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KULTUR/1025: Trump - nicht zum Lernen bereit ... (SB)



Es war nur Gerede, wie in der Umkleidekabine unter Männern üblich, behauptete Donald Trump, als ein Audiomitschnitt aus dem Jahr 2005 bekannt wurde, in dem er damit prahlte, wenn man ein berühmter Star sei, könne man Frauen ohne weiteres in den Schritt greifen, ja schlichtweg alles mit ihnen tun [1]. Was Männer sich eben so erzählen, wenn sie unter sich sind, das empfanden seine Mitbewerber um die Präsidialmacht in den USA als durchaus akzeptable Entschuldigung. Wie Vizepräsident Mike Pence tief religiös und einer überaus prüden Klientel verpflichtet, stellten sich all jene UnterstützerInnen, die im Wahlkampf gegen die Gleichstellung Homosexueller, die Anerkennung von LGBTIQ-Rechten oder die Finanzierung von Gender Studies kämpfen, für die das Recht auf Abtreibung eine der größten Sünden und denen die gottesfürchtige Kleinfamilie, in der Jungen noch zu echten Männern und Mädchen noch zu treusorgenden Müttern erzogen werden, zentrales moralisches Bekenntnis ist, hinter den notorischen Sexisten Trump.

Auch der von ihm als Nachrücker in den Obersten Gerichtshof der USA vorgesehene Richter Brett Kavanaugh ist Verfechter einer konservativen Sexualmoral und des Schutzes der Kleinfamilie als Keimzelle eines autoritätshörigen Bürgertums. Seit gegen diesen der Vorwurf erhoben wird, er habe mit 17 Jahren versucht, ein 15jähriges Mädchen zu vergewaltigen, steht die Bestätigung seiner Nominierung durch den US-Senat in Frage. Trump verteidigt seinen Kandidaten, der die Balance im neunköpfigen Verfassungsgericht bei Abstimmungen deutlich nach rechts verschöbe, mit den Worten, daß dieser große Intellektuelle und Gentleman das nicht verdient hätte. Er habe großes Mitgefühl mit ihm angesichts dessen, was er durchzumachen habe. Da weder der Vorwurf der Betroffenen noch die Erklärung des Bezichtigten, daß nichts dergleichen geschehen sei, mit Gewißheit zu verifizieren ist, kommt es bei diesem Fall sehr darauf an, wie die jeweiligen Akteure in der Öffentlichkeit wirken. Beide werden sich in einer öffentlichen Anhörung vor dem Rechtsausschuß des Senats am Montag erklären.

Trump hat andere Politiker, gegen die der Vorwurf sexueller Übergriffigkeit erhoben wurde, meist verteidigt, selbst wenn er keine nähere Kenntnis von den Umständen hatte. Da er Frauen nicht nur einmal bei öffentlichen Auftritten zu Sexobjekten degradiert hat, ist eine Haltung, bei der er im Zweifelsfall für die Betroffenen plädierte, eher unwahrscheinlich. Anders liegt die Sache, wenn es sich bei den mutmaßlichen Vergewaltigern um Nichtweiße handelt.

So ließ Trump 1989 in allen vier New Yorker Tageszeitungen ganzseitige Anzeigen schalten, auf denen er die Todesstrafe für fünf minderjährige Afroamerikaner forderte, die eine Frau im Central Park vergewaltigt haben sollen. Darin bekannte er sich in sehr emotionalen Worten zur Notwendigkeit, solche Verbrecher nicht nur aus dem Verkehr zu ziehen, sondern zu hassen. Man müsse sie zwingen zu leiden, denn die Bürgerrechte endeten dort, wo "unsere" Sicherheit anfängt. Im Interview mit Larry King erklärte er, Opfer hätten in "unserer" Gesellschaft keinerlei Rechte, während die Täter über unglaubliche Rechte verfügten. Vielleicht sei Haß erforderlich, um daran etwas zu ändern.

2002 hatte ein anderer Strafgefangener die Tat gestanden, was per DNA-Beweis bestätigt wurde. Den fälschlich Verurteilten wurde eine große Schadensersatzsumme zugestanden, weil sie von der Polizei zu belastenden Aussagen genötigt worden sein sollen und Haftstrafen zwischen sechs und 13 Jahren verbüßt hatten. Trump geht bis heute davon aus, daß sie schuldig sind und zu Recht bestraft wurden.

"I moved on her like a bitch, but I couldn't get there." [2] Trumps Worte, mit denen er 2005 schilderte, wie er vergeblich versuchte, eine verheiratete Frau zu verführen - er spricht offen aus: "I did try and fuck her" - enthalten die klassische Macho-Behauptung, im Grunde genommen sei die Frau nicht nur dazu bereit, sie wolle es sogar. Vergewaltigungsopfer unglaubwürdig zu machen, indem sie bezichtigt werden, Männer zu ihrer Tat gereizt zu haben, ist an US-Gerichten bis heute eine erfolgreiche Verteidigungsstrategie. Die anhaltende Dynamik der Me.Too-Debatte in den USA ist nicht zuletzt der häufigen Benachteiligung von Frauen vor Gericht geschuldet, was allerdings im Fall schwarzer Angeklagter ins Gegenteil umschlagen kann. Hier vermischen sich patriarchale Gewalt und rassistische Diffamierung auf besonders entlarvende Weise.

Die Gewißheit, auf der Seite der Wahrheit und des Rechts, der Moral und der Macht zu sein, fällt mitunter auf die Verfechter gottgegebener Sexualmoral zurück. So wurde der republikanische Politiker Ralph Shortey zu 15 Jahren Haft verurteilt, weil er, wie er vor Gericht gestand, einen 17jährigen für sexuelle Dienstleistungen bezahlt hatte [3]. Nur weil die Staatsanwaltschaft weitere Anklagepunkte wie den Besitz von Kinderpornografie aufgrund seines Geständnisses fallenließ, entging der 36jährige Vater von vier Kindern einer womöglich lebenslangen Haftstrafe. Als Mitglied des Senates von Oklahoma hatte er sich stets als strammer Homophober präsentiert.

Es ist nicht das erste Mal, daß Exponenten einer restriktiven Sexualmoral wie landesweit bekannte evangelikale Prediger über die eigenen Ressentiments stolpern. Weil das Schutzalter für Prostituierte in den USA bei 18 Jahren liegt, fiel Shortey, der sich im Präsidentschaftswahlkampf sehr für Donald Trump engagiert hatte, eben jenem Haß zum Opfer, der als Markenzeichen rechtskonservativer Gesinnung noch viel Zukunft nicht nur in der US-Politik hat. Haß auf Minderheiten ethnischer Art, patriarchales Dominanzstreben und weiße Suprematie sorgen dafür, daß an eine Entkriminalisierung und Liberalisierung der drakonischen Strafgesetze nicht zu denken ist, werden mit ihnen doch die sozialen Widersprüche der US-Klassengesellschaft erfolgreich überdeckt.


Fußnoten:

[1] https://www.washingtonpost.com/politics/trump-recorded-having-extremely-lewd-conversation-about-women-in-2005/2016/10/07/3b9ce776-8cb4-11e6-bf8a-3d26847eeed4_story.html?noredirect=on&utm_term=.e326f45692c7

[2] a.a.O.

[3] https://www.queer.de/detail.php?article_id=31974

21. September 2018


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