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HEGEMONIE/1594: Palästinenserstaat lange vor der Geburt gestorben (SB)



Als Staatsgebilde ohne Verfassung und definierte Grenzen stellt sich Israel seit seiner Gründung als provisorischer Entwurf dar, der auf Expansion angelegt ist und sich die dafür benötigten vollendeten Tatsachen fortwährend selber schafft. Leidtragende sind zwangsläufig die Palästinenser, deren Verdrängung und Vertreibung die Maxime aller israelischen Regierungen ungeachtet deren jeweiliger Zusammensetzung war. Würden Juden in einem gemeinsamen Staat mit den Palästinensern leben, wäre die demographische Entwicklung der zuverlässigste Bündnispartner des arabischen Bevölkerungsteils. Wollte man aber die Zweistaatenlösung realisieren, droht der Bürgerkrieg mit den Siedlern, die das okkupierte Land nicht freiwillig räumen werden. Daher bleibt als strategische Option mit den geringstmöglichen Einbußen eigener Existenzsicherung zu Lasten anderer die unablässige Dezimierung des Palästinenserproblems durch alle erdenklichen Formen militärischer, ökonomischer und administrativer Drangsalierung.

Folglich werden Palästinenser systematisch ihres Landbesitzes, ihrer Häuser, ihrer Erwerbsmöglichkeiten, ihrer Freizügigkeit, ihrer politischen und kulturellen Betätigung, ihrer Bildungsmöglichkeiten, einer angemessenen Ernährung und Gesundheitsversorgung und ihres Lebens beraubt. Entsetzliche Massaker wie der Angriff auf den Gazastreifen um die Jahreswende unterscheiden sich in der Intention nicht von der Hungerblockade, welche die schleichende Komponente des Genozids repräsentiert. Unterernährung, Krankheit und sinkende Lebenserwartung führen unmittelbar zur Dezimierung der Bevölkerung, wobei die unerträglichen Lebensverhältnisse nicht zuletzt die Heimatverbundenheit brechen und die Abwanderung oder Deportation beschleunigen sollen.

Vor diesem Hintergrund bleibt der Palästinenserstaat ein Luftschloß, das Barack Obama wie einen riesigen bunten Luftballon zu überdimensionaler Größe aufbläst, um das fasziniert zuschauende Publikum in seinen Bann zu schlagen. Endlich werden Nägel mit Köpfen gemacht, zollt man der neuen US-Administration hohes Lob, als sei plötzlich Bewegung in den Nahostkonflikt gekommen, die auf etwas anderes als die Niederwerfung der Palästinenser hinausläuft. Nachdem die israelische Führung mit brutaler Waffengewalt demonstriert hat, daß Widerstand nur um den Preis sofortiger Vernichtung geleistet werden kann, wird nun eine neue Etappe fiktiver Verhandlungsoptionen eingeläutet, die weder den Ausbau der jüdischen Siedlungen noch die Verelendung der Palästinenser unterbricht.

Derzeit konzentriert sich die Siedlungspolitik darauf, das Westjordanland endgültig in zwei Teile zu spalten und Ostjerusalem derart einzuschließen, daß ein lebensfähiger Palästinenserstaat mit dieser Hauptstadt schlechterdings unmöglich scheint. Blickt man auf sechs Jahrzehnte Israel zurück, so mutet die aktuelle Situation wie der Triumph aggressiven Dominanzstrebens an, das die Schraube mit jedem Krieg und jedem gebrochenen Abkommen immer enger gezogen hat, bis für die Palästinenser kaum noch etwas übriggeblieben ist, das man mit Attributen eines Staates wie Territorium, Sourcen, Infrastruktur und konsistente politische Willensbildung in Verbindung bringen würde.

Während Israel die Fiktion des bedrohten Existenzrechts vorhält, um seine Staatsgründung zugunsten fortgesetzter Okkupation nie vollends abzuschließen, bleibt den Palästinensern nur ein lange vor seiner Geburt gescheiterter Staat und damit eine vergebliche Hoffnung, welche die letzten verbliebenen Kräfte des Aufbegehrens gegen den Untergang bindet, kanalisiert und neutralisiert.

12. Mai 2009