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INTERNATIONAL/069: Kontroverse über neue Globale Infrastrukturfazilität der Weltbank (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. Oktober 2014

Entwickung: 'Sicherheit für Menschen, nicht nur für Investoren' - Kontroverse über neue Globale Infrastrukturfazilität der Weltbank

von Carey L. Biron


Bild: © David Brossard/cc by 2.0

Straßenbauarbeiten in der Nähe der Victoria-Fälle an der simbabwisch-sambischen Grenze
Bild: © David Brossard/cc by 2.0

Washington, 15. Oktober (IPS) - Die Weltbank hat eine neue Initiative gestartet, die Banken, Versicherungen, Pensionsfonds und andere institutionelle Anleger zu massiven Investitionen in den für Entwicklungsländer dringend erforderlichen Infrastrukturausbau motivieren soll. Nach Ansicht von Entwicklungsexperten muss die mit 15 Milliarden US-Dollar bezuschusste Globale Infrastrukturfazilität (GIF) Sicherheitsvorkehrungen treffen, um die Interessen der künftig von GIF-Projekten betroffenen Menschen zu schützen.

"Die neue Infrastrukturfazilität mag zwar ein begrüßenswerter Vorstoß sein, doch bezweifeln wir, dass ein solch plötzlicher Anschub neuer und teurer Infrastrukturunternehmungen das Leben der Menschen verbessern kann", erklärte Nicolas Mombrial, der Chef des Washingtoner Büros der internationalen Hilfsorganisation 'Oxfam International'.

Seiner Meinung nach muss die Weltbank sicherstellen, dass neue Kredite für die Infrastrukturfinanzierung mit entsprechenden Schutzvorkehrungen ausgestattet sind, um zu verhindern, dass die Entwicklungsinteressen der Ärmsten der Armen und der Gemeinden nicht Profitinteressen hintangestellt werden. "Wir brauchen Sicherheiten für die Menschen, nicht nur für die Investoren."

Zu den Einwänden der Zivilgesellschaft erklärte der GIF-Leiter Jordan Schwartz gegenüber IPS, dass sich die Initiative noch in den Kinderschuhen befinde. "Ich habe bereits mit Vertretern derjenigen Organisationen, die sich mit uns in der GIF engagieren wollen, gesprochen", sagte er. "So wie sie auch wollen wir gewährleisten, dass Entscheidungen rund um die Infrastrukturfinanzierung ökologische, soziale und wirtschaftliche Fragen berücksichtigen. Der Dialog im Sinne von nachhaltigen Investitionen wird fortgesetzt."


Infrastrukturfinanzierungsbedarf in Billionenhöhe

Bei der Vorstellung von GIF am 9. Oktober hatte der Weltbankpräsident Jim Yong Kim den zusätzlichen jährlichen Infrastrukturfinanzierungsbedarf bis Ende des Jahrzehnts mit einer Billion US-Dollar angegeben.

In den letzten Jahren hat sich der Privatsektor zunehmend aus dem Infrastrukturausbau in Entwicklungsländern zurückgezogen. Allein zwischen 2012 und 2013 war laut Weltbank ein Rückgang von fast 20 Prozent auf 150 Milliarden Dollar zu verzeichnen.

"In Anbetracht des hohen Infrastrukturfinanzierungsbedarfs begrüßen wir Initiativen wie diese", meinte deshalb Marilou Uy, die künftige Vorsitzende der G24-Entwicklungsländergruppe. "Dem Privatsektor kommt hier die wichtige Rolle zu, gute Modelle zu finden, mit denen es sich arbeiten lässt, damit private Investitionen in Entwicklungsländer wieder zunehmen und über das bisherige Level hinausgehen."

Für Überraschung sorgte in Washington die Entschlossenheit, mit der sich der Internationale Währungsfonds (IWF) auf der gemeinsamen Tagung mit der Weltbankschwester vom 12. bis 13. Oktober für die öffentliche Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen einsetzte.

Die GIF soll noch in diesem Jahr mit einer Reihe von Pilotprojekten durchstarten, die vor allem auf Klimafreundlichkeit und Handelsförderung abheben. Allerdings wird sie diese Initiativen nicht direkt finanzieren. Ziel ist es vielmehr, die Aufmerksamkeit des Privatsektors auf Straßen- und Brückenbau, auf Energie und andere Großprojekte zu lenken, die das Fundament für wirtschaftliche und soziale Entwicklung darstellen.

"Institutionelle Investoren haben tiefe Taschen. So verfügen Versicherungs- und Pensionsfonds über Vermögenswerte in Höhe von etwa 80 Billionen Dollar", erklärte Weltbankchef Kim am 9. Oktober. Doch Pensionsfonds investierten nur ein Prozent ihres Portfolios in Infrastrukturprojekte - und meist nur in solche der entwickelten Länder. Nicht die Finanzierungsfrage sei die Herausforderung, sondern der Mangel an bankfähigen Vorhaben.

Die Weltbank hofft nun, dass die GIF als Kanal fungiert, den Großinvestoren und die Experten der Entwicklungsinstitutionen nutzen können, um Regierungen zu beraten, wie sie Infrastrukturprojekte am besten strukturieren, um Investoren für langfristige Projekte zu gewinnen. Wie Kim erklärte, ist das "massive Infrastrukturdefizit" in Entwicklungsländern ein entscheidendes Hindernis, um die Armut zu bekämpfen.

Der Weltbank zufolge geht es dabei nicht darum, möglichst viel Geld für diese Projekte aufzutreiben. "Wir wissen, dass eine bloße Erhöhung der Infrastrukturfinanzierungsbeträge nicht notwendigerweise zu einem starken, nachhaltigen und ausgewogenen Wachstum führt", meinte der Geschäftsführer der Finanzorganisation, Bertrand Badre, in einer Mitteilung. "Entscheidend ist der Fokus auf die Qualität der Infrastruktur."


PPPs im Mittelpunkt

Die GIF wird sich auf die Stärkung der komplexen Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor (PPPs) fokussieren. Der privatwirtschaftliche Arm der Weltbankgruppe, die Internationale Finanzkorporation (IFC), hat Berichten zufolge die Zielsetzung vorweggenommen, indem sie ihre PPPs weltweit aufstockt.

Doch diese Zusammenarbeit ist umstritten, vor allem, wenn öffentliche Wassersysteme betroffen sind. Seit vielen Jahren ist bei privaten Unternehmen in aller Welt ein zunehmendes Interesse an Partnerschaften zu beobachten, in die oftmals jahrzehntelang vernachlässigten öffentlichen Wasserinfrastrukturen zu investieren.

Die IFC ist ein erklärter Befürworter der PPPs, die jedoch vor allem deshalb Kritik ausgelöst haben, weil sie zu einem Anstieg der Wassergebühren und einer Ungleichheit in der Wasserversorgung führten. In Nigeria läuft seit diesem Monat eine Kampagne, die die Regierung des westafrikanischen Landes dazu zwingen soll, aus den Verhandlungen mit dem IFC über ein mögliches Wasserprojekt auszusteigen. Was die Gegner aufbringt, ist, dass die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen geführt werden.

"Überall auf der Welt tritt die IFC als Beraterin von Regierungen auf, führt Ausschreibungsverfahren durch und entwirft komplexe und einseitige Wasserprivatisierungsverträge", warnt Akinbode Oluwafemi von der nigerianischen Umweltorganisation 'Aktion Umweltrechte'. "Sie diktiert willkürliche Vertragsbedingungen und ist Miteigentümer von den Wasserunternehmen, die sie als Vertragspartner auswählt. Gleichzeitig macht sie aggressive Werbung für das Modell, damit es sich überall auf der Welt durchsetzt."

Oluwafemi zufolge unterlaufen derartige Aktivitäten nicht nur jede demokratische Wasserverwaltung, sondern generieren zudem einen Interessenkonflikt innerhalb der IFC-Aktivitäten im Wassersektor. Dieses alarmierende Muster sei weltweit zu beobachten.

Die Weltbank schätzt den Anteil der Regierungen an der weltweiten PPP-Finanzierung auf ein Drittel. Dadurch werden die Staaten nach Ansicht der Wasserprivatisierungsgegner zu massiven Subventionen gezwungen, die diese Projekte in der Regel erforderlich machen.


Neuerliche Menschenrechts- und Umweltverstöße befürchtet

"Die GIF ist eine der treibenden Kräfte hinter dem großen, neuerlichen Schub zugunsten großer Infrastrukturprojekte. Doch das ist aufgrund der Geschichte von Menschenrechtsverbrechen und Umweltverstößen im Zusammenhang mit solchen Vorhaben besorgniserregend", meinte Shayda Naficy, Leiterin der Internationalen Wasserkampagne der Organisation 'Corporate Accountability International'.

"Doch ebenso beunruhigend ist, dass selbst dort, wo Infrastrukturen dringend erforderlich sind, wie etwa im Wassersektor, uns der Privatsektor illusorische Lösungen auferlegt. Zumindest im Fall von Wasser lässt sich sagen, dass der Privatsektor kein Interesse daran hat, in die Infrastruktur zu investieren." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/10/world-bank-pushes-private-sector-for-major-investments-in-infrastructure/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 15. Oktober 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Oktober 2014