gewinnung von Informationen durch das Abhören von Funksignalen oder anderer elektronischer Signale. "Ich bin dagegen, dass sich Neuseeland am UKUSA-Abkommen beteiligt, weil die Übereinkunft intransparent ist und uns zu Spionen anderer Länder und möglicherweise sogar zu Kriegsbefürwortern macht."

Die ANZUS-Vertragsstaaten gehören zudem der Vier-Staaten-Koordinationsgruppe für Verteidigung mit Frankreich als Beobachter an. Auf die Frage, ob dadurch der US-Druck auf Neuseeland wächst, sich dem nuklearen Schutzschirm anzuschließen, meint Street jedoch: "Die USA wissen, dass unser Nukleargesetz unantastbar ist und arbeiten mit uns zusammen. Sie betrachten uns als führend in den Bereichen Nichtverbreitung und Abrüstung."

Wie Street, die außerdem ehemalige Vorsitzende der neuseeländischen Abgeordneten für nukleare Nichtverbreitung und Abrüstung ist, weiter erklärt, ist man von US-Präsident Barack Obama zu einer Sicherheitskonferenz über die Gefahr, dass Atomwaffen in die Hände von Terroristen geraten, eingeladen worden.

Neuseeland gilt als 'grüner' Inselstaat. Dieses Image ist zum Teil der Tatsache geschuldet, keine Atomwaffen zu besitzen und somit auch nicht der Gefahr eines nuklearen Unfalls ausgesetzt zu sein. Doch Street warnt vor der Gefahr, die durch den Transport nuklearer Abfälle [wie abgereichertes Uran, Yellow Cake aus Australien etc.] entstehen könnte. "Es gibt dafür keine Schutzgarantien, weshalb wir vor solchen Unfällen nicht gefeit sind", so die Expertin. "Einen Schutz könnte nur ein neues Gesetz bieten, das sich auf gefährliche Güter und Substanzen erstrecken würde."

Neuseeland hat sich im Gegensatz zu Australien sehr stark für Aktionen engagiert, die vor den humanitären Folgen von Atomwaffen warnen. Bis Oktober 2014 hatten sich 155 Staaten dem von dem Inselstaat vorangebrachten UN-Statement über die humanitären Folgen von Atomwaffen angeschlossen.

"Angesichts der breiten Unterstützung der UN-Mitgliedstaaten für die neuseeländische Initiative scheint es mir an der Zeit, die Illegalität von Atomwaffen durch ein internationales Abkommen festzuschreiben", meinte der ehemalige neuseeländische Ministerpräsident Sir Geoffrey Palmer im November 2014 in einem Beitrag mit der Überschrift 'Der nukleare Alptraum'. "Jetzt, wo Neuseeland dem UN-Sicherheitsrat angehört, hoffe ich, dass wir in die Pedale treten und die Sache der nuklearen Abrüstung nach vorne bringen."

Der Internationale Strafgerichtshof hat in einer Stellungnahme von 1996 zum Thema Atomwaffen erklärt: "Die zerstörerische Kraft von Atomwaffen lässt sich weder räumlich noch zeitlich begrenzen. Kernwaffen verfügen über das Potenzial, jede Zivilisation und das gesamte Ökosystem des Planeten auszulöschen."

Heute ist die Anti-Atomwaffen-Bewegung nicht mehr so aktiv wie einst, doch gibt es einen kleinen aber harten Kern von Menschen, die sich für atomare Abrüstung engagieren. Wie Kate Dewes, eine seit drei Jahrzehnten aktive Atomwaffen-Gegnerin, erklärt, gehören einige nationale und lokale Gruppierungen dem 'Öffentlichen Beratungsausschuss für Abrüstung und Waffenkontrolle' (PACDAC) an. Dieses vom neuseeländischen Staat einberufene Gremium soll der Regierung Empfehlungen zur Umsetzung des neuseeländischen Abrüstungs- und Waffenkontrollgesetzes von 1987 unterbreiten.

Einige Gruppen treffen sich zudem regelmäßig mit dem Botschafter für Abrüstung und Vertretern des Ministeriums, um sie zu ermuntern, eine Führungsrolle in der derzeitigen Diskussion über Fragen der nuklearen Abrüstung und der Ächtung von Landminen, Streubomben und von abgereicherter Uranmunition einzunehmen.


Überwältigende Anti-Atom-Mehrheit

"Die neuseeländische Bevölkerung wird niemals für nukleare Abschreckung unter einem nuklearen Schutzschirm stimmen. Diese Schlacht haben wir längst gewonnen, und die jungen Neuseeländer sind sehr stolz auf unsere Atomwaffenfreiheit", fügt Dewes hinzu und erinnert an eine Meinungsumfrage von 1986, in der sich 92 Prozent der Neuseeländer gegen Atomwaffen und 69 Prozent gegen die Ankunft von Kriegsschiffen ausgesprochen hatten. 92 Prozent waren dafür, dass sich Neuseeland über die Vereinten Nationen für nukleare Abrüstung einsetzt, während 88 Prozent die Bemühungen um eine atomwaffenfreie Zone begrüßten.

In Australien durchgeführte Meinungsumfragen zeigen, dass auch die australische Öffentlichkeit Atomwaffen ablehnt. "Doch unsere Regierung widersetzt sich aus Rücksicht auf die USA der Idee eines Abkommens zur Ächtung dieser Massenvernichtungswaffen. Wir fordern die Regierung auf, Atomwaffen innerhalb unserer eigenen Militärdoktrin abzulehnen, wie dies Neuseeland in den 1980er Jahren getan hat, und sich den Bemühungen um ein globales Verbot anzuschließen", meint der australische Direktor der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), Tim Wright.

Australien ist Teil der Atomwaffenfreien Zone Südpazifik und hat wie Neuseeland ein Anti-Atomwaffen-Gesetz, das sogenannte Südpazifische Gesetz zum Abkommen über eine atomwaffenfreie Zone von 1986. "Doch dieses Gesetz [und das Abkommen selbst] kann weder die Einfahrt von US- Atomschiffen in australische Häfen verhindern noch die Abkehr Australiens von der Politik der erweiterten nuklearen Abschreckung bewirken", kritisiert Wright. (Ende/IPS/kb/2015)

*IDN-InDepthNews ist Kooperationspartner von IPS Deutschland


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http://www.indepthnews.info/index.php/global-issues/2321-new-zealand-robustly-defends-nuclear-ban

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 3. Februar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2015


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