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REPRESSION/1458: Windige Geschäfte - Siemens-Windräder für die von Marokko besetzte Westsahara (SB)



Siemens Energy hat seine ersten "Windaufträge" aus Afrika unter Dach und Fach gebracht. Einer Pressemitteilung des deutschen Unternehmens zufolge liefert es "44 Windenergieanlagen für die Windkraftwerke Haouma und Foum El Oued in Marokko" [1]. Durch diese Formulierung wie auch die Lieferung an sich zeigt das Unternehmen, daß die Annektierung der Westsahara durch Marokko kein prinzipielles Hindernis für seine Geschäftstätigkeit ist, liegt doch Foum El Oued in dem von dem Magrebstaat besetzten Gebiet. Mit der faktischen Anerkennung nimmt das Unternehmen in dieser Frage einen konträren Standpunkt zu dem der Vereinten Nationen ein, die ein Referendum über die Zukunft der Westsahara verlangen, und auch zur Afrikanischen Union, der Marokko wegen der Besetzung der Westsahara als einziges afrikanisches Land nicht angehört.

Fünf Jahre lang wird Siemens die Windkraftanlagen, die 2013 in Betrieb genommen werden sollen, warten. In dieser Zeit und darüber hinaus wird das Unternehmen zur Legitimation eines Regimes beitragen, das insbesondere unter den schweren Repressionen ausgesetzten Sahrauis für seine Menschenrechtsverletzungen gefürchtet wird. Einwohner, die sich für das Selbstbestimmungsrecht der Sahrauis einsetzen, müssen mit langjährigen Gefängnisstrafen und Folter rechnen. Auch kommt es immer wieder vor, daß Menschen von den marokkanischen Sicherheitskräften verschleppt werden und nie wieder auftauchen, wie von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International [2] und selbst dem parteiübergreifenden Ausschuß für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestags im Sommer vergangenen Jahres im Anschluß an eine Delegationsreise festgestellt worden ist. [3]

Erst vor 15 Monaten wurde ein in der Wüste errichtetes Protestlager der Sahrauis, die damit auf die permanente Mißachtung grundlegender Menschenrechte und den massiven Repressionen, denen sie durch Marokko ausgesetzt sind, aufmerksam machen wollten, von marokkanischen Sicherheitskräften zerstört. Die anschließend ausgebrochenen Demonstrationen in der westsaharischen Hauptstadt El-Aiún wurden niedergeknüppelt und mit Tränengas erstickt. [4]

Es ist völlig unerklärlich, daß zwar die Förderung und der Export von Rohstoffen aus völkerrechtswidrig besetzten Gebieten verboten ist, aber daß der Rohstoff Wind aus solchen Gebieten abgegriffen werden darf. Hat das vielleicht damit zu tun, daß die Windenergiebranche Phantasiezahlen zur Energiebilanz der Anlagen verbreitet und dementsprechend den Strom aus Windkraftanlagen als ökologisch sauber anpreist? Und deshalb soll automatisch das Aufstellen eines Windrads ethisch ebenfalls sauber sein?

Muß man also annehmen, daß die Erklärung von Siemens, es lege besonderen Wert auf "die Unterstützung und Förderung der Menschenrechte" [5], nur ein Lippenbekenntnis ist? Und was bedeutet das Siemens-Geschäft mit Marokko für die Desertec Industrial Initiative (DII), die das Desertec-Konzept zur Verbreitung von Windkraft- und Solarthermischen Anlagen vermarktet, mit Marokko zusammenarbeitet, aber ausdrücklich darauf hinweist, daß von ihr keine Anlagen in der Westsahara errichtet werden? [6] Siemens ist jedoch Gesellschafter der DII. Der Geschäftsabschluß des Konzerns mit Marokko läuft zwar nicht unter dem Titel "Desertec", aber beeinträchtigt es nicht auch die Glaubwürdigkeit dieser Initiative, wenn einer ihrer Gesellschafter, der ebenfalls Geschäfte mit Erneuerbaren Energien macht, dabei schwere Menschenrechtsverletzungen in Kauf nimmt?



Anmerkungen:

[1] Siemens-Pressemitteilung vom 30. Januar 2012
http://www.siemens.com/press/de/pressemitteilungen/?press=/de/pressemitteilungen/2012/energy/wind-power/ewp201201025.htm

[2] MAROKKO UND WESTSAHARA, Amnesty International, aus dem Internet abgerufen am 8. Februar 2012
http://www.amnesty.de/jahresbericht/2011/marokko-und-westsahara#unterdrckungandersdenkendersahrauischeaktivisten

[3] "Überfällige Lösung für Westsahara angemahnt", http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2011/34973489_kw26_westsahara/index.html

[4] "Marokko stürmt Protestlager in der Westsahara", Zeit Online,9. November 2010
http://www.zeit.de/politik/ausland/2010-11/westsahara-marokko-unruhen

[5] "Unser Nachhaltigkeitsverständnis", aus dem Internet abgerufen am 8. Februar 2012
http://www.siemens.com/sustainability/de/nachhaltigkeitsverstaendnis/internationale-richtlinien/index.php

[6] "Solar giant Desertec to avoid Western Sahara. Ambitious desert solar project will stay out of Moroccan occupied territory in Western Sahara", The Guardian, 23. April 2010
http://www.guardian.co.uk/sustainable-business/desertec-western-sahara

8. Februar 2012