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REPRESSION/1342: Mit Finanzkontrolle in der EU die Taliban bekämpfen (SB)



Der Sonderemissär des US-Präsidenten für Afghanistan, Richard Holbrooke, bestätigt die EU-Kommission in ihrem Bestreben, US-Sicherheitsbehörden Zugriff auf europäische Kontendaten zu verschaffen, auf ungewöhnliche Weise. Am Dienstag kündigte er in Brüssel an, seine Regierung bereite Maßnahmen zur Unterbindung ausländischer Finanztransfers an die Taliban vor. Das Gros der den afghanischen Gegnern der NATO zur Verfügung stehenden Mittel stamme nicht, wie oft behauptet, aus dem Opiumanbau und Drogenhandel, sondern werde in weit größerem Maße von Unterstützern aus aller Welt in das Land geschleust. Namentlich führte er die arabischen Golfstaaten an, betonte jedoch, daß auch aus Westeuropa viel Geld von Sympathisanten der Taliban aufgebracht werde und zur Finanzierung des Kriegs gegen die NATO nach Afghanistan fließe. Unterbunden werden soll dies durch eine neu aufzustellende Sondereinheit, an der sich Beamte des US-Finanzministeriums, des Verteidigungsministeriums, des FBI und der CIA beteiligten (The Guardian, 29. Juli 2009).

Einen Tag vor dieser Ankündigung Holbrookes, der in Brüssel hochrangige Vertreter der EU und NATO traf, hatten die EU-Außenminister die EU-Kommission damit beauftragt, mit der US-Regierung Verhandlungen über die Weitergabe europäischer Bankverbindungsdaten der Clearingstelle SWIFT an ihre Geheimdienste und Sicherheitsbehörden zu führen. Diese Zusammenarbeit soll, so lautet zumindest der jetzige Stand, der Bekämpfung des Terrorismus vorbehalten sein, was weder die Taliban noch andere Organisationen, die in ihren Ländern gegen ausländische Besatzer oder eigene Machthaber kämpfen, ausnimmt.

Zwar wurden bereits im Rahmen der EU-Terrorliste Maßnahmen gegen die Alimentierung ausländischer Bewegungen getroffen, die nach Ansicht der EU-Regierungen einen illegitimen Kampf führen. Der ausdrücklich auch für die EU-Behörden geplante Zugriff auf die SWIFT-Daten erweitert die Fähigkeit der Sicherheitsbehörden, Geldüberweisungen an mißliebige Empfänger zu unterbinden, jedoch erheblich. Zudem überantwortet er die Absender einer außenpolitisch motivierten Strafverfolgung, der vor allem in der EU lebende Menschen aus nichteuropäischen Ländern zum Opfer fallen dürften.

Auf der einen Seite macht Holbrooke den Taliban Angebote zur Beteiligung am politischen Prozeß und zeigt damit, daß imperialistische Kriegführung letztlich frei von den ideologischen Vorbehalten ist, mit denen sie propagandistisch legitimiert wird. Um so verständlicher ist, daß auch viele der säkular und demokratisch gesonnenen Kräfte in Afghanistan den Abzug der NATO fordern. Auf der anderen Seite weitet Holbrooke die Kriegführung unter dem Etikett der Terrorismusbekämpfung auf zivile Bereiche aus und nimmt damit keineswegs nur die konkrete Finanzhilfe zur militärischen Unterstützung der Taliban ins Visier, sondern auch alle humanitären und karitativen Zwecken gewidmete Geldtransfers, denen unterstellt werden könnte, für militärische Zwecke mißbraucht zu werden.

So wurden nach dem 11. September 2001 die Konten der größten islamischen Wohltätigkeitsorganisation in den USA gesperrt, weil man behauptete, die nach Palästina überwiesenen Gelder würden für terroristische Zwecke der Hamas verwendet. Da es sich bei dieser Partei um eine Organisation handelt, die vielfältige soziale Dienste anbietet, kann die Kriminalisierung der sie unterstützenden Wohltätigkeitsorganisationen auch als Bestandteil einer Strategie der Aushungerung verstanden werden, wie sie nach wie vor an der Bevölkerung Gazas praktiziert wird. Auf jeden Fall hindert die Unterbindung des Geldflusses an die Hamas und andere Organisationen im Nahen und Mittleren Osten die USA und EU nicht daran, die Streitkräfte von Regierungen wie der Israels, Afghanistans oder des Iraks aufzurüsten, so daß die über die Observation und Blockierung von Finanztransfers vollzogene Terrorismusbekämpfung auch als erweiterte Form der Kriegführung verstanden werden kann.

29. Juli 2009