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FRIEDEN/1019: Verjüngte Fatah-Führung in ausgetretenen Pfaden (SB)



Der Generationswechsel an der Spitze der Fatah hat zwar jüngere Politiker an die Spitze der palästinensischen Partei gebracht, doch für einen Wechsel in der Politik gegenüber Israel mit dem Ziel, mehr für die angestrebte Eigenstaatlichkeit zu tun, fehlt weiterhin jede Handlungsfreiheit. Was die per Akklamation der großen Mehrheit der Delegierten des Generalkongresses erfolgte Wiederwahl des Palästinenserpräsidenten und PLO-Chefs Mahmud Abbas zum Führer der Organisation ankündigte, hat sich in der Besetzung des 23köpfigen Zentralkomitees der Fatah fortgesetzt. Man hat vor allem Sachwalter einer Politik der Defensive und des Opportunismus auf den Schild einer Befreiungsbewegung gehoben, deren Institutionalisierung als Empfängerin umfassender Hilfsgelder und Ansprechpartnerin der USA und EU kaum politischen Spielraum läßt.

Dabei haben alle mitgeholfen, der Fatah den Anstrich alter Streitbarkeit zu geben. Das im neuen Programm der Partei attestierte internationale Recht auf "Widerstand mit allen Mitteln" soll deutlich machen, daß man auch anders könnte. Das damit unterbreitete Angebot, für ein Minimum an Zugeständnissen seitens Israels auf diese Option zu verzichten, richtet sich allerdings an die eigenen Anhänger. Ihnen soll signalisiert werden, daß die Fatah nach wie vor das ernsthafte und authentische Anliegen der nationalen Befreiung verfolgt. Da dies auf der Seite Israels seit Jahren keine Resonanz erzeugt, ohne daß die Fatah zu drastischeren Maßnahmen gegriffen hätte, gibt es keinen Grund zu befürchten, daß sie dies in Zukunft tun könne.

Auf dem diplomatischen Basar wird eben nach allen Regeln der Kunst gehandelt. Dazu zählt auch die Androhung einer Gewalt, die viele Palästinenser immer wieder auf leidvolle Weise am eigenen Leib erleiden müssen, ohne aus ihrer Ohnmacht heraus beanspruchen zu können, daß deren Urheber zur Rechenschaft gezogen würde. So ist die Rüge des israelischen Verteidigungsministers Ehud Barak, die Rhetorik und die Positionen des Fatah-Programms seien "schlimm und für uns inakzeptabel", Bestandteil einer Scharade, bei der jeder weiß, was er am andern hat. Wenn Barak Abbas zu "ernsthaften Verhandlungen" (NZZ, 10.09.2009) mit Israel auffordert, dann müßte dieser dies ob der zahlreichen Vereitelungen seiner Gesprächsangebote durch die israelische Seite als Affront auffassen. Weitere Reaktionen der israelischen Regierung wie die Bekräftigung Benjamin Netanjahus, die Palästinenser sollten "Israel als Staat des jüdischen Volks" anerkennen, sprich jeglichen Anspruch auf das Rückkehrrecht ihrer Flüchtlinge wie die Gleichstellung arabischer Israelis aufgeben, zeugen nicht davon, daß die Chancen auf eine Lösung des Konflikts gewachsen wären.

Daran ändert auch die Wahl ausgesprochener Realpolitiker wie Mohammad Dahlan und Jibril Rajoub ins Fatah-Zentralkomitee nichts. Beide gelten als Sachwalter der Interessen Washingtons, beide sind im Bereich der inneren Repression für ihre Brutalität gefürchtet, und Dahlan ist als ehemaliger Sicherheitschef der Fatah in Gaza zudem ein ausgemachter Feind der Hamas. Mit derartigen Politikern kann die innere Einigung, die Mindestvoraussetzung für einen aussichtsreichen Friedensprozeß auf palästinensischer Seite, nicht gelingen, daran ändert auch die Aufnahme des in israelischer Haft sitzenden Marwan Barghouti ins Zentralkomitee nichts. Seine Popularität, die so groß sein soll, daß er Abbas als freier Mann bei Präsidentschaftswahlen ohne weiteres schlagen würde, steht in krassem Mißverhältnis zur Unbeliebtheit der mächtigen Sicherheitstechnokraten Dahlan und Rajoub, so daß von einer programmatisch geschlossenen und starken Führung der Fatah nicht die Rede sein kann.

Auch die Wiederwahl des Chefunterhändlers Saeb Erekat ist vor allem ein Zugeständnis an die US-Regierung. Barack Obama ist als Hoffnungsträger der Palästinenser allerdings eine wenig überzeugende Besetzung. Die gerne kolportierte Behauptung, er werde eine andere Nahostpolitik als sein Vorgänger betreiben, harrt noch des Beweises. Bislang ist die Bereitschaft des US-Präsidenten, für die Sache der Palästinenser Grenzen zu überschreiten, an denen die israelische Regierung große Stoppschilder errichtet hat, kaum vorhanden. Für die Fatah-Führung bleibt die müde Hoffnung, als Sachwalterin westlicher Interessen gegenüber der politischen Konkurrenz der Hamas bevorteilt zu werden und ein Leben unter dem Besatzungsregime zu führen, das nicht so elend ist wie das des Gros der palästinensischen Bevölkerung.

11. August 2009