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KRIEG/1315: Leid der Palästinenser realpolitisch legitimiert (SB)



Die jetzt durch die Aussagen israelischer Soldaten bekanntgewordene Ermordung palästinensischer Zivilisten und die mutwillige Zerstörung ihres Eigentums kann aufmerksame Beobachter der Kriegführung im Gazastreifen kaum erstaunen. Schon während des dreiwöchigen Überfalls auf das Gebiet drangen Berichte von Zeugen nach außen, die keinen anderen Schluß zuließen, als daß es die israelischen Streitkräfte auf eine Demonstration militärischer Stärke abgesehen hatte, die ohne zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung keine solche gewesen wäre.

Laut der palästinensischen Menschenrechtsorganisation PCHR wurden insgesamt 1434 Palästinenser getötet und 5303 verletzt. Unter den Toten befanden sich 960 Zivilisten sowie 239 Polizisten (NZZ Online, 13.03.2009), die nach Kriegsvölkerrecht ebenfalls zur Zivilbevölkerung zählen. Die von der israelischen Militärführung unterstellte Schonung der Zivilbevölkerung wurde mit Aussagen einzelner Soldaten und Offiziere konterkariert, die die außerordentliche Härte ihres Einsatzes hervorhoben. Sie wurde zudem durch die Massivität des Bombardements und den Einsatz besonders grausamer Waffen unterstrichen. Die israelische Kriegs-PR war von Beginn an davon bestimmt, die Gerechtigkeit der Verteidigung des eigenen Landes gegen palästinensische Milizen, die Raketen auf Israel abfeuern, zu betonen und jeden Einwand gegen die beklagte "Unverhältnismäßigkeit" massiver militärischer Gewalt von sich zu weisen.

Der Widerspruch zwischen dem inszenierten Bild, eine militärische Verteidigungsmaßnahme nach Norm internationalen Rechts zu führen, und der Praxis, den Widerstand der Palästinenser gegen die israelische Besatzungspolitik mit den Zerstörungsmitteln einer ihnen haushoch überlegenen Streitmacht zu brechen, während man sie gleichzeitig aushungert und ihnen die Flucht aus dem angegriffenen Gebiet unmöglich macht, bildet die machtpolitische Realität einer Kriegführung ab, die ohne entsprechende politische Protektion längst auf breiter Ebene als verbrecherisch gebrandmarkt worden wäre. Die jetzt bekanntgewordenen Aussagen der israelischen Soldaten bleiben so lange bedeutungslos, als die in Washington und Brüssel vielbeschworene Responsibility to Protect (R2P) als Vorwand für militärische Intervention nach Art des Überfalls auf den Gazastreifen genutzt, anstatt als Pflicht des Verzichts auf die Gutheißung einer derartigen Aggression verstanden wird.

Die Frage nach den Rechten der Palästinenser zu stellen ist denn auch so lange müßig, als daß die an ihnen vollstreckte Gewalt schon dadurch, daß sie straflos vollzogen werden kann, legitimiert wird. Allein die Tatsache, daß sich an der Versorgungslage der Menschen in dem Großgefängnis Gaza kaum etwas verbessert hat, spricht Bände über den realpolitischen Umgang mit Menschen, die eben nicht nur von Israel, sondern den USA und der EU des Anspruchs auf ein angemessenes Leben und auf Schutz vor Gewalt beraubt werden. Sich hierzulande nun empört über das Verhalten der israelischen Soldaten zu zeigen entspricht der Ignoranz, mit der die eigenen Politiker die prinzipielle Deklassierung der Palästinenser zu Menschen zweiter Klasse betreiben.

19. März 2009