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KULTUR/0772: Fernsehkritik tut not ... und kann Folgen haben (SB)



Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat allen Grund, Kritik zu fürchten, ist er als Medium der Aufklärung und als gesellschaftlich emanzipatorische Kraft doch zusehends irrelevant. Dies bekam der Betreiber des Internetmagazins fernsehkritik.tv, Holger Kreymeier, zu spüren. Dem freien Mitarbeiter des NDR soll mit sofortiger Wirkung gekündigt worden sein, und zwar aufgrund der von ihm an ARD und ZDF geübten Kritik. Laut einer Stellungnahme Kreymeiers auf dem Forum seiner Webseite (04.03.2009) hat "das Justiziaritat (...) den Chef meiner Abteilung angewiesen, mich wegen der Kampagne 'Dafür zahl' ich nicht' ab sofort nicht mehr beschäftigen zu dürfen - und darüber wurde ich dann telefonisch informiert!" Der NDR bestreitet demgegenüber in einer Presseerklärung (04.03.2009), daß es überhaupt zu einer Entlassung gekommen wäre. Statt dessen wäre lediglich eine Überprüfung der Zusammenarbeit aufgrund nämlicher Kampagne geplant gewesen wäre, was Kreymeier schriftlich abgelehnt habe. Diese Version des Geschehens wiederum bestreitet Kreymeier.

Mit seiner Aktion richtet sich Kreymeier erklärtermaßen nicht gegen das öffentlich-rechtliche Fernsehen, sondern will es auf produktive Weise an seinen Auftrag erinnern. Der provokante Titel der Kampagne legt den Finger in die offene Wunde gebührenfinanzierter Inhalte, die sich seit Einführung des Privatfernsehens zusehends jener leichten Konsumierbarkeit andienen, die ein ansprechendes Umfeld für die dort geschaltete Werbung schaffen soll. Daß werbefinanzierte Sender vor allem auf Boulevard, Daily Soaps, Reality TV, Casting Shows und Hollywood-Blockbuster setzen, ist die Folge einer Medienpolitik, die die Kommerzialisierung des Fernsehens gezielt als Mittel seiner Entpolitisierung einsetzt. Daß die ausschließlich an Einschaltquoten orientierten Programme der Privatsender auf den öffentlich finanzierten Rundfunk abfärben würden, war in dem Kalkül, dem wichtigsten Massenmedium der Republik den Zahn linker Kritik zu ziehen, zweifellos enthalten, wie entsprechende Warnungen der Gegner der vor 25 Jahren insbesondere von Unionspolitikern durchgesetzten Einführung des dualen Rundfunksystems dokumentieren.

Wenn Kreymeier seine Kritik an ARD und ZDF daran fest macht, daß die Finanzierung ihres Betriebs im Unterschied zu den privaten Sendern durch einen gesetzlichen Auftrag gesichert ist, dann stellt er etwas klar, das im Eifer des Gefechts um die Gunst der Zuschauer allzuleicht vergessen wird. Die öffentlich-rechtlichen Sender stehen zu RTL, SAT.1 und Co. eben nicht in direkter Konkurrenz, und wenn die Programmverantwortlichen meinen, die Existenz ihrer Sender durch die systematische Verdummung des Publikums sichern zu müssen, dann sollten sie diesen Niedergang auch rechtfertigen. So gibt es für das in Britannien beim Staatssender BBC ebenfalls beobachtete Phänomen des "dumbing down" gute Gründe wie die Ruhigstellung einer zusehends von Armut und Not heimgesuchten Bevölkerung bei strikter Vermeidung jeder Erörterung der Frage, wer dafür verantwortlich sein könnte.

Wo dieses Problem aus naheliegenden Gründen nicht zum Thema werden soll und die Motive, die zu dem von Kreymeier beklagten - und von Millionen Zuschauer attestierten - Qualitätsverlust des öffentlich-rechtlichen Fernsehens führen, im Dunkeln bleiben, da ist die indirekte Androhung eines Gebührenboykotts eine allemal legitime Form des demokratischen Protests. Dabei ruft Kreymeier nicht einmal dazu auf, keine Rundkfunkgebühren zu bezahlen. Er empfiehlt dem Zuschauer statt dessen, unkritisch zu sein und brav seine Gebühren zu zahlen, sich dann jedoch nicht zu wundern, wenn das Programm noch schlechter wird. Belege für diese Entwicklung bleibt er ebenfalls nicht schuldig, wie Folge 23 des von ihm produzierten Magazins fernsehkritik.tv vom 26. Februar zeigt, in dem er zwei öffentlich-rechtliche Gesprächsrunden zum Thema Gaza-Krieg kurz und treffend seziert.

Die von Kreymeier erhobene Forderung nach Einstellung jeder Form von Werbung und Sponsoring bei ARD und ZDF ist allemal sinnvoll, nimmt doch jeder Geldgeber auf diese oder jene Weise Einfluß auf die Programmgestaltung. Nicht minder unterstützenswert ist die Forderung nach der Einstellung der Quotenmessungen für das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Nur so können die dort arbeitenden Journalisten von dem Druck befreit werden, einem vermeintlichen Zuschauerinteresse zu entsprechen, das üblicherweise auf dem größten gemeinsamen Nenner angesiedelt wird, der in einer neoliberalen Konkurrenzgesellschaft den am leichtesten zu mobilisierenden Ängsten und Obsessionen entspricht. Wie auch immer es sich um den Streit zwischen dem NDR und Kreymeier verhält, die von ihm geübte Kritik ist stichhaltig und für die Produzenten weichgespülter Angebote inakzeptabel. An eine Öffnung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für mehr Sozial- und Gesellschaftskritik, für anspruchsvolle Unterhaltungs- und Kultursendungen wäre nur dann zu denken, wenn es sich tatsächlich um ein demokratisches und nicht von herrschenden Interessen in Parteien und Verbänden dominiertes Medium handelte.

6. März 2009