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HEGEMONIE/1639: EU-Parlamentarier von US-Kollegen eingeschüchtert? (SB)



Die Absage des für diese Woche geplanten Besuches einer Delegation von EU-Parlamentariern im Iran scheint nach allem, was man bisher weiß, auf eine Intervention ihrer Kollegen im US-Kongreß zurückzugehen. Rund ein Dutzend US-Abgeordnete hielten den Zeitpunkt der Reise aufgrund des gewaltsamen Vorgehens der iranischen Regierung gegen oppositionelle Demonstranten für nicht angemessen, heißt es in den dürren Meldungen der Nachrichtenagenturen.

Da die EU-Abgeordneten in Teheran iranische Parlamentarier sowie Menschenrechtsaktivisten treffen wollten, kann ihnen nicht von vornherein vorgeworfen werden, daß sie die Teheraner Regierung mit ihrem Besuch unterstützten. Sollten sie tatsächlich aufgrund äußeren Drucks von ihrer Reise Abstand genommen und sich auf die unbefristete Verschiebung ihres Besuchs eingelassen haben, dann hätte diese Parlamentariergruppe ohne Not dafür gesorgt, daß die ohnehin geringen außenpolitischen Einflußmöglichkeiten des EU-Parlaments noch weiter entwertet worden wären.

Mit Vertretern eines Landes, das nicht nur von den Problemen eines Machtkampfs zerrüttet ist, dessen soziale wie politische Gründe die Gefahr einer bürgerkriegsartige Eskalation in sich bergen, sondern das auch noch zum Opfer der geostrategischen Ziele westlicher Großmächte gemacht werden soll, nicht zu sprechen kann nur zur Verschlechterung der Lage beitragen. Es ist allgemein bekannt, daß die Falken in Washington und Tel Aviv nicht davor zurückschrecken, den Iran mit militärischen Mitteln anzugreifen, wenn sich seine Regierung nicht den von ihnen erhobenen Forderungen beugt. Die seit Jahren bestehende Kriegsgefahr ist, obwohl es bisher nicht zum Äußersten gekommen ist, nicht geringer geworden, sondern wird auch deshalb nach Kräften geschürt, weil ein militärischer Überfall auf den Iran zu einer dramatischen Polarisierung in der internationalen Staatenwelt führte, die allein den Zielen aggressiver Geopolitiker in den USA, der EU und Israel zuarbeitete.

Wie auch immer man sich in der EU im iranischen Machtkampf positioniert, kann die angemessene Handlungsweise doch nicht darin bestehen, das Gespräch mit den beteiligten Akteuren zu vermeiden. Mit einem solchen Verdikt werden diejenigen Kräfte gefördert, die mit der einseitigen Dämonisierung der Regierung in Teheran die Chancen für einen Angriff auf das Land vergrößern. Wenn sich die EU-Parlamentariern in diese Front einbinden ließen, dann bestätigten sie, daß der Anspruch ihres Hauses, eine Volksvertretung zu sein, ein solcher bleiben wird. In Anbetracht der Tatsache, daß die europäischen Bürger in ihrer großen Mehrheit nicht in einen weiteren Krieg gezogen werden wollen, hätten die EU-Parlamentarier ein Zeichen ihrer Unabhängigkeit setzen können, wenn sie sich nicht beirren ließen und im Iran deutlich machten, daß die Bevölkerungen der EU jegliche Gewaltanwendung gegen das Land ablehnen.

Wenn die EU-Abgeordneten Probleme mit der Komplexität des Themas haben und befürchten, von der Regierung in Teheran instrumentalisiert zu werden, dann haben sie mit ihrem Mangel an Mut bewiesen, daß sie keinen Einwand dagegen haben, sich von US-Politikern instrumentalisieren zu lassen. Dies für weniger schlimm zu halten läßt angesichts der aggressiven Politik, mit der die Regierung in Washington ihren globalen Führungsanspruch in einer wachsenden Zahl von Ländern unterstreicht, an Eindeutigkeit allerdings nichts zu wünschen übrig.

4. Januar 2010