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WISSENSCHAFT/942: Neue Mitglieder der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (idw)


Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften - 26.06.2009

Neue Mitglieder der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften


Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften hat sieben Mitglieder neu dazu gewählt. Zum Mitglied kann berufen werden, wer sich durch wissenschaftliche Leistungen ausgezeichnet hat.

Es wurden gewählt:

Ute Frevert, Jg. 1954, Neuere Geschichte, seit 2008 zur Direktorin des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (Geisteswissenschaftliche Klasse)

Martin von Koppenfels, Jg. 1967, Literaturwissenschaft, seit 2007 Professur für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft in Bielefeld (Geisteswissenschaftliche Klasse)

Ingeborg Schwenzer, Jg. 1951, Rechtswissenschaft/Privatrecht, seit 1989 Professorin für Privatrecht an der Universität Basel (Sozialwissenschaftliche Klasse)

Barbara Stollberg-Rilinger, Jg. 1955, Geschichte der frühen Neuzeit, seit 1997 Ordinaria für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (Geisteswissenschaftliche Klasse)

Angelika Storrer, Jg. 1958, Linguistik, seit 2002 Professur für Linguistik der deutschen Sprache und Literatur an die Technische Universität Dortmund (Geisteswissenschaftliche Klasse)

Kathleen Thelen, Jg. 1956, Politikwissenschaften, seit 2009 Ford Professor of Political Science am Massachusetts Institute of Technology (Sozialwissenschaftliche Klasse)

Gerhard Wolf, Jg. 1952, Kunstgeschichte, seit 2003 Direktor am Kunsthistorischen Institut in Florenz, seit 2008 Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin (Geisteswissenschaftliche Klasse)

Damit gehörten der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften 169 Ordentliche und 65 entpflichtete Ordentliche Mitglieder sowie 69 Außerordentliche Mitglieder an. 32 Mitglieder sind Frauen. Die Akademie wählt ihre Mitglieder aus dem gesamten Bundesgebiet, aber auch aus dem Ausland.

Auf den Folgeseiten finden Sie ausführlichere biographische Hinweise zu den neu gewählten Mitgliedern:


Ute Frevert
Jg. 1954, Neuere Geschichte
Geisteswissenschaftliche Klasse, Ordentliches Mitglied
Ute Frevert studierte in Münster, Bielefeld und an der London School of Economics Geschichte und Sozialwissenschaften, wurde 1982 in Bielefeld promoviert und habilitierte sich hier 1989 für das Fach Neuere Geschichte. Ihre berufliche Laufbahn führte sie von Bielefeld über Professuren in Berlin (1991/92), Konstanz (1992-1997) und Bielefeld (1997-2003) an die Yale University, USA (2003-2007), ehe sie 2008 zur Direktorin des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, Berlin und zum Wissenschaftlichen Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft berufen wurde. Sie weilte zu Gastprofessuren an der Hebrew University, Jerusalem, am Dartmouth College, New Hampshire, am Institut für die Wissenschaft vom Menschen in Wien und an der Maison des Sciences de l'Homme, Paris. Sie war Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin (1989/90, 2004/05) sowie am Center for Advanced Study in Stanford (2000/01). Sie ist Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Zahlreiche Auszeichnungen, darunter der Leibniz-Preis der DFG 1998, zeugen von der hohen Wertschätzung, die sie international genießt.
Ute Frevert gehört zu einer sehr kleinen Spitzengruppe international ausgewiesener deutscher Historiker und wirkt zugleich über die Grenzen ihres Faches hinaus in andere Disziplinen und in die Öffentlichkeit. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Sozial- und Kulturgeschichte der Moderne, die Geschlechtergeschichte und die Neue Politikgeschichte. Im Mittelpunkt steht die deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts - in ihren europäischen Kontext und in systematische Zusammenhänge gerückt. Ute Frevert begann Anfang der 1980er Jahre mit einer Monographie über Krankheit, Unterschichten und Staat in Preußen, befasste sich anschließend mit dem Gebiet der Frauen- und Geschlechtergeschichte und legte hierzu vielgelesene Überblicksdarstellungen vor. Ihre Habilitation, mit der sie eine Neuinterpretation des Duells als Ausdruck bürgerlicher Ehrvorstellungen vornahm, fand weit über die Grenzen Deutschlands hinaus große Beachtung. In den 1990er Jahren folgten Monographien zum Verhältnis von Militär und Gesellschaft in Deutschland, zur Geschichtspolitik nach 1945 und zu den Europa-Bildern und Europa-Erfahrungen der Neuzeit. Seit 2008 hat sie am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung eine Forschergruppe aufgebaut, die sich mit der Geschichte der Gefühle befasst. Hinzu kommen Artikel und Bücher zu methodischen Fragen der Sozial-, Kultur- und Politikgeschichte, zu den Stadtwahrnehmungen romantischer Intellektueller in Deutschland, zur Rhetorik der Nation und zur Sprache der Politik, zu Günter Grass und zum Vertrauen. Viele ihrer Schriften wurden in andere Sprachen übersetzt, z.T. auch von Anfang an in solchen veröffentlicht.


