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PROPAGANDA/1517: Bezos Earth Fund - Kontrolle ist gut, Besitz ist besser ... (SB)



Jeff Bezos ist nicht nur der reichste und erfolgreichste Unternehmer der Welt, er ist - wie sollte es angesichts dessen auch anders sein - auch für die massive Auspressung von Lohnarbeit in dem von ihm gegründeten Konzern berüchtigt. In der Bundesrepublik verweigert Amazon trotz jahrelanger Streiks die Anerkennung der regionalen Flächentarifverträge, die den Belegschaften ein Tarifeinkommen wie im Einzel- und Versandhandel garantierten. 2014 wurde Bezos auf dem Weltkongreß des Internationalen Gewerkschaftsbundes zum schlimmsten Chef des Planeten gewählt. Preisverdächtig sind auch Amazons Maßnahmen zur Überwachung und Verdichtung der Arbeit im Versandbetrieb, sie wurden 2015 mit der Verleihung des Big Brother Awards gewürdigt. Der zum Online-Handel von Büchern gegründete Konzern hat das Auswählen, Verpacken und Ausliefern der von ihm versandten Waren derart perfektioniert und durchrationalisiert, daß die Jobs in den Logistikzentren den extremsten Formen schnell getakteter und körperlich eng vermessener Tätigkeit an den Fließbändern der Güterproduktion gleichen.

Mit der konsequenten Taylorisierung der Logistik im Versandhandel und seiner Monopolisierung, der Auswertung der beim Suchen und Bestellen generierten Kundendaten, mit einer Strategie maximaler Steuervermeidung, des Einstreichens öffentlicher Subventionen durch aggressiv initiierte Standortkonkurrenz sowie der kostensenkenden Nutzung von Niedriglohnarbeit, prekärer Beschäftigung, Clickworkern und Scheinselbständigen ist der Unternehmer so reich geworden, daß er nun 10 Milliarden Dollar in den von ihm geschaffenen Bezos Earth Fund stecken will. Damit sollen WissenschaftlerInnen, AktivistInnen und Nichtregierungsorganisationen beim Kampf gegen den Klimawandel finanziell unterstützt werden.

Ob, wie berichtet, Bezos damit tatsächlich auf Kritik an umwelttechnisch wenig nachhaltigen Geschäftspraktiken seines Unternehmens wie etwa bei der Stromversorgung von Serverparks reagiert, muß Spekulation bleiben. Selbstverständlich ist das von Amazon angezettelte Wettrennen um die schnellste Zustellung online bestellter Waren das praktische Gegenteil eines ökologisch sinnvollen Versandhandels. Auch der Aufbau eines gigantischen Logistikzentrums im polnischen Poznan, wo zu geringsten Löhnen Bestellungen aus der Bundesrepublik bearbeitet und mit entsprechend höherem Transportaufwand ausgeliefert werden, spricht nicht für besonders grüne Unternehmenspolitik. Und die anstehende, nur noch durch menschliche Arbeit, die noch billiger ist als die von Robotern, verzögerte Vollautomatisierung der Versandlogistik wird energietechnisch höchst verbrauchsintensiv sein.

Da der grüne Kapitalismus von immer mehr Unternehmen als das Businessmodell der Zukunft betrachtet wird, will Jeff Bezos nicht zurückstehen. Sein Aufstieg in die oberste Riege philantrophischen Sponsorentums, wo die Meritokratie des Industrie- und Finanzkapitals mit Almosen an die Bedürftigen Legitimation scheffelt und zugleich wichtige Innovationsfelder unter karitativem Vorzeichen besetzt, ist in jedem Fall eine gute Geschäftsidee. Mit dem Kauf der traditionsreichen Tageszeitung The Washington Post hat Bezos bereits gezeigt, wie sich publizistische Einflußnahme und geschäftlicher Erfolg optimal ergänzen lassen. Nun geht es darum, in der wichtigsten gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzung der nächsten Jahre und Jahrzehnte Schlüsselpositionen zu besetzen.

Wer heute noch zur Schule geht und aus vollem Herzen für eine klimagerechte Zukunft streitet, wird morgen auf ein Erwerbseinkommen angewiesen sein. Jugendlicher Klimaaktivismus muß nicht ins radikalökologische Extrem führen, auch wenn die Verzögerungstaktik vieler Regierungen dies angesichts der drohenden Katastrophe nahelegen könnte. Wie ehemalige Linksradikale, die sich heute als Chefredakteure, Unternehmensvorstände, PolitikberaterInnen oder Ministerialbeamte verdingen, winken auch Klimabewußten und Umweltaktiven lukrative Berufskarrieren. Das Gehaltsniveau auf den oberen Ebenen weltweit operierender NGOs ist an der Entlohnung von Managern in Wirtschaftsunternehmen orientiert, und auch das klimawissenschaftlich ausgebildete Personal, das Regierungen, Institutionen, Agenturen und Unternehmen aller Art künftig benötigen werden, sollte nicht allzu schlecht entlohnt werden.

Wenig wahrscheinlich ist, daß das Team, das im Bezos Earth Fund über die Mittelvergabe entscheidet, Menschen und Gruppen fördern wird, die den Kapitalismus überwinden wollen und den Ökosozialismus anstreben. Wer radikale Gesellschaftsveränderung als Voraussetzung zur Beschränkung des Klimawandels für unabdinglich hält, dürfte kaum beim Amazon-Chef anklopfen und Revolutionssteuer einfordern. So verfügt Bezos mit dem großzügig gefüllten Geldtopf über ein Instrument politischer Intervention, dem die Begünstigung grüngewaschener Gesetze und Unternehmensstrategien weit näher liegen als die Alimentierung dagegen gerichteter Bewegungen. Die in Aussicht gestellte Mittelvergabe selbst kann als Strategie des Teilens und Herrschens verstanden werden. So dürfte der Wettlauf, der unter Klimabewegungen und Umweltgruppen in der Hoffnung, ein Stück vom Förderkuchen zu erhalten, ausbrechen könnte, nicht lange auf sich warten lassen.

Es ist damit zu rechnen, daß der Vorstoß des Amazon-Chefs nicht der einzige sein wird, mit dem kapitalstarke AkteurInnen versuchen, den Klimadiskurs in ihrem Sinne zu beeinflussen. Je existenzieller die von der Klimakatastrophe ausgehende Bedrohung ist, desto tiefer werden die dagegen gerichteten Maßnahmen ins gesellschaftliche Getriebe eingreifen. Das Bekenntnis großer Finanzinvestoren, ihr Geld nur noch in ökologisch nachhaltige Projekte zu stecken, hat in jüngster Zeit viel Aufsehen erregt. Heute kann es sich kaum ein Unternehmen mehr leisten, kein grünes Reputationsmanagement zu betreiben. Um so mehr wird sich dessen Effizienz daran bemessen, ob es sich auch politisch auszahlt oder nur für eine weniger häßliche Fassade taugt.

18. Februar 2020


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