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REPRESSION/1336: Stockholm-Programm - EU zieht Daumenschrauben an (SB)



Heute hat Schweden die EU-Ratspräsidentschaft von Tschechien übernommen. In der Mainstream-Presse werden die angeblich wichtigsten Themen, denen sich der konservative schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt in den nächsten sechs Monaten widmen will, wie folgt aufgezählt: Wirtschaftskrise, Klimawandel, Ratifizierung des Lissabon-Vertrags, EU-Erweiterung und möglichst rasche Wiederwahl des Portugiesen José Manuel Barroso zum EU-Kommissionspräsidenten. Ein weiteres, zentrales Thema bleibt nahezu unerwähnt: Innere Sicherheit. Das hat mit dem "Stockholm-Programm" einen eigenen Namen erhalten, was seine Bedeutung unterstreicht.

Die Trennung in innere und äußere Sicherheit wird von den europäischen Regierungen zunehmend aufgehoben. Das Stockholm-Programm bildet das Pendant zu imperialistischen Kriegen, welche die Europäische Union im Namen des Sicherheitsbegriffs, auch an der Seite der NATO, führen will. In rund zwei Wochen wollen sich die EU-Justiz- und Innenminister treffen, um über das Programm zu beraten; gegen Ende der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft soll es verabschiedet werden und Maßnahmen zum Ausbau der inneren Sicherheit von 2010 bis 2014 vorgeben.

Unter dem Vorwand, die Bürger der Europäischen Union vor dunklen Gefahren vorzugsweise aus dem Morgenland schützen zu müssen, sollen Freiheiten und Bewegungsmöglichkeiten der Menschen in einem nicht für möglich gehaltenen Ausmaß eingeschränkt werden. Die EU-Bürger geraten in die vielarmigen Fänge beliebiger europäischer Ermittlungsbehörden. Was beim Europäischen Haftbefehl als Testballon durchgesetzt wurde, soll nun auf breitere Füße gestellt werden. Und das Europäische Parlament darf dann den Gruß-August zum Stockholm-Programm spielen, verhindern kann es das undemokratisch zustandegekommene Produkt nicht.

Grenzüberschreitende Online-Durchsuchungen, umfangreiches, verdachtsunabhängiges Belauschen der Kommunikation, Erfassung biometrischer Erkennungsmerkmale, Vervollständigung des Datenaustausches zahlreicher Behörden der EU-Staaten, enge Kooperation der Polizeien und Staatsanwaltschaften, Ausbau und Stärkung paramilitärischer Polizeieinheiten (Gendarmerie), um soziale Unruhen niedermachen zu können, militärische Absicherung der Außengrenzen und parallel dazu Satellitenüberachung im Innern sind nur eine bescheidene Auswahl der zahlreichen Bereiche, in denen unter dem Stichwort "Sicherheit" auf der einen Seite die vermeintlich unverzichtbare Administration geschützt und auf der anderen allgemeine Unsicherheit ob einer diffusen Bedrohungslage in der Bevölkerung verbreitet werden soll.

Die Ergebnisse des Stockholm-Programms sollen in den nächsten Jahren in die nationalen Gesetzgebungen diffundieren. Dann wird es voraussichtlich an der einen oder anderen Stelle, an denen liberaldemokratische oder linke Kräfte die Sicherheitsgesetze kritisch beleuchten - vergleichbar mit der Klage gegen den Vertrag von Lissabon vor dem Bundesverfassungsgericht -, von Seiten der nationalen Regierungen heißen, daß man nichts mehr machen könne, das sei auf EU-Ebene im Jahre 2009 entschieden worden.

Damit es niemals zu dieser Ausrede kommt und der Lissabon-Vertrag, der für die Verabschiedung des Stockholm-Programms zwar nicht zwingend erforderlich ist, ihm aber Rückendeckung verleihen würde, scheitert, bedürfen in nächster Zeit die Iren einer breiten und nicht nachlassenden Unterstützung, damit sie nicht wankelmütig werden und vielmehr bei ihrem ursprünglichen Nein, das ihnen von der EU kurzerhand aberkannt wurde, bleiben. Eine Form der Unterstützung besteht darin, das Thema "Stockholm-Programm" in die Schlagzeilen zu bringen und seine militärdikatorischen Implikationen offenzulegen.

1. Juli 2009