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HERRSCHAFT/1521: Wolfgang Schäuble kündigt Ende des Bankgeheimnisses an (SB)



Nachdem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ganz offiziell die Abschaffung des Bankgeheimnisses in Europa und damit sein Ende angekündigt hat, ist das Frohlocken von Menschen, denen dieses bürgerliche Privileg nichts nützt, weil sie nichts zur Bank zu tragen haben, zwar verständlich, aber dennoch kurzsichtig. Den Einbruch einer gerechteren Gesellschaft zu vermuten, weil die Steuerflucht erschwert wird, ist abwegig, solange das Primat der kapitalistischen Marktwirtschaft existiert. Nach wie vor werden die Möglichkeiten, Abgaben an den Staat zu umgehen, im Verhältnis zur Größe der jeweiligen Vermögen wachsen. Auch wird die Abschaffung des Bankgeheimnisses nichts am dominanten Einfluß der Kapitalmacht auf die Politik ändern. Die Durchsetzung eines Steuerrechts, das Kapitalinteressen prinzipiell bevorteilt, wird vermehrt zu Lasten kleiner Besitzstände gehen, während die Schonung großer Vermögen der Intelligenz der Steuerberater und der steuerlichen Begünstigung von Investitionen überlassen bleibt. Keinesfalls wird dieser Staat sozialer, weil er ein Element bürgerlicher Autonomie aufhebt und die Instrumente kapitalistischer Vergesellschaftung schärft.

Auch wenn es Zufall sein mag, daß es der ehemalige Bundesinnnenminister ist, der das ohnehin kaum mehr vorhandene Bankgeheimnis für beendet erklärt, so drückt sich darin ein analoges Interesse des Sicherheits- und Steuerstaats aus. Mit der Transparenz seiner finanziellen Transaktionen unterwirft sich der Bürger noch mehr dem staatlichen Zugriff, als er es aufgrund des umfassenden Wissens, das dieser über ihn besitzt, bereits tut. Um gegen potentielle Steuersünder oder andere illegaler Geschäftspraktiken verdächtigte Personen vorzugehen, könnte man verstärkt auf die effiziente Regulation ihrer Einnahmen und Ausgaben setzen. Was im Bereich der Terrorismusabwehr längst üblich ist, und zwar ohne richterliche Anweisung oder Überprüfung allein auf der Grundlage geheimdienstlicher Verdächtigung, könnte desto leichter auf weitere Felder präventiver Verbrechensbekämpfung, sprich der Einschränkung der Freiheit und Handlungsfähigkeit unbescholtener Bürger, ausgeweitet werden.

In einer auf Geldverkehr beruhenden Gesellschaft wird dem Staat mit der totalen Transparanz privater Finanzen ein Mittel an die Hand gegeben, gezielt das Ende jeglicher gesellschaftlichen Teilhaberschaft zu erwirken. Wie dies konkret aussieht, belegt das Schicksal von Menschen, die auf der Terrorismusliste der EU stehen. Das Bankgeheimnis in einer weiterhin kapitalistischen Gesellschaft aufzuheben ist nicht per se fortschrittlich, sondern dient in erster Linie dem Ausbau herrschender Verfügungsgewalt. In Anbetracht der weltweiten Verknappung essentieller Ressourcen sollte nicht vergessen werden, an Notstandsmaßnahmen zu denken, deren sozialtechnokratischer Nutzen etwa anhand der Zuteilung überlebenswichtiger Güter anstelle der Auszahlung frei verfügbaren Geldes an Asylbewerber beispielhaft vorgeführt wird. Die auch für Hartz IV-Empfänger immer wieder geltend gemachte Forderung, diesen nurmehr Sachleistungen zu gewähren, um angeblichen Mißbrauch zu vermeiden, wirft den Schatten einer Lebensverwaltung voraus, die durchzusetzen die Aufhebung der freien Verfügbarkeit eines anonymen Zahlungsmittels wesentliche Voraussetzung ist.

7. Februar 2010