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FRIEDEN/0995: Überflüssiger Besuch einer EU-Delegation im Gazastreifen (SB)



Auf der Suche nach Tatsachen - "Fact Finding Mission" im offiziellen Jargon Brüssels - war der Chef des Europäischen Parlaments Hans Gert Pöttering diese Woche mit einer Parlamentarierdelegation im Gazastreifen unterwegs. Welche Fakten auch immer er dort gefunden haben mag, die nicht längst den Berichten zahlreicher humanitärer Organisationen zu entnehmen sind, sie scheinen seinen Erkenntnishorizont nicht erweitert zu haben. Man müsse der Bevölkerung des Gazastreifens helfen, während man die Hamas daran hindere, sich wieder zu bewaffnen, erklärte er gegenüber der Presse und brachte damit das ganze Dilemma der humanitären Notlage in dem nach wie vor hermetisch abgeriegelten und kriegszerstörten Gebiet auf den Punkt seiner angeblichen Unlösbarkeit.

Tatsächlich stehen Israels Sicherheitsinteressen in einem höchst einseitigen Verhältnis zur Not der Palästinenser, die durch politische Fensterreden um keinen Deut gelindert wird. Pöttering wurde trotz des Zugeständnisses an die israelische Regierung, den Waffennachschub der Hamas trotz der bekannten Tatsache unterbinden zu müssen, daß die Untertunnelung der Nordgrenze des Gazastreifens hauptsächlich der Aufrechterhaltung der Versorgung der Bevölkerung mit einem Minimum an lebensnotwendigen Gütern dient, vom israelischen Präsidenten Shimon Peres darüber lektioniert, mit diesem Besuch ganz und gar nicht dem Frieden zugearbeitet zu haben. "Die Europäer müssen verstehen, daß Hamas eine gefährliche und mörderische terroristische Organisation ist, und müssen sofort damit aufhören, ihr gegenüber Sympathie zu zeigen oder sie zu unterstützen. Diese Haltung verhindert die Fortsetzung des Friedensprozesses", so der israelische Präsident in recht undiplomatischer Deutlichkeit.

Im Klartext bedeutet dies nichts anderes, als daß EU-Delegationen den Gazastreifen gar nicht erst besuchen, geschweige denn Hilfe nach eigenen Bedingungen leisten sollen. Um sich einen Rüffel bei Peres abzuholen und diesen unwidersprochen im Raum stehen zu lassen hätten Pöttering und seine Entourage gar nicht erst anreisen müssen. Aller Welt vorzuführen, daß Volksvertreter der EU im Nahostkonflikt nur dann alles richtig machen können, wenn sie die Position der israelischen Regierung ohne Abstriche nachbeten, bedarf des Aufwands an Zeit und Geld nicht. Das gilt um so mehr, als die Hamas von der EU als terroristische Organisation behandelt wird, so daß Pöttering, selbst wenn er wollte, keinen Einwand gegen die Position des israelischen Präsidenten erheben könnte. Wenn die gefundenen Tatsachen nicht einmal dazu gereicht haben, der Behauptung der israelischen Regierung entgegenzutreten, daß im Gazastreifen keine humanitäre Krise herrsche, dann hat die EU-Delegation nicht einmal das machbar Mindeste für die notleidende Bevölkerung getan.

Welchen Friedensprozeß Peres auch immer meint, er wird auf einer Durchsetzung israelischer Interessen fußen, der sich die Palästinenser niemals als Ganzes fügen werden. Als Produkt weithin verspielter Friedenschancen repräsentiert die Hamas einen Widerstandswillen, der politisch als solcher anerkannt werden muß und nicht einfach kriminalisiert werden darf, wenn man keine weitere Eskalation riskieren will. Wenn europäische Politiker, die sich mit Hilfe wohlfeiler Friedensbekundungen der Illusion hingeben, eine produktive, also nicht nur Israels Interessen befördernde Rolle zu spielen, überhaupt etwas erreichen, dann besteht dies in der Zementierung einer Widerspruchslage, deren Lösung nach wie vor in den Händen der stärkeren Konfliktpartei liegt. Israel bedarf der politischen Unterstützung der EU nicht, und die Palästinenser erhalten sie nicht, also sollte man keine symbolträchtigen Auftritte auf dem Rücken einer notleidenden Bevölkerung veranstalten.

26. Februar 2009