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HERRSCHAFT/1491: Schwarz-gelber Durchmarsch in neofeudale Verhältnisse (SB)



Mit der historisch geringen Wahlbeteiligung und Kür einer Regierung aus denjenigen Parteien, die das Bündnis aus Kapital- und Staatsmacht am meisten verkörpern, ist die Marschrichtung auf die Zementierung der immer weiter auseinanderklaffenden sozialen Widersprüche klar vorgegeben. Ein gutes Viertel der Bundesbürger hat keine Meinung darauf, sich als bloßer Legitimationsproduzent zu betätigen, und verzichtet darauf, der Inszenierung des Volkssouveräns als angeblich bestimmendem Faktor der Politik beizuwohnen. Die solide Mehrheit der wirklichen Besitzstandwahrer, der "Leistungsträger", die auf der Basis strukturell etablierter Herrschaftsverhältnisse das Ihrige mehren wollen, ohne dabei von der anwachsenden Schar der Hungerleider gestört zu werden, votiert für die Fortsetzung einer Krise, als die das herrschende Gesellschaftssystem mit Krieg, Ausbeutung und Unterdrückung auch zu Zeiten in Erscheinung tritt, in denen die makroökonomischen Daten etwas anderes suggerieren.

Der Niedergang der SPD als einer Partei, in der man mittlerweile sozialdemokratische Arbeitskreise gründen muß, um ihrem Namen gerecht zu werden, belegt, daß die Uhr der Klassenkompromisse endgültig abgelaufen ist. Es bedarf keiner vermittelnden Handreichungen, wenn es keine gesellschaftliche Alternative mehr zu geben scheint, für die sich Massen mobilisieren lassen. Als Steigbügelhalter des neofeudalen Elitismus, den die zur Natur des gesellschaftlichen Grundverhältnisses gewordene Konkurrenz- und Gewinnermentalität hervorgebracht hat, hat die SPD ihren Zweck erfüllt. Sie kann abdanken und den Stab an die Linke weiterreichen, die der wirksamen Erneuerung der Sozialdemokratie so sehr im Wege stehen wird, daß sie, wenn sie sich nicht auf die Prinzipien emanzipatorischer und antikapitalistischer Opposition besinnt, droht, selbst jede genuin linke Kontur zu verlieren.

Ob der Vertrauensvorschuß, der der Linken gegeben wurde, sich für ihre Wähler auszahlen wird, zeigt sich insbesondere daran, ob sie dem Versuch widerstehen kann, auf Landesebene das Modell ihrer Regierungsbeteiligung in Berlin zu reproduzieren. Die neue Stärke der Linken kann sich durchaus als Danäergeschenk erweisen, ist doch das integrative Potential des Parlamentarismus eben darauf ausgerichtet, alle Ecken und Kanten radikaler und fundamentaler Gegenpositionen zugunsten der Kohäsion stabiler Herrschaftsverhältnisse abzuschleifen.

Die schwarz-gelbe Republik bedarf einer Opposition, die die Interessen der in ihr absehbar unter die Räder des Verwertungsprimats geratenden Menschen so streitbar vertritt, daß die Fronten nicht unter dem programmatischen Konsens, laut dem systemische Stabilität wichtiger ist als das Interesse der Bevölkerung an angemessenen Lebens- und Arbeitsbedingungen, und der Kumpanei politischer und bürokratischer Funktionseliten begraben werden. Dafür ist angesichts der Tatsache, daß SPD und Grüne längst bewiesen haben, daß ihnen dieser Konsens und das eigene Vorteilsstreben wichtiger ist als die Seele, die nicht zu verkaufen man in grauer Vorzeit einmal behauptete, bestenfalls die Linke gut. Will sie ihre Basis in der Bevölkerung ausbauen, dann bedarf sie einer starken Verankerung in sozialen Bewegungen, die sie an ihre Grundsätze erinnern und die sich zusehends als einzige Möglichkeit herausstellen, an den von oben abgeregelten und abgeriegelten Verhältnissen noch etwas zu verändern.

27. September 2009