Martin von Koppenfels
Jg. 1967, Literaturwissenschaft
Geisteswissenschaftliche Klasse, Ordentliches Mitglied
Martin von Koppenfels studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Lateinische und Spanische Philologie sowie Philosophie in Charlottesville, VA. (USA), München, Barcelona und an der Freien Universität Berlin, promovierte 1997 in Berlin und habilitierte sich 2006 in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft und Romanistik. Er leitete die von der VolkswagenStiftung geförderte Nachwuchsarbeitsgruppe "Rhetorik der Immunität" und folgte 2007 dem Ruf auf eine Professur für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft in Bielefeld. Seit 1994 ist er als Übersetzer für verschiedene Verlage tätig. 2001 erhielt er den Paul-Scheerbart-Preis für Lyrikübersetzung der Rowohlt-Stiftung. 2004 wurde er in "Die Junge Akademie" gewählt, war deren Vorstandsmitglied (2005/06) und Sprecher der Arbeitsgruppe "Rhythmus".
Martin von Koppenfels gehört zu den anregendsten, produktivsten und innovativsten jüngeren Literaturwissenschaftlern in Deutschland. Indem es ihm gelingt, anhand philologischer Studien zu herausragenden Werken vor allem der spanischen und französischen Literatur grundsätzliche Probleme der modernen Gattungstheorie, der Narratologie und der Affektgestaltung sowohl in der Lyrik als auch im Roman am Detail herauszuarbeiten, sie theoretisch zu durchdringen und sie in einer weit über das Einzelwerk hinausweisenden Art literatur- und affekttheoretisch grundsätzlich für das Verständnis der Literatur der Moderne fruchtbar zu machen, erstreckt sich die Wirkung seiner Schriften weit über die Romanistik und die Komparatistik hinaus auch auf die anderen Philologien. In seiner Dissertation "Einführung in den Tod. García Lorcas New Yorker Dichtung und die Trauer der modernen Lyrik" analysiert er grundsätzliche Probleme des lyrischen Sprechens im Zeichen einer Theorie der Trauer, für die er Ergebnisse der Anthropologie, Ethnologie, Psychoanalyse und Religionswissenschaft zur Geltung bringt. In seiner Habilitationsschrift hat er den Einsatz rhetorischer und poetischer Mittel zur Abwehr, Reduktion und Neutralisierung von Emotionen im modernen Roman seit Gustave Flaubert untersucht. Die Immunisierung gegen Gefühle bildet das Leitmotiv seiner Untersuchungen zur Affektpolitik des modernen Romans, die ihre theoretische Grundlegung mit einer Neudeutung der Affekttheorie Sigmund Freuds gewinnen. Darüber hinaus hat er eine Vielzahl, in führenden Fachzeitschriften erschienene Aufsätze vorgelegt - wesentliche Beiträge zur Forschung, die die Breite seiner literarischen Interessen und seine romanistische wie komparatistische Kompetenz unter Beweis stellen, thematisch von Cervantes über Borges, García Lorca, Baudelaire, Flaubert, Marguerite Duras und Hölderlin bis Primo Levi und Imre Kertész reichend.


