Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → FAKTEN

WISSENSCHAFT/1002: Ministerium als Anwalt gesellschaftlicher Interessen, Impulsgeber und Berater (idw)


CHE Centrum für Hochschulentwicklung - 08.02.2010

Expert(innen) sehen Wissenschaftsministerium als Anwalt gesellschaftlicher Interessen, Impulsgeber und Berater


"Wissenschaftsministerien von morgen" sichern die Umsetzung gesellschaftlicher Ziele im Wissenschaftssystem, verantworten die "Spielregeln" des Wettbewerbs und stehen den Hochschulen als Berater und Informationsdienstleister zur Seite. Dieses Rollenbild hat sich im Rahmen des CHE-Symposiums am 3. und 4. Februar 2010 in Berlin gezeigt. Dabei wurde deutlich, dass die Ministerien erklären müssen, welche ihrer Zuständigkeiten sie für nicht delegierbar halten, welche gesellschaftlichen Ziele sie im Wissenschaftssystem anstreben und wo sie sich innerhalb der Landesverwaltung verorten. Das Ob und Wie eines neuen Selbstverständnisses ist zudem untrennbar mit den handelnden Akteuren verbunden.

"Die Frage, wie sich die Ministerien gegenüber autonomen Hochschulen verhalten sollten, haben wir erstmals 2001 aufgegriffen. Fast zehn Jahre später wird nun auf unserem Symposium von den Ministerialen ein neues, partnerschaftliches Verhältnis betont. Wir haben gesehen, dass sich in diese Richtung in den Ministerien vieles bewegt, von der Personalentwicklung über flexiblere Aufgabenzuordnungen und Organisationsstrukturen bis hin zu einer stärkeren Serviceorientierung", sagt CHE-Geschäftsführer Prof. Dr. Frank Ziegele über das Symposium in Berlin.

Die Titelfrage des Symposiums "Rückzug oder neue Aufgaben" stellte CHE-Geschäftsführer Dr. Jörg Dräger eingangs an Prof. Dr. Klaus Landfried, ehemaliger Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, und Prof. Dr. Jürgen F. Zöllner, Wissenschaftssenator in Berlin. Sie wurde einhellig mit einem "Sowohl-als-auch" beantwortet. "Eine planende Hand ist unverzichtbar", so Landfried. "Kreativität braucht Freiheit", stellte Zöllner gegenüber, "die Ministerien müssen sinnvolle Regeln aufstellen, welche die anvisierten Ziele befördern." Dräger mahnte die Ministerien, dass sie "Ziele und Instrumente nicht verwechseln dürfen". Neue Steuerungsinstrumente wie Ziel- und Leistungsvereinbarungen könnten die Wissenschaftslandschaft nur in Verbindung mit einem "Mentalitäts- und Perspektivenwechsel in den Köpfen" nachhaltig verändern.

Beispielgebend für die Flexibilisierung der internen Arbeitsorganisation und Zusammenarbeit in Matrixstrukturen ist die Behörde für Wissenschaft und Forschung in Hamburg. Hier organisieren sich hochschul- und aufgabenorientierte Referate einzelfallbezogen in Projektteams. Das dänische Ministerium hingegen hat wichtige Aufgabenbereiche wie die Forschungsförderung und internationale Zusammenarbeit im Wissenschaftsbereich in weitgehend selbständigen "Agencies" gebündelt und den politischen Kern des Ministeriums drastisch reduziert.

Wie ein Ministerium die verschiedenen Hierarchieebenen in das interne Change Management einbindet, zeigt das Beispiel des österreichischen Bundesministeriums, wo der Mitarbeiterstab über innovative interne Dialogforen zu einem neuen Selbstverständnis gefunden hat. Auch im nordrhein-westfälischen "Innovationsministerium" wurde über veränderte Zuständigkeiten und interne Reorganisation ein neues institutionelles Rollenverständnis als "Berater der Hochschulen" angestoßen. In Niedersachsen wird die Ministeriumsreform maßgeblich von Personalentwicklungsmaßnahmen geprägt, indem gezielt neue Mitarbeiter(innen) mit geisteswissenschaftlichen oder technischen Kompetenzprofilen rekrutiert und auf neue strategische Aufgaben vorbereitet werden. Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Prof. Dr. Peter Frankenberg berichtete von einer Arbeitsgruppe ("AG Foresight"), die sich in seinem Ministerium quer zu allen Hierarchieebenen und Fachzuständigkeiten mit hochschulpolitischen Trendthemen beschäftigt und direkt an den Minister berichtet.

Die Einzelbeispiele zeigen, dass schon vieles auf dem Weg ist, die Veränderungen in den Ministerien sind allerdings noch nicht in der Fläche angekommen. Auch in anderen Punkten offenbarte sich noch Handlungsbedarf:
Es wurde deutlich, dass es nicht reicht, neue staatliche Steuerungsinstrumente einzusetzen, sondern dass es auch auf deren faktische Handhabung ankommt. Es klappt dort, wo Gespräche und Verhandlungen "auf Augenhöhe" geführt werden. Als Beispiel stellte der Präsident der TU Darmstadt, Prof. Dr. Jürgen Prömel die Ausgestaltung des TU Darmstadt-Gesetzes vor.

Zwar wurden die Rollenoptionen benannt, aber in den seltensten Fällen haben die Ministerien ihr Rollenverständnis in einem Strategieprozess intern diskutiert und explizit nach außen verkündet. Wenn ein Ministerium sich z.B. der Wahrung gesellschaftlicher Verantwortung verschreibt, ist häufig trotzdem unklar, in welchen konkreten gesellschaftlichen Zielen sich dies manifestiert. Ein positives Beispiel gab Andrea Geisler, Leiterin der Abteilung Hochschulmanagement im Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Wien. Dort wurde im Zusammenhang mit den Leistungsvereinbarungen ein intensiver Dialog über die Erwartungen des Ministeriums mit allen Akteuren gesucht und gefördert. Die Diskussion mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern machte deutlich, dass noch viel Handlungsbedarf beim Thema Berichtswesen besteht.

Mehr Informationen zur Tagung "Wissenschaftsministerien von morgen - Rückzug oder neuen Aufgaben?" sowie Präsentationen und Vorträge finden Sie im Internet.
www.che-concept.de.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution409


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
CHE Centrum für Hochschulentwicklung, Britta Hoffmann-Kobert,
08.02.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2010