Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - 02.04.2015
Wichtigster deutscher Nachwuchspreis geht an fünf Forscherinnen und fünf Forscher
• DFG und BMBF vergeben Heinz Maier-Leibnitz-Preise 2015
• Verleihung am 5. Mai in Berlin
Die diesjährigen Trägerinnen und Träger des wichtigsten Preises für den wissenschaftlichen Nachwuchs in Deutschland stehen fest. Der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eingesetzte Auswahlausschuss bestimmte jetzt in Bonn fünf junge Wissenschaftlerinnen und fünf junge Wissenschaftler für die Heinz Maier-Leibnitz-Preise 2015. Sie erhalten die mit je 20.000 Euro dotierte Auszeichnung am 5. Mai in Berlin.
• Marian Burchardt, Empirische Sozialforschung, Max-Planck-Institut
zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften,
Göttingen
• Jessica Burgner-Kahrs, Mechatronik, Universität Hannover
• Pavel Levkin, Polymerchemie, Karlsruher Institut für
Technologie
• Soeren Lienkamp, Medizin, Universitätsklinikum Freiburg
• Thomas Niendorf, Werkstofftechnik, TU Bergakademie Freiberg
• Stephan Packard, Medienkulturwissenschaft, Universität Freiburg
• Susanne Paulus, Altorientalistik, Universität Münster
• Cynthia Sharma, Infektionsbiologie, Universität Würzburg
• Sarah Weigelt, Psychologie, Universität Bochum
• Xiaoxiang Zhu, Geodäsie, Technische Universität München
Als Anerkennung und zugleich als Ansporn, ihre wissenschaftliche Laufbahn gradlinig fortzusetzen, wird der Heinz Maier-Leibnitz-Preis seit 1977 jährlich an hervorragende junge Forscherinnen und Forscher verliehen. Benannt nach dem Atomphysiker und früheren DFG-Präsidenten - in dessen Amtszeit er erstmals vergeben wurde -, gilt der Preis nicht nur als der wichtigste seiner Art für den Forschernachwuchs in Deutschland. In einer Umfrage der Zeitschrift "bild der wissenschaft" wählten die großen Forschungsorganisationen den Heinz Maier-Leibnitz-Preis zum drittwichtigsten Wissenschaftspreis in Deutschland überhaupt - nach dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der DFG und dem Deutschen Zukunftspreis des Bundespräsidenten.
Für die diesjährige Preisrunde waren insgesamt 127 Forscherinnen und Forscher aus allen Fachgebieten vorgeschlagen worden, von denen 24 in die engere Wahl kamen. "Die wissenschaftliche Qualität der Kandidatinnen und Kandidaten und ihrer Arbeiten war außerordentlich hoch, so dass es für den Ausschuss eine sehr angenehme Mühe war, daraus die Preisträgerinnen und Preisträger auszuwählen", sagte die Vorsitzende des Gremiums, DFG-Vizepräsidentin Professor Dr. Marlis Hochbruck, nach den Entscheidungen.
Marian Burchardt (39),
Empirische Sozialforschung, Max-Planck-Institut zur Erforschung
multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften, Göttingen
Wie stehen Staat und Religion zueinander und wie wirkt sich ihr Verhältnis
auf das gesellschaftliche Zusammenleben aus? Der Religionssoziologe Marian
Burchardt erforscht diese Frage in den USA, den Niederlanden, in Südafrika
oder Indien und konnte mit seinen ethnografischen Fallstudien zeigen, dass
die Grenzen zwischen Religion und Politik vielfältige Formen annehmen. Er
spricht deshalb von "multiplen Säkularitäten", die zwar auf die jeweiligen
gesellschaftlichen Bezugsprobleme zugeschnitten sind, doch zugleich eine
Orientierung an der westlichen Welt zum Ausdruck bringen. In seiner
Dissertation untersuchte der Sozialforscher durch Erhebungen unter
religiösen Initiativen Südafrikas die Verflechtungen von Religion,
Sexualität und Biomedizin in Bezug auf HIV/AIDS-Erkrankungen. Am
Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multikultureller
Gesellschaften in Göttingen arbeitet Burchardt aktuell zu "Rechtlichen
Regulierungen von religiösem Pluralismus".
Jessica Burgner-Kahrs (34),
Mechatronik, Universität Hannover
In Rahmen ihrer Emmy Noether-Nachwuchsgruppe "Continuum Robots for
Surgical Systems - CROSS" am Mechatronik-Zentrum der Universität Hannover
erforscht Jessica Burgner-Kahrs, wie Roboter für chirurgische Anwendungen
noch besser eingesetzt werden können. Sogenannte Kontinuumsroboter sind
mit tentakelartigen Armen aus mehreren superelastischen Röhrchen
ausgestattet, die auch schwer zugängliche Räume minimalinvasiv erschließen
und dadurch neue Möglichkeiten für Operationen eröffnen. Die Emmy
Noether-Gruppe erforscht Grundlagen dieser Kontinuumsrobotik, etwa
Pfadausrichtung, Sensorik oder Raumerfassung. Bereits in ihrer
Doktorarbeit konnte Burgner-Kahrs ein Robotersystem für das automatisierte
Schneiden von Knochen entwickeln; als Post-Doktorandin ließ sie ein
weithin beachtetes System folgen, das bei Schlaganfallpatienten die
Blutung im Schädel absaugen soll.