Ingeborg Schwenzer
Jg. 1951, Rechtswissenschaft/Privatrecht
Sozialwissenschaftliche Klasse, Ordentliches Mitglied
Ingeborg Schwenzer studierte Rechtswissenschaft als Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes an den Universitäten Tübingen, Genf und Freiburg i. Br. und anschließend an der Law School der University of California in Berkeley. 1978 wurde sie in Feiburg promoviert, 1987 habilitierte sie sich hier für die Fächer Bürgerliches Recht, Handelsrecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung. Nach einer Vertretungsprofessur in Konstanz folgte sie 1987 einem Ruf nach Mainz. Seit April 1989 ist sie Professorin für Privatrecht an der Universität Basel; verschiedene weitere Rufe lehnte sie ab.
Ihre fundierten Erfahrungen im ausländischen Recht fanden Eingang in ihre Dissertation über amerikanisches und deutsches Kaufrecht. Ihre Habilitationsschrift befasste sich mit dem Familienrecht unter rechtsvergleichenden ebenso wie unter sozialwissenschaftlichen Gesichtspunkten. Zu den Schwerpunkten Kaufrecht und Familienrecht kam das Allgemeine Schuldrecht, mit dem sie die traditionelle nationale Enge der Jurisprudenz biographisch, methodisch und inhaltlich zu überwinden verstand. In Basel lehrend und forschend, erschien ihr Lehrbuch zum "Schweizerischen Obligationenrecht" sowie Kommentare zum Obligationenrecht und zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch. Durch ihre rechtsvergleichenden Untersuchungen, vor allem im Familienrecht, gewannen ihre soziologischen Bezüge an Tiefe und Distanz zum Kleinräumigen, behalten aber zugleich das rechtspolitisch Machbare im Auge. Frühzeitig und vorausschauend wandte sie sich dem UN-Kaufrecht (CISG) als Forschungsthema zu, wo sie heute zu den weltweit führenden Experten zu rechnen ist und ein hoch dotiertes internationales Forschungsprojekt leitet. Sie publiziert deutsch, englisch und französisch in den renommiertesten Zeitschriften, ist selbst als Herausgeberin verschiedener Kommentare, Zeitschriften und Schriftenreihen tätig. Neben einer großen Zahl von viel beachteten Aufsätzen und Kommentarbeiträgen hat vor allem ihre 2006 erschienene Monographie "Model Family Code" besondere internationale Aufmerksamkeit gefunden.
Ingeborg Schwenzer ist in der deutschen, schweizerischen und internationalen Wissenschaftslandschaft fest verankert - unter anderem als stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Juristentages und Sachverständige der deutschen Bundesregierung, als Präsidentin des Centrums für Familienwissenschaften, als Mitglied der Expert Group of the Commission on European Family Law und des CISG Advisory Council.


Barbara Stollberg-Rilinger
Jg. 1955, Geschichte der frühen Neuzeit
Geisteswissenschaftliche Klasse, Ordentliches Mitglied
Barbara Stollberg-Rilinger studierte in Köln Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte und legte 1980 das Erste Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien ab. 1985 promovierte sie in Köln, 1994 erlangte sie hier die Venia legendi für Neuere Geschichte. Seit 1997 ist sie Ordinaria für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. 2005 wurde sie mit dem Leibniz-Preis der DFG ausgezeichnet, 2007 erhielt sie die Ehrendoktorwürde der Ecole normale supérieure Lettre et Sciences humaines Lyon. Sie ist u.a. geschäftsführende Herausgeberin der "Zeitschrift für Historische Forschung", korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen sowie Mitglied verschiedener Fachkommissionen und -arbeitskreise.
Barbara Stollberg-Rilingers Forschungsschwerpunkte reichen von der Kultur- und Ideengeschichte der Aufklärung über die Verfassung und politische Kultur des Alten Reiches der frühen Neuzeit, die Naturrechtslehre und Reichspublizistik sowie die Sozial- und Kulturgeschichte der ständischen Gesellschaft bis zu den politisch-sozialen Ritualen und Zeremonien in der frühen Neuzeit. Sie gilt als Kopf der kulturgeschichtlich und kulturwissenschaftlich ausgerichteten Politikforschung des Alten Reiches. Ihre Monographien "Der Staat als Maschine. Zur politischen Metaphorik des absoluten Fürstenstaates (Berlin 1986) und "Vormünder des Volkes? Konzepte landständischer Repräsentation in der Spätphase des Alten Reiches" (Berlin 1999) behandeln zentrale Themen der politischen Theorie und Geschichte des Alten Reiches. Ihre Habilitationsschrift setzt entscheidende Akzente in der historischen Bewertung der altständischen Repräsentationsverfassung. In einer Reihe von Aufsätzen und Sammelbänden hat sie eine forschungsstrategische Neuorientierung der Politikgeschichte vorgeschlagen. Die Monographie "Des Kaisers alte Kleider. Verfassungsgeschichte und Symbolsprache des Alten Reiches" zieht die Summe dieser Bemühungen. In Münster hat sie eine breite Schülerschaft für dieses Forschungsfeld gewonnen und kürzlich im Kulturhistorischen Museum in Magdeburg mit der historischen Ausstellung "Spektakel der Macht-Rituale im Alten Reich 800-1800" die Ergebnisse ihrer Forschungen visualisiert und einem breiten Publikum zugängig gemacht. Aus ihrer Auszeichnung mit dem Leibniz-Preis der DFG ging das Forschungsprojekt "Vormoderne Verfahren" hervor, in dem sie mit ihren Mitarbeitern zentrale Themenfelder des Komplexes "Politische und juristische Verfahren der frühen Neuzeit" untersucht. Das von ihr initiierte Exzellenzcluster "Religion und Politik" der Universität Münster befasst sich mit dem spannungsreichen Verhältnis von Religion und Antike von der vorchristlichen Antike bis zur Gegenwart.


Angelika Storrer
Jg. 1958, Linguistik
Geisteswissenschaftliche Klasse, Ordentliches Mitglied
Angelika Storrer studierte Germanistik und Romanistik an der Universität Heidelberg und promovierte dort 1991 mit einer Arbeit über die theoretischen und methodischen Grundlagen der Beschreibung der Verbvalenz in Grammatikographie und Lexikographie. Ihr wissenschaftlicher Werdegang führte sie vom wissenschaftlichen Zentrum und dem Institut für wissensbasierte Systeme der IBM Deutschland in Heidelberg (1984-1991) über das Seminar für Sprachwissenschaft der Universität Tübingen (1992/93) an das Institut für deutsche Sprache Mannheim (1993-2002). 2002 folgte sie einem Ruf auf die Professur für Linguistik der deutschen Sprache und Literatur an die Technische Universität Dortmund. Sie ist Mitglied in verschiedenen wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Kommissionen; seit 2007 ist sie Vorsitzende der Gesellschaft für Sprachtechnologie und Computerlinguistik (GSCL).
Angelika Storrer gehört zu den innovativsten deutschen Sprachwissenschaftlerinnen ihrer Generation. In ihrer Dissertation, in der sie sich mit einem der klassischen Themen der deutschen Grammatik befasste, deutet sie bereits eine Reihe von Ideen für ihre künftigen Forschungen an. Allen gemeinsam ist die Frage danach, wie man klassische Aufgaben und Probleme der Sprachbeschreibung mit neuen Instrumenten angehen kann. Für eine der zentralen Aufgaben der Sprachwissenschaft, der Grammatikbeschreibung, hat sie eine Methode entwickelt, die es erlaubt, die Grammatik als "Hypertext" zu konturieren. Gegenüber den klassischen Verfahren ist dieses Vorgehen je nach Zweck und Nutzer in praktisch beliebiger Analysetiefe und formaler Präzision realisierbar und eröffnet der Grammatikbeschreibung und dem Grammatikunterricht damit völlig neue Möglichkeiten. Auch für die anderen Grundkomponenten der Sprache, dem Repertoire der lexikalischen Einheiten, hat sie eine Fülle von Möglichkeiten der Darstellung und Analyse beschrieben und realisiert, aktuell bei dem von ihr geleiteten DFG-Projekt Hytex. Ein klassisches Wörterbuch kann dieses Geflecht der höchst komplexen Bündel phonologischer, syntaktischer, morphologischer, semantischer und anderer Informationen und ihrer unterschiedlichen Bedeutungsrelationen aus Gründen des Umfangs, vor allem aber auch wegen der Komplexität der abzubildenden Informationen nur unvollkommen beschreiben. A. Storrer ist in diesem Bereich der Computerlexikographie in Deutschland führend und weltweit beispielgebend. Sie ist jedoch auch weltweit eine der wenigen Wissenschaftlerinnen, die die Form der Kohärenzbildung bei Hypertexten studiert haben. Dies ist nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, sondern auch wichtig, um zu klären, wie sich Hypertexte - die prägende Textform im Internet - an die menschliche Sprachverarbeitung anpassen und optimieren lassen. Durch die Nutzung der modernen Technik untersucht A. Storrer jedoch nicht nur altbekannte Probleme in neuer Form. Vielmehr treten in ihren Forschungen auf diese Weise auch ganz neue Phänomene ins Blickfeld.


Kathleen Thelen
Jg. 1956, Politikwissenschaften
Sozialwissenschaftliche Klasse, Ordentliches Mitglied
Kathleen Thelen, gebürtige US-Amerikanerin, studierte Politikwissenschaften an der University of Kansas und der University of California in Berkley, wo sie 1987 promovierte. Sie lehrte am Oberlin College, Princeton University und an der Northwestern University. Seit 2009 ist sie Ford Professor of Political Science am Massachusetts Institute of Technology. Sie war Gastwissenschaftlerin am Kellogg Institute for International Studies der Notre Dame University (1994) sowie am Centro de Investigatión y Docencia Económicas, Mexico City (1997/98). Sie weilte 2002/2003 als Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin und wurde 2007 zum Senior Research Fellow am Nuffield College (Oxford) ernannt. Von 2002 bis 2006 war sie Chair of the Council for European Studies, Columbia University. Ihre wissenschaftlichen Leistungen wurden mit herausragenden internationalen Auszeichnungen gewürdigt, darunter mit dem Max-Planck-Forschungspreis (2003). Seit 2005 ist sie auswärtiges Mitglied des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln. Kathleen Thelens wissenschaftliches Werk ist eng mit der Entwicklung der Forschungsrichtung des historischen Institutionalismus verbunden, zu deren weltweit führenden Vertretern sie gehört. Ihre Arbeiten beschäftigen sich mit der Entstehung, Entwicklung und Wirkungsweise jener politischen und gesellschaftlichen Institutionen, die für einen Interessenausgleich zwischen Arbeit und Kapital sorgen - so u.a. in ihrem zusammen mit S. Steinmo und F. Longstreth herausgegebenen Buch "Structuring Politics: Historical Institutionalism in Comparative Analysis" (Cambridge 1992). Sie hat sich zu allgemeinen Fragen der Institutionentheorie geäußert. Ihr 2004 hierzu erschienenes Buch "How Institutions Evolve: The Political Economy of Skills in Germany, Britain, the United States and Japan" (New York: Cambridge 2004) wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Mattei Dogan Award für das beste Buch im Bereich der vergleichenden Sozialwissenschaften und dem Woodrow Wilson Foundation Award für das beste 2004 veröffentlichte Buch über Regierung, Politik und internationale Beziehungen. Mit ihrer systematischen Analyse institutionellen Wandels verbindet sie historische Tiefenschärfe mit einem komplexen und subtilen begrifflichen Apparat, woraus sich Beziehungen zu Soziologie und Geschichtswissenschaft ergeben. Derzeit befasst sie sich mit vergleichenden Untersuchungen zur Entwicklung politisch-ökonomischer Institutionen in einer Reihe von europäischen Ländern, darunter vor allem in Deutschland. Sie zählt zu den wenigen ausländischen Sozialwissenschaftlern, die durch ihre Forschung dazu beitragen, dass die Besonderheiten des deutschen Gesellschaftstyps nicht nur besser verstanden, sondern auch vergleichend für das allgemeine Verständnis moderner Gesellschaften fruchtbar gemacht werden.


Gerhard Wolf
Jg. 1952, Kunstgeschichte
Geisteswissenschaftliche Klasse, Ordentliches Mitglied
Gerhard Wolf studierte in Heidelberg Kunstgeschichte, Christliche Archäologie und Philosophie. 1989 promovierte er in Heidelberg, 1995 habilitierte er sich an der Freien Universität Berlin. 1997 war er Directeur d?études invité der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris, folgte dann einem Ruf als Professor für Kunstgeschichte nach Trier (1998-2003). 2001/2002 war er Richard Krautheimer-Professor an der Bibliotheca Herziana in Rom. Seit 2003 ist er als Direktor am Kunsthistorischen Institut in Florenz und Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft. Er weilte zu Gastprofessuren an der Humboldt-Universität zu Berlin, in Wien, Basel, Buenos Aires, Mexiko-Stadt, Jerusalem, an der Accademia di Architettura Mendrisio, am ISI in Lugano, in Harvard (De Bosis-Visiting Professorship) und in Chicago (Lurcy Professorship). Seit 2008 ist er Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist Mitglied in zahlreichen wissenschaftlichen Beiräten. Seine Forschungen wurden mit Preisen und Ehrenmitgliedschaften international gewürdigt.
Die Forschungen von Gerhard Wolf setzten mit einer Dissertation zum Bilderkult und seiner Topographie im mittelalterlichen Rom ein. Hierfür studierte er mittelalterliche Quellen im Vatikan und verfügt dadurch über profunde Kenntnisse der Bildtheologie von der Spätantike bis in die Frühe Neuzeit. In einem zweiten Schritt hat er sich dem Christusbild zugewandt und sich mit seiner bildtheoretischen Begründung befasst. Diese Problematik verfolgt er weiter bis in die Moderne. Sie fand in dem von ihm mit H. Kessler herausgegebenen Sammelband "The Holy Face and the Paradox of Representation" (1989) und der gemeinsam mit G. Morello kuratierten Ausstellung "Il Volto di Cristo" im Heiligen Jahr 2000 einen Höhepunkt. G. Wolf erweist sich darin als wohl scharfsinnigster Analytiker eines der komplexesten Probleme der Bildgeschichte, der Legitimation und der Inszenierung des authentischen Christusbildes. Seine Habilitationsschrift "Schleier und Spiegel, Traditionen des Christusbildes und die Bildkonzepte der Renaissance" (2002) stellt das bedeutendste Werk zu diesem Problemkomplex seit E. v. Dobschütz' monumentalem Werk zu den "Christusbildern" von 1899 dar. In Florenz bemüht sich G. Wolf um die Begründung einer vergleichenden Kunstgeschichte des Mittelmeerraumes. Daraus sind Arbeiten zum normannischen Sizilien, zu Jerusalem und dem Sinai hervorgegangen. Mit diesen und anderen Projekten gehört G. Wolf zu der relativ kleinen Zahl deutschsprachiger Kunsthistoriker, die auch über außereuropäische Themen forschen, wobei die Frage nach historischen Kulturräumen im Zentrum steht. Hierzu zählt seine Zusammenarbeit mit der Universität Tokio über Kultbilder und Portraits in Ostasien und Europa, ein Ausstellungsprojekt in Mexiko-Stadt über frühkoloniale Federbilder in europäischen und extraeuropäischen Sammlungen, sowie die Untersuchung von vormodernen Dynamiken der "Globalisierung" zwischen Asien, Mittelmeerraum und Europa, die auch eine Kooperation mit den Staatlichen Museen in Berlin einschließt.

Weitere Informationen unter:
http://www.bbaw.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution556


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Gisela Lerch,
26.06.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juli 2009