Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

HEGEMONIE/1589: Unversöhnliche Bundesregierung meidet Antirassismuskonferenz (SB)



Man könne den Text des Abschlußdokuments der UN-Antirassismuskonferenz in Genf "mittragen", so der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung Günter Nooke gnädig gegenüber der Frankfurter Rundschau (24.03.2009), "aber wir sehen uns da jetzt nicht zum Handeln aufgefordert". Die Bundesregierung will auch am letzten Tag nicht an der Konferenz teilnehmen oder sich auf andere Weise für die dort formulierten Anliegen einsetzen, anders ist diese Aussage nicht zu verstehen. Obwohl man durch den Boykott der Konferenz und massiven diplomatischen Druck erreicht hat, daß Israel in der Abschlußerklärung mit keinem Wort erwähnt wird und die Not der Palästinenser dementsprechend keinen Anlaß zu irgendeiner Beschlußlage gibt, obwohl das niemals zu vergessende Andenken an den Holocaust wie bereits in Durban 2001 eigens aufgeführt wird, ist die Bundesregierung nicht bereit, ihre ablehnende Haltung zu revidieren.

Die damit vollzogene Abkehr von der behaupteten Werteorientierung der eigenen Politik basiert auf dem Schulterschluß mit einer israelischen Regierung, die deutlicher denn je demonstriert, daß sie an einem gerechten Frieden in Nahost kein Interesse hat. Dem angeblichen Eklat um die Rede des iranischen Präsidenten kommt dabei vor allem die Funktion eines zweckdienlichen Vorwands zu, hat Mahmud Ahmadinejad doch weder den Holocaust geleugnet noch Juden diskriminiert. Er hat israelische Regierungen des Rassismus bezichtigt und die zionistische Doktrin als Ursache dessen gebrandmarkt. Auch wenn man anderer Ansicht ist, dokumentiert der Abbruch jeglichen Meinungsaustausches vor allem die nichtvorhandene Bereitschaft, sich selbst prüfen zu lassen.

In Deutschland werden politische Ideologien wie die des Kommunismus mit nicht minder scharfen Worten in Bausch und Bogen verdammt, ohne daß davon betroffene Bürger deswegen den öffentlichen Diskurs mit Vertretern dieser Ansicht einstellten. Vorbehalte gegen bestimmte Weltanschauungen gehören zum politischen Tagesgeschäft wie der Versuch, Unstimmigkeiten mit Worten und nicht mit Waffen zu bereinigen. Die von westlichen Regierungen eingenommene Haltung, es gebe nur eine Wahrheit, nämlich die eigene, erfüllt im globalen Maßstab nicht einmal den demokratischen Anspruch, von einer Mehrheit der Weltbevölkerung gedeckt zu werden. Es handelt sich schlicht um eine Anmaßung, die mit dem Machtanspruch imperialistischer Politik durchgesetzt werden soll.

Besonders entlarvend an dieser Haltung der Bundesregierung ist die gleichzeitig unterlassene Kritik an der von israelischen Politikern geübten Gleichsetzung des Irans und seines Präsidenten mit dem NS-Regime und seinem Diktator. Die von dem Knesset-Sprecher Reuven Rivlin behauptete Wiederkehr Adolf Hitlers in der Person des iranischen Präsidenten oder der bei einer Gedenkfeier im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau vom stellvertretenden Premierminister Silvan Shalom gezogene Vergleich zwischen dem Iran und Nazideutschland grenzen ihrerseits an eine Relativierung des Holocaust, mit der das Leid der jüdischen Opfer aufs Gröbste mißbraucht wird. Im Iran, der über eine alte jüdische Tradition verfügt, lebt eine von den Behörden keineswegs drangsalierte jüdische Minderheit, so daß Politiker, die NS-Vergleiche auf das Land münzen, nur die Behauptung Ahmadinejads bestätigen, daß der Holocaust als Vorwand für andere Zwecke genutzt wird.

Die im Mittelpunkt der Bezichtigung des Irans stehende Bedrohung durch Atomwaffen, über die das Land nicht verfügt und von denen lediglich behauptet wird, daß es sie herstellen will, ist schon aufgrund des hohen atomare Abschreckungspotentials Israels wie dem von den USA in einem solchen Fall garantierten militärischen Beistand völlig überzogen. Es geht um geostrategische Interessen und Manöver, für die alle Register unlauterer Mittel gezogen werden.

Nun heißt es für die Bundesregierung, den Worten Taten folgen zu lassen und den Iran nicht auf der einen Seite zu dämonisieren und auf der anderen Seite zu begünstigen. Der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, verzichtete anläßlich des Lobes, das er der Bundesregierung für den Boykott der Antirassismuskonferenz erteilte, nicht darauf, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Iran und Deutschland zu kritisieren: "Die Geschäfte blühen, während die Moral verkümmert. Hier stimmt etwas nicht" (Deutschlandfunk, 21.04.2009). Graumann fordert die Bundesregierung auf, sich für die allgemeine Ächtung des Irans einzusetzen und etwas gegen den deutsch-iranischen Handel zu unternehmen. Nun ist Bundeskanzlerin Angela Merkel gefragt, diese Geschäfte endlich anderen zu überlassen und die Vertreter der deutschen Exportwirtschaft über das Primat moralischer Werte in der Politik aufzuklären. Man darf gespannt sein, ob sie sich darauf versteht, nicht nur so zu tun, als sei die Bundesrepublik engster Bündnispartner Israels und der USA, sondern auch unangenehme Konsequenzen dafür in Kauf zu nehmen.

24. April 2009