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MELDUNG/012: Bill Gates wirbt für "Robin-Hood-Steuer" (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. September 2011

Finanzen:
Bill Gates wirbt für 'Robin-Hood-Steuer'

von Jim Lobe


Washington, 26. September (IPS) - Microsoft-Gründer Bill Gates will offenbar die Einführung der vieldiskutierten Finanztransaktionssteuer (FTT) unterstützen. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy hatte den Milliardär im Februar darum gebeten, für den im November stattfindenden Gipfel der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) in Cannes Vorschläge zur Mittelbeschaffung für Entwicklungshilfe und Armutsbekämpfung auszuarbeiten.

Nach Ansicht von Beobachtern würde der Rückhalt durch Gates Sarkozy wesentlich dabei helfen, insbesondere die skeptischen EU-Staaten zur Billigung der so genannten Robin-Hood-Steuer zu bewegen. Sarkozy hatte den ehemaligen Chef des Software-Imperiums zu Rate gezogen, um die in vielen Ländern nach der Finanzkrise 2008/09 vorgenommenen Kürzungen bei der öffentlichen Entwicklungshilfe abzufedern.

"Der Report wird auf die kontroversen Aspekte des Vorschlags eingehen und zugleich für substanzielle Entwicklungshilfe werben", heißt es in einer 'fachlichen Anmerkung' zu dem Bericht, der am 23. September auf dem Jahrestreffen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds in Washington vorgelegt wurde.

Wenn sich die G20-Mitglieder und weitere Länder auf die Grundzüge einer FTT einigten, könnte der Bericht von Gates wichtige Finanzmittel generieren. Autor des Kommentars soll Geoffrey Lamb sein, der als Berater für die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung in Seattle tätig ist. Die gemessen an ihren Einlagen größte private Stiftung der Welt setzt sich für Neuerungen in den Bereichen Entwicklung und Gesundheit ein.


Einnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe prognostiziert

"Nach manchen Planungsmodellen könnte bereits eine niedrige Steuer von zehn Basispunkten auf Aktienkapital und zwei Basispunkten auf Anleihen in den G20-Staaten etwa 48 Milliarden US-Dollar und in den wirtschaftlich stärkeren EU-Staaten neun Milliarden Dollar hervorbringen", heißt es weiter. Andere Berechnungen kommen sogar auf Steuereinnahmen von 100 Milliarden bis 250 Milliarden Dollar, insbesondere wenn Derivate eingeschlossen werden.

Sollte ein großer Teil dieser Einkünfte für die Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt werden, könnte dies einigen Geberländern dabei helfen, ihren eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen, lautet die Schlussfolgerung.

Auch unabhängige Entwicklungshilfeorganisationen halten Gates' Position für hilfreich. "Das FFT-Schiff ist in See gestochen, und der reichste Mann der Welt ist an Bord", sagte Richard Gower von 'Oxfam International'. "Wir halten Kurs auf eine Einigung, die Milliarden Dollar liefern wird, mit denen die armen Länder gegen die Armut und den Klimawandel kämpfen können."

Sarah Anderson von der Denkfabrik 'Institute for Policy Studies' in Washington betrachtet es als wichtige Unterstützung, wenn Gates eine solche Steuer als realistisch bewertet. Anderson nahm während der vergangenen sechs Monate an von der Gates-Stiftung organisierten Beratungen teil. "Wir freuen uns, die FTT in 'Gates tax' umzubenennen", erklärte sie.

Ein weiterer Steuervorstoß war von dem Milliardär Warren Buffett gekommen. Er hatte im vergangenen Monat eine Reichensteuer angeregt, um das klaffende US-Haushaltsdefizit zu verringern.

Steuern auf Finanztransaktionen gab es bereits vor mehreren hundert Jahren. Nach den Wirtschaftskrisen in Asien und Russland in den neunziger Jahren gewann die Idee an Zugkraft. Wirtschaftsnobelpreisträger James Tobin schlug 2001 die Einführung einer FTT vor, um zu verhindern, dass kurzfristige Spekulationen weitere Krisen auslösten.

Die jüngste Finanzkrise, die vor drei Jahren mit dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehmann Brothers begann, gab den Plänen für eine FTT weiteren Aufschwung. Das Thema wurde von Frankreich und Deutschland 2009 auf dem Gipfel in Pittsburgh auf die Agenda gesetzt.


Obama ließ sich Steuer wieder ausreden

Der Pulitzer-Preisträger Ron Suskind schreibt in seinem neuen Buch 'Confidence Men', dass US-Präsident Barack Obama eine Finanztransaktionssteuer zunächst befürwortet habe. Der damalige Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats, Lawrence Summer, habe ihn dann aber von diesem Vorhaben abgebracht.

Auch Großbritannien war unter der Labour-Regierung ein Befürworter einer FTT. Inzwischen geht von dem Inselstaat jedoch der größte Widerstand innerhalb der EU aus. Großbritannien fürchtet unter anderem, dass eine solche Steuer London um die Position eines der weltweit wichtigsten Finanzplätze bringen könnte.

Frankreich und Deutschland gehören dagegen nach wie vor zu den großen Verfechtern der 'Robin-Hood-Steuer'. Finanzminister Wolfgang Schäuble drang erst kürzlich darauf, die Steuer so rasch wie möglich einzuführen.

Der Löwenanteil der Steuereinkünfte würde von den Ländern für interne Zwecke eingesetzt. Anhänger einer solchen FTT fordern aber, dass die sieben reichsten Industriestaaten (G7) mit diesen Zusatzeinnahmen den armen Ländern verstärkt bei der Entwicklung und bei der Anpassung an den Klimawandel helfen. Denn bereits vor den jüngsten Finanzkrisen waren wichtige Geberländer nicht mehr in der Lage, ihre Zusagen einzuhalten.


Gates will auch Raucher stärker zur Kasse bitten

Gates setzt sich nicht nur für eine FTT; sondern auch für eine wesentliche Erhöhung der Tabaksteuer ein. Sollte diese Änderung in den G20-Ländern und in der übrigen EU durchgesetzt werden, rechnet er laut den Anmerkungen zu dem bei dem Weltbank- und IWF-Treffen vorgelegten Bericht mit Mehreinnahmen von 170 Milliarden Dollar jährlich. Ein kleiner Teil davon sollte demnach als "Solidaritätsbeitrag" an Institutionen wie die Weltgesundheitsorganisation weitergeleitet werden. Im Kampf gegen den Klimawandel wurden außerdem hohe Steuern auf Schiffstransporte und Flugzeugbenzin vorgeschlagen. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.gatesfoundation.org/Pages/home.aspx
http://www.worldbank.org/
http://www.imf.org/external/index.htm
http://www.oxfam.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105211

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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. September 2011