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RAUB/0964: Auch als Philanthrop macht Tony Blair eine schlechte Figur (SB)



Der opportunistische Winkelzug einiger Superreicher, durch die Spende ihres halben Vermögens für wohltätige Zwecke sich selbst wie auch dem System, das ihren immensen Reichtum möglich gemacht hat, den Ablaß zu erkaufen, scheint Schule zu machen. Philanthropie, so lautet ihre Botschaft, kann sich dort bestmöglich entfalten, wo man dem Anhäufen der Schätze und deren Verwendung freien Lauf läßt. Vor dem Hintergrund der erbitterten Kontroverse um die Frage, ob die massiven Steuersenkungen für die Reichen aus der Bush-Ära fortgesetzt oder zurückgefahren werden, die im Herbst zu den zentralen Themen der US-Politik gehören dürfte, macht diese Kampagne für ihre Initiatoren Sinn - und zwar nicht nur, was ihre inszenierte Bekehrung vom Saulus zum Paulus mit Blick auf ihr persönliches Ansehen betrifft, sondern auch unter ökonomischen Gesichtspunkten. Angesichts des grundsätzlich fragilen Charakters bloßen Geldvermögens und seiner drohenden Entwertung läßt sich durch dessen anteilige Deponierung in Stiftungen zu steuergünstigen Konditionen die künftige Sicherung des eigenen Reichtums womöglich weit eher sicherstellen als auf dem Wege konventionellen Hortens und Anlegens. Das gilt um so mehr, als im Kontext der Suche nach den Schurken, denen man die kapitalistische Systemkrise in die Schuhe schieben kann, ein Zuwachs an staatlicher Regulation nicht auszuschließen ist, der das System zu bewahren und konsolidieren sucht, indem er dessen angebliche Auswüchse beschneidet.

Von Bill Gates, Warren Buffett und den anderen 38 Mitgliedern des Spenderpakts animiert scheint auch Tony Blair den handfesten Wert öffentlich zelebrierter Wohltätigkeit erkannt zu haben. Zwar gehört der frühere britische Premier gewiß nicht zu den Superreichen, wohl aber zum erlesenen Kreis jener begüterten ehemaligen Staatslenker, denen der überwiegende Teil ihrer Landsleute die Pest an den Hals wünscht. Gute Gründe, etwas für seinen desolaten Ruf zu tun, hat Blair allemal, zumal sein Versuch, sich als passivster Nahostbeauftragter aller Zeiten so unauffällig wie möglich auch des geringsten Vermittlungsversuchs zugunsten der Palästinenser zu enthalten, folgerichtig zu seiner Nichtbeachtung auch von israelischer Seite geführt hat.

Am 1. September werden die Memoiren Tony Blairs unter dem Titel "A Journey" in London veröffentlicht. Schlitzohrig hat der frühere Premierminister angekündigt, er spende sämtliche Einkünfte dem britischen Veteranenverband, dem das Geld den Bau eines Rehabilitationszentrums für Kriegsversehrte ermöglichen soll. Wie die NZZ am Sonntag unter dem Titel "Gift und Galle für Spender Tony Blair" (22.08.10) berichtet, ist dem Politiker im Tarnkleid des generösen Menschenfreunds dieses Manöver schlecht bekommen. Kübelweise habe sich die Häme über den einstigen Hoffnungsträger ergossen, den die Angehörigen gefallener Soldaten bitter beschuldigten, für den Tod ihrer Söhne und Brüder verantwortlich zu sein. Gegner der Kriege in Afghanistan und dem Irak sprachen von "Blutgeld" und verzeihen ihm am allerwenigsten, daß er noch im letzten Januar vor dem Chilcot-Ausschuß über den Irakkrieg felsenfest auf dessen Berechtigung beharrte.

Erbost recherchierten britische Medien, ob der Vorschuß, den Blair für die Memoiren kassiert hat - dem Vernehmen nach stolze 4,6 Millionen Pfund - Teil der Spende sind, und ob die Steuer nicht womöglich das Geschenk drastisch mindert. Auch die Zusage, daß dieser Vorschuß ebenso Teil der Gabe wie der Verkaufserlös aus Nebenrechten sei, bewahrte den in Verruf geratenen Expremier nicht vor der Durchleuchtung seiner Finanzen. Am Hungertuch nagen die Blairs sicher nicht, denn wie man rasch herausfand, verfügt jedes der vier Kinder über ein eigenes Haus in London, zusätzlich zur Familienvilla und zum denkmalgeschützten Landsitz. Finanziert wird der Wohlstand offenbar durch Blairs Reden, für die er bis zu 200.000 Euro einstreicht, wie auch lukrative Beraterverträge.

Was die Motive des zum Katholizismus konvertierten Blair betrifft, mutmaßten manche, bei der Spende handle es sich um ein Sühneopfer, dem freilich die Reue fehle. Seine Motive erläutern mußte auch der Generaldirektor des Veteranenverbands, Chris Simpkins, der die Spende angenommen hatte. Das Geschenk habe ihn in eine schwierige Situation gebracht, räumte dieser ein. Es abzulehnen, wäre ja auch nicht recht gewesen. Die Annahme bedeute jedenfalls nicht, daß der Verband die Entscheidungen der Regierung Blair billige, hielt Simpkins wohlweislich Distanz zu dem Vielgescholtenen, mit dem man nicht gern in Verbindung gebracht wird.

Tony Blair ist so unten durch wie George W. Bush, was man letzten Endes - wenn die verständliche Schadenfreude als Strohfeuer verraucht ist - zu den bedeutendsten politischen Leistungen dieses unsäglichen Gespanns zählen muß. Man wird die Kriege im Nahen und Mittleren Osten stets mit diesen beiden Namen in Verbindung bringen, die man auf ewig verfluchen kann. Bush und Blair haben uns belogen, Bush und Blair sind schuld - als hätten nicht Millionen diesen Feldherrn zugejubelt und ihre Täuschungsmanöver bereitwillig geschluckt. Soviel man Tony Blair auch vorwerfen kann, sei doch die Frage gestattet, wieso in Afghanistan britische Truppen immer noch Krieg führen, von Barack Obama und den US-amerikanischen ganz zu schweigen.

22. August 2010