Pavel Levkin (34),
Polymerchemie, Karlsruher Institut für Technologie
Sein wissenschaftlicher Durchbruch gelang dem Polychemiker Pavel Levkin
mit der Synthese neuartiger Polymersysteme, die die Wechselwirkung von
lebenden Zellen mit modifizierten Oberflächenstrukturen regulieren. Hierzu
entwickelte Levkin eine molekulare Chip-Technologie, die eine effektive
Genmanipulation von Zellen ermöglicht. Mit seiner Forschung bewegt sich
der gebürtige Moskauer an der Schnittstelle zwischen Polymerforschung,
Mikrotechnik und biologisch-medizinischen Applikationen. Er setzt seine
ausgeprägten Kenntnisse chemischer Anwendungen dazu ein, neue Zugänge zu
biologischen Fragestellungen zu finden. Levkins Forschergruppe am
Karlsruher Institut für Technologie arbeitet an Strategien der
Modifikation von Oberflächen mit porösen Biofilmen, auf denen lebende
Zellen wachsen können.
Soeren Lienkamp (35),
Medizin, Universitätsklinikum Freiburg
Der Nephrologe Soeren Lienkamp beschäftigt sich mit den kleinen Röhrchen
in der Niere, den Tubuli, in denen der Harn produziert wird. Sind die
Tubuli durch eine zystische Erkrankung gestört, finden dabei
möglicherweise ganz ähnliche molekulare Prozesse statt wie in der
embryonalen Entwicklung. Als Modellorganismus nutzt Lienkamp die
Krallenfrosch-Kaulquappe, an der er mit konfokaler Mikroskopie analysieren
konnte, inwieweit gerichtete Zellwanderung für die Röhrchenbildung
zuständig ist. Er stellte den komplexen Migrationsmechanismus dar, mit dem
Zellen im rosettenförmigen Verbund die Röhre verschmälern und verlängern.
Von 2010 an war Lienkamp in der Klinischen Forschergruppe zu
polyzystischen Nierenerkrankungen tätig und baute eine Arbeitsgruppe auf,
die seit 2014 im Rahmen des Emmy Noether-Programms der DFG untersucht, wie
Nierenzellen sich spezifizieren und reprogrammieren.
Thomas Niendorf (35),
Werkstofftechnik, TU Bergakademie Freiberg
Materialwissenschaft und Werkstofftechnik sind die Spezialgebiete des
Ingenieurwissenschaftlers Thomas Niendorf. Er untersucht in seinen
Arbeiten, wie der Herstellungsprozess und neu entwickelte Mikrostrukturen
bei Materialien bestimmte Eigenschaften erzeugen, etwa Robustheit
gegenüber Schädigungen. Mit der Schädigungsentwicklung bei zyklischer und
thermischer Beanspruchung befasste sich Niendorf bereits in seiner
Dissertation in der DFG-Forschergruppe "Mechanische Eigenschaften und
Grenzflächen ultrafeinkörniger Werkstoffe". Aktueller
Forschungsschwerpunkt im Rahmen seiner Emmy Noether-Gruppe "Funktional
gradierte Strukturen auf Basis hochmanganhaltiger Eisenbasiswerkstoffe -
Vom TWIP-Effekt zur Superelastizität" ist die Materialermüdung von
TWIP-Stahl. Wichtige Aspekte hierbei sind unter anderem
Formgedächtnis-Legierungen und additive Fertigung (bekannt als 3-D-Druck).
Stephan Packard (36),
Medienkulturwissenschaft, Universität Freiburg
Von ganz elementarer Kommunikation der Affekte und Emotionen über den
kontrollierten Einsatz von Zeichen für Propagandazwecke bis hin zu
Zeichensystemen in medialen Fiktionen wie Film, Serie oder Graphic Novel:
Der Medienkulturwissenschaftler Stephan Packard befasst sich in seinen
interdisziplinär ausgerichteten Arbeiten mit der Zeichenhaftigkeit und
kulturell konstruierten Codierung gesellschaftlichen Zusammenlebens. In
seiner Dissertation in Allgemeiner und Vergleichender
Literaturwissenschaft legte er eine Apparatur der psychosemiotischen
Comicanalyse vor, in der Habilitationsschrift entwickelt der Münchener
eine historisch eingebettete semiotische Theorie der Affekte und Emotionen
ausgehend vom frühen 18. Jahrhundert. Packard beteiligt sich am
Graduiertenkolleg "Faktuales und fiktionales Erzählen" sowie am
Internationalen Graduiertenkolleg "Deutsch-russische Kontakte im
europäischen Kontext".
Susanne Paulus (32),
Altorientalistik, Universität Münster
Wie haben die Menschen im zweiten vorchristlichen Jahrtausend
zusammengelebt? Für gesellschaftshistorische Grundfragen ist die
Altorientalistik auf Textquellen wie Tontafeln oder Steininschriften
angewiesen. Mit ihrer Dissertation über die babylonischen
Kudurru-Inschriften hat die Philologin Susanne Paulus ein viel beachtetes
Werk vorgelegt, in dem sie nicht nur als erste die akkadischen Texte
sprachlich erschließen konnte, sondern darüber hinaus auch eine
wirtschafts- und rechtshistorische Auswertung präsentierte. So betreffen
die Kudurru-Inschriften königliche Landschenkungen und die Vergabe von
Immobilien und Pfründen in Mesopotamien, dem heutigen Irak. Paulus konnte
auf Basis der Texterschließung neue Erkenntnisse zu den Sozial- und
Verwaltungsstrukturen Mesopotamiens darlegen. Aktuell untersucht die
Münsteranerin, in welcher Chronologie Babylonien und Elam
Kulturbeziehungen miteinander eingingen.
Cynthia Sharma (35),
Infektionsbiologie, Universität Würzburg
Cynthia Sharma verbindet in ihren Arbeiten auf originelle Weise die
Biophysik und Bioinformatik mit der Infektionsforschung: Nachdem sie in
ihrer Diplomarbeit Genomsequenzen analysieren und strukturelle
RNA-Elemente identifizieren konnte, entwickelte sie am Max-Planck-Institut
für Infektionsforschung in Berlin im Rahmen ihrer Doktorarbeit eine neue
Sequenzierungsmethode, die differentielle dRNA-seq-Methode. Als Mitglied
des DFG-geförderten Schwerpunktprogramms "Kleine regulatorische RNAs in
Prokarya" wandte sie diese Methode am Beispiel des Mikroorganismus
Helicobacter pylori an, eines Stäbchenbakteriums, das für
Magenerkrankungen verantwortlich gemacht wird. Derzeit untersucht Sharmas
Gruppe am Forschungszentrum für Infektionsbiologie der Universität
Würzburg mithilfe molekularbiologischer und biochemischer Ansätze die
genregulierende Funktion von Bakterien. Dies soll die Mechanismen besser
verstehen helfen, durch die ein Erreger eine Infektion erzeugt.
Sarah Weigelt (35),
Psychologie, Universität Bochum
Sarah Weigelt sieht die Welt sprichwörtlich durch die Augen der Kinder.
Sie untersucht mithilfe von Verhaltensexperimenten und modernen
hirnbildgebenden Verfahren, wie sich das visuelle Gehirn des Menschen
entwickelt. Ihr Fachgebiet der Entwicklungsneuropsychologie ist ein
Querschnitt aus Hirnforschung und Entwicklungspsychologie und noch relativ
jung in Deutschland. Weigelt verfasste ihre Diplomarbeit in Psychologie am
Max-Planck-Institut für Hirnforschung, wo sie in der Abteilung von Wolf
Singer die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) kennenlernte und
diese dann im Rahmen ihrer Dissertation zur Erforschung der bewussten
visuellen Wahrnehmung nutzte. Als Postdoc am Massachusetts Institute of
Technology konnte sie entwicklungspsychologische Kenntnisse hinzugewinnen.
Juniorprofessorin Weigelt erforscht an der Universität Bochum neben der
Sehentwicklung derzeit auch atypisches Sehen von Kindern mit Autismus.
Xiaoxiang Zhu (30),
Geodäsie, Technische Universität München
Aktuelle und künftige Erdbeobachtungsmissionen sind auf eine verbesserte
Informationsgewinnung angewiesen. Mithilfe neuer Algorithmen möchte die
Geodätin Xiaoxiang Zhu die Fernerkundungsdaten optimieren und Grundlagen
für den Entwurf neuer Satellitensensoren liefern. Als Gruppenleiterin am
Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt entwickelt sie moderne Methoden
der Signalverarbeitung, etwa die Rekonstruktion von dünn besetzten
Signalen für eine verbesserte Auflösung, die Rauschreduktion unter
Verwendung nicht lokaler Filter oder die Objektrekonstruktion mithilfe
robuster Schätzer. Zhu kam für den internationalen Masterstudiengang
"Earth Oriented Space Science and Technology" nach München, wurde dort
auch promoviert und hat nach ihrer Habilitation eine Honorarprofessur an
der Technischen Universität München inne.
Weiterführende Informationen
Die Verleihung der Heinz Maier-Leibnitz-Preise 2015 findet am 5. Mai, 14 Uhr, im Magnus-Haus, Am Kupfergraben 7, 10117 Berlin, statt.
Ausführliche Informationen zum Preis und den bisherigen Preisträgerinnen
und Preisträgern finden sich unter:
www.dfg.de/maier-leibnitz-preis
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution306
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Marco Finetti, 02.04.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 8. April 2015
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang