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INTERNATIONAL/073: Kritik an geplanter Revision der Weltbank-Schutzbestimmungen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. Dezember 2014

Menschenrechte: Kritik an geplanter Revision der Weltbank-Schutzbestimmungen

von Carey L. Biron



Washington, 22. Dezember (IPS) - Mehr als zwei Dutzend UN-Sonderberichterstatter und unabhängige Experten laufen derzeit Sturm gegen die laufende Revision der wegweisenden Umwelt- und Sozialschutzbestimmungen der Weltbank. Ihre Kritik entzündet sich vor allem an der Neudefinition der Rolle der Menschenrechte in den Strategien der internationalen Finanzorganisation.

In einem am 16. Dezember veröffentlichten Schreiben äußern die insgesamt 28 UN-Experten ihre Befürchtung, dass die in Washington ansässige Bank eine "Abwärtsspirale" in Gang setzen könnte, sollten die vorgeschlagenen Änderungen umgesetzt werden.

In dem von dem UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte, Philip Alston, initiierten Brief wird der Bank eine selektive Interpretation ihrer eigenen Satzung und internationalen Verpflichtungen vorgeworfen. In der revidierten Fassung würden die Menschenrechte und internationalen Menschenrechtsbestimmungen wenn überhaupt nur beiläufig erwähnt.

"In den geplanten neuen Schutzklauseln der Bank werden die Menschenrechte aus einer größtenteils negativen Perspektive dargestellt", heißt es in dem Schreiben an den Präsidenten der Weltbankgruppe, Jim Yong Kim. Sollten sie in ihrer derzeitigen Form übernommen werden, würden sie eher zur Erhöhung der Kreditgebühren führen als positive Wirkungen entfalten.


Verantwortung soll auf andere abgewälzt werden

Die Bretton-Woods-Organisation rühmt ihre Schutzbestimmungen selbst als "Grundpfeiler ihrer Unterstützung einer nachhaltigen Armutsbekämpfung". Zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten werden diese Richtlinien nun überarbeitet. Doch als die Weltbank im Juli einen Entwurf ihrer Änderungen veröffentlichte, hagelte es Proteste, auch aus den Reihen der Zivilgesellschaft: Die Bank wälze die Verantwortung für die Einhaltung bestimmter Sozial- und Umweltstrategien auf die Kreditnehmer ab. Außerdem würden die neuen Leitlinien die kreditnehmenden Staaten von der Pflicht entbinden, gewisse Aspekte der Schutzklauseln zu beachten.

Ursprünglich sollte die Frist zur Sammlung der Reaktionen auf die neuen Schutzbestimmungen Ende des Jahres ablaufen. Doch nun wurde sie bis Frühjahr 2015 verlängert.

Dass hochrangige UN-Vertreter in einem formellen Schreiben ihre Bedenken gegen die neuen Richtlinien anmelden, ist ein für UN- Verhältnisse ein ungewöhnlicher und deshalb bedeutungsschwerer Vorgang. Die Unterzeichner seien "zutiefst beunruhigt darüber, dass die Bank die Uhr um mindestens 20 Jahre zurückstellen wolle", sagte Alston. "Bestehende Standards sollen durch ein System ersetzt werden, das die Verantwortung für die Menschenrechte einfach anderen aufbürdet, damit die Bank aus dem Schneider ist."

Seit den 1970er Jahren versucht die Weltbank sicherzustellen, dass sie mit ihrer Form der Entwicklungszusammenarbeit Diskriminierungen oder Umweltschäden keinen Vorschub leistet. Allerdings hat die Institution niemals verbindlich festgelegt, dass die von ihr geförderten Projekte internationalen Menschenrechtsstandards entsprechen müssen. Dahinter steht vor allem die Sorge, dass eine Politisierung der Kreditvergabe die Armutsbekämpfung erschweren könnte.

Alston und andere Beobachter geben zu bedenken, dass die Menschenrechte nicht allein im politischen Kontext betrachtet werden dürfen. Eine nachhaltige Entwicklung ohne einen spezifischen Fokus auf die Einhaltung der Menschenrechte sei gar nicht möglich, heißt es. Einige multilaterale Institutionen wie das UN-Entwicklungsprogramm UNDP haben ihre Leitlinien explizit den internationalen Menschenrechtsgrundsätzen angepasst.

Die Weltbank steht zugleich unter einem zunehmenden Wettbewerbsdruck, da in jüngster Zeit neue multilaterale Kreditvergabeorganisationen auf der internationalen Bühne erschienen sind. Etliche dieser Einrichtungen werden von den schnell wachsenden Volkswirtschaften wie China, Russland und Indien finanziert und gelten, was ihre Sozial- und Umweltstandards angeht, als weniger anspruchsvoll. In einem solchen Zusammenhang sehen Experten wie Alston die Bank aber umso mehr in der Pflicht, den Schutz der Menschenrechte in den Vordergrund zu stellen.

Die Führung der Weltbank hält entgegen, dass sie in den vergangenen 20 Jahren stets die Wechselbeziehung zwischen Menschenrechtsschutz und Entwicklungszusammenarbeit berücksichtigt hat. Stefan Koeberle, bei der Finanzorganisation für den Bereich Risikooperationen zuständig, hebt in einer Erklärung hervor, dass die vorgeschlagenen Reformen über all das hinausgingen, was andere Entwicklungsbanken zum Schutz der Menschenrechte zu bieten hätten.


US-Abgeordnete warnen vor "Verwässerung" von Schutzgarantien

Indes haben drei US-Parlamentarier die Regierung von Präsident Barack Obama auf die Gefahr hingewiesen, dass die überarbeiteten Weltbankvorgaben "den bestehenden Schutz verwässern" könnten. Ihre Kritik ist insofern bedeutsam, als dass die USA der größte Anteilseigner der Weltbank sind. In einem Schreiben an US-Finanzminister Jacob Lew merken sie an, dass eine im November vorgenommene Evaluierung durch die Asiatische Entwicklungsbank (AsDB) bereits auf einige der genannten Probleme hingedeutet habe.

Das Trio dringt auf eine Intervention der Regierung in Washington: "Das Finanzministerium hat in der Vergangenheit erfolgreich Bündnisse angeführt, die regionalen und nationalen Entwicklungsbanken strengere Schutzklauseln abverlangten", geht aus dem Brief hervor. "Wir erwarten, dass das Ministerium in diesem Fall eine ähnliche Führungsrolle einnimmt, damit die Schutzbestimmungen der Weltbank mindestens so streng sind wie die der AsDB oder anderer multilateraler Finanzinstitutionen." (Ende/IPS/ck/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/12/changes-to-world-bank-safeguards-risk-race-to-the-bottom-u-n-experts-warn/

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IPS-Tagesdienst vom 22. Dezember 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Dezember 2014